Balkan-World-Sound meets Mexico-City
Das Wahlwiener Streicherinnen-Duo Catch-Pop String-Strong spielte auf Einladung des Festival México und des österreichischen Kulturforums vergangene Woche vier Konzerte in Mexiko-Stadt. Abseits der Bühne war Platz für Frieda Kahlo, Mangos auf der Straße und mexikanisches Design. Protokoll einer besonderen Begegnung.
Mexiko City – Ein Prunksaal im Museo Nacional de Arte im historischen Zentrum von Mexiko-City, gedämpftes Licht und zwei Musikerinnen, die es schaffen, ihr Publikum vom ersten bis zum letzten Saitenstrich in ihren Bann zu ziehen – so war mein Wiedersehen mit Jelena Popržan und Rina Kaçinari alias Catch-Pop String-Strong, die ich schon einige Male in Wien erlebt hatte. Deshalb war mir auch klar, dass ich mir diesen musikalischen Hochgenuss hier in der Stadt am Popocatépel nicht entgehen lassen werde.
In gewohnter Weise begeisterten sie mich mit ihrer unglaublichen Bühnenpräsenz – egal, ob ganz ruhige Lieder oder vor Energie nur so sprühende Stücke wie „Srela sam se s njim“ oder die Eigenkomposition „Gyere Ide Babe„: Jelena, ursprünglich aus Serbien, und Rina, die im Kosovo geboren wurde, passen in keine Schublade. Sie schaffen es auf wundersame Weise, ihr Publikum aus dem Alltag herauszukatapultieren und mit auf eine Reise zu nehmen.
Südbosnische Landschaften ziehen vor meinem inneren Auge vorbei, als ich das albanische Liebeslied „Kur hana del“ höre, ein paar Momente später befinde ich mich irgendwo zwischen Wien und Istanbul („Ska Tango“) und kurz darauf mitten in den Alpen, als die beiden bei einer Jodel-Persiflage in Sachen Improvisationskunst tief blicken lassen. Die Reise führt bis nach Schottland („Phil’s Tune“) und zurück nach Wien, direkt in die Wohnung von Frau Magister Moser, deren Reinigungskraft Slavica dem Publikum Einblick in ihr Doppelleben zwischen Bobo-Wohnung im 7. Bezirk und Jugo-Disko am Wochenende gibt („Turbofolk Queen„). Wenn sich auch der mexikanischen Zuhörerschaft vielleicht nicht jede sarkastische Feinheit dieses bissigen Singstückes von selbst erklärt, so gibt es bei anderen Liedern wieder umso mehr thematische Übereinstimmung: wenn Jelena das jugoslawische Lied „Oj golube“ singt und in der Einleitung dazu von einem „Welthit“ spricht, weil es heute durch die Ex-Yu-Diaspora in den verschiedensten Teilen der Welt bekannt ist, tut sich unfreiwillige Migration als kleinster gemeinsamer Nenner dieser doch so verschiedenen Länder auf.
Aber nicht nur ich war begeistert. Auch das mexikanische Publikum zeigte sich tief beeindruckt und kam in Scharen. Kurz vor Beginn des dritten Konzerts am Freitag Abend in der Casa del Lago – man stelle sich den Wiener Kursalon an einem kleinen See im Prater vor – hatte sich bereits eine lange Schlange vor dem Eintrittstor gebildet. Nicht alle, die in den Saal wollten, fanden Platz – manche lauschten vor den Fenstern, einige nahmen sogar auf der Bühne neben den Künstlerinnen Platz. „Es scheint, als sei das – überraschend junge – Publikum hier richtig hungrig auf neue Musik aus Europa“, meinten die beiden Künstlerinnen, die 2012/13 durch das Programm „The New Austrian Sound of Music“ vom österreichischen Außen- und Kulturministerium als Vorzeige-Musikexport ausgezeichnet wurden. Die beiden zeigten sich ihrerseits ebenso von ihren ZuhörerInnen begeistert: „Die Menschen waren sehr offen für unsere Musik. Man hat gespürt, dass sie ihnen nahe gegangen ist. Und das ist eigentlich genau das, was wir uns wünschen“, ziehen die beiden ihr persönliches Resümee bei einem Kaffee über den Dächern des Hauptplatzes Zócalo.
Zu schnell sei die Woche vergangen, sind sich die beiden einig. Neben den Konzerten war Platz für etwas Sightseeing, so schafften es beispielsweise die Pyramiden von Teotihuacan oder die schwimmenden Gärten von Xochimilco (UNESCO-Weltkulturerbe) ins dichtgedrängte Programm. Bei einer jungen, mexikanischen Modeschöpferin, die mit ihrer Arbeit traditionelle mexikanische Handwerkskunst unterstützt, kleideten sie sich für zukünftige Konzerte ein und einen kleinen Ausflug ins Nightlife der Stadt gab’s noch zum Drüberstreuen. Ein Fixpunkt war die Casa Azul, auch bekannt als Frida Kahlo-Museum, und das umliegende Flanier-Viertel Coyoacán. Heute weiß ich: es ist ein Ding der Unmöglichkeit, mit den beiden an einem Markt vorbeizugehen 🙂
Schwer bepackt mit vielen Erinnerungen und Erlebnissen traten sie am Sonntag die Heimreise an. Aber von Ausspannen keine Spur, bei den beiden geht’s munter weiter: kommenden Montag, 31.3. spielen sie im Wiener Musikverein (meine absolute Empfehlung für alle, die in Wien sind!), danach geht’s in die Schweiz und nach London. Im Mai und Juni sind sie wieder in Österreich zu hören, unter anderem auf den Tiroler Festspielen.
Eines steht für mich nach diesem Wochenende auch fest: die beiden passen nicht nur musikalisch in keine Schublade. Mit der Wärme und Herzlichkeit, die von ihnen ausgehen, fesseln sie genauso wie mit ihrer Musik. Und auch, dass zu so einer Konzert-Tour lange Vorlaufzeiten und harte Arbeit ebenso gehören wie Spontanität und Unkompliziertheit wurde mir in diesen Tagen klar. Das alles vereint macht Catch-Pop String-Strong – und den fulminanten Erfolg des Duos – wohl aus.