Bergbau in Mexiko: Kolonialismus reloaded
Zacualpan, Colima, Mexiko. Seit in Krafttreten des nordatlantischen Freihandelsabkommens zwischen Mexiko und den USA/Kanada 1994 wurde über die Hälfte des nationalen Territoriums zum Abbau von Bodenschätzen freigegeben. Die – meist – ausländischen Firmen schürfen im großen Stil, dem Land selbst bleibt fast nichts, weil von den ausländischen Firmen kaum Steuern eingehoben werden. Die Leidtragenden des ressourcenintensiven und kontaminierenden Abbaus sind die lokale Bevölkerung sowie die Umwelt. Ein Lokalaugenschein in Zacualpan im westmexikanischen Bundesstaat Colima.
Die Quellen von „ojo de agua“ (dt.: “Wasserauge”) sind ein kleines Paradies: kristallklares Wasser, das sich in sich aneinanderreihenden Flussbecken sammelt und in der Hitze des mexikanischen Frühsommers zum Schwimmen einlädt, umgeben von schattenspendendem grünem Dickicht, die nahen Berge dienen als Hintergrundkulisse. Eine Hängebrücke, mit Palmenblättern überdachte Sitzgelegenheiten und eine kleine Taqueria sind die einzigen Anzeichen der Zivilisation an diesem wunderbaren Ort nur 20 Autominuten von der Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates Colima entfernt.
Doch die Idylle trügt: in den Bergen, die sich über den Quellen erheben, wurde Gold gefunden und seit dem ist zwischen den BewohnerInnen des Dorfes Zacualpan und der lokalen Regierung ein Streit über die Errichtung einer Goldmine entbrannt. Die Gemeindeversammlung von Zacualpan, welche über die Verfügung der gemeinschaftlichen Böden entscheidet, sprach sich im Dezember 2013 klar gegen den Bau der Mine aus. María Elena Díaz Rivera, zuständige Landesrätin, erkennt diese Entscheidung allerdings nicht an und ist auch nicht bereit, die GemeindevertreterInnen von Zacualpan zu empfangen – bereits mehrere Male wurde ein geplantes Gespräch zwischen ihr und den VolksvertreterInnen wieder abgesagt. NGOs und anderen Umweltschützern, die sich der Causa anschlossen, wurde mit Festnahme gedroht. Im Februar des Jahres war das Maß für die Menschen aus Zacualpan voll: um Aufmerksam auf die Problematik der Mine zu lenken und ihrer Forderung nach Dialog Nachdruck zu verleihen, drehten sie das Wasser für die Hauptstadt Colima für einige Stunden ab. Repressionen und Festnahmen von Regierungsseite waren die Folge.
Die Menschen von Zacualpan wehren sich mit Händen und Füßen gegen die Mine, da sie eine Reihe – teilweise irreparabler – Schäden und Nachteile für die BewohnerInnen Colimas mit sich bringen würde: Die geplante Abbaumethode ist extrem wasserintensiv und würde zu starken Verschmutzungen im Grundwasser und Böden bis zu Trockenheit führen. Zum Vergleich: Kleine Minen, wie sie in Guatemala üblich sind, verbrauchen ca. 250 Millionen Liter Wasser pro Stunde. In etwa diese Menge verbraucht eine indigene Familie in 20 Jahren. Ein Projekt wie die geplante Mine von Zacualpan würde bis zu drei Millionen Liter Wasser pro Stunde verbrauchen. Wasserknappheit bis –mangel wären die klaren Folgen. Der Goldabbau ist außerdem sehr Cyanid-intensiv, einige Tonnen dieses giftigen Stoffes pro Tag sind erforderlich, um das Edelmetall aus dem Gestein zu lösen. Rückstände des Gifts bleiben im Wasser und Boden, und das für Jahrhunderte.
In 10 Jahren mehr Goldabbau als in drei Jahrhunderten Kolonialismus
Den Menschen vor Ort bleibt also verschmutztes Wasser oder überhaupt keines, verseuchte Böden und eine zerstörte Landschaft. Die Bergbaukonzerne im Gegenzug nehmen sich die Gewinne mit nachhause, die sie – noch dazu – in Mexiko kaum versteuern müssen: im ersten Abbaujahr bezahlt ein Konzern 5,7 Pesos (ca. 32 Cent) pro Hektar, im zehnten Abbaujahr wird die Höchstquote von 124,74 Pesos (ca. 7 Euro) pro Hektar eingehoben. So bezahlt der kanadische Konzern First Majestic Silver Corp, der im nordöstlichen Bundesstaat Coahuila auf ca. vier Millionen Hektar Silber abbaut, beispielsweise 17,4 Pesos (ca. 98 Cent) pro Hektar pro Jahr. Bei 464 Millionen Pesos Gewinn (ca. 26 Mio. Euro) macht das 68.160 Pesos (ca. 3.824 Euro) für den mexikanischen Fiskus. Das entspricht 0.004 % des Gewinns. Wenn man bedenkt, dass mittlerweile die Schürfrechte über 50% des nationalen Territoriums an ausländische Konzerne verkauft wurden, liegt der Gedanke eines „neuen Kolonialismus“ sehr nahe. Und nicht zu Unrecht: zwischen 1521 und 1810 wurden in Mexiko 190 Tonnen Gold abgebaut, zwischen 2000 und 2010 waren es 420 Tonnen.
Vor dem Freihandelsabkommen zwischen Mexiko und den USA/Kanada 1994 waren 52 Prozent des nationalen Territoriums Mexikos gemeinschaftlich verwaltet, d.h., mehr als die Hälfte des Landes wurden von den ärmsten Menschen des Landes bewohnt und bewirtschaftet. Danach hat ein Prozess der Privatisierung der Böden eingesetzt. Und dieser in den 1990ern begonnene „Trend“ setzt sich auch heute fort: Gustavo Castro Soto, Vertreter des mexikanischen Netzwerks der Betroffenen durch den Bergbau, gibt zu bedenken, dass die – im Ausland viel gelobten – Reformen der Regierung Enrique Peña Nietos im Bereich Bergbau, Wasser, ausländischen Investitionen, Umweltschutz und nationalen Gütern große Unternehmen und ausländische Industriebetriebe bevorteilen. Hier wird – ähnlich wie in Colima, wo die lokale Regierung die BewohnerInnen von Zacualpan unter Druck setzt, um die Eigentumsordnung zu ihren Gunsten zu verändern,- sichtbar, auf welcher Seite die mexikanische Regierung steht.
Die einzige Verteidigung, die der (indigenen) lokalen Bevölkerung bleibt, sind Reste der Landwirtschaftsgesetzgebung, laut der die Gemeindeversammlung über die Verwendung der Böden abstimmen muss. Mit der aktuellen Energie-Reform der Regierung Peña Nieto sollen jedoch auch Teile des Landwirtschaftsgesetzes geändert werden, was zu einem Ende dieser gemeinschaftlichen Entscheidung über die Verwendung der Böden führen könnte, so Gustavo Castro Soto. Laut dem Experten sind in den nächsten Jahren noch viele weitere Grabenkämpfe zwischen den Konzernen und der sie unterstützenden Regierung Mexikos und der (indigenen) lokalen Bevölkerung um rohstoffreiche Böden zu erwarten.
Zur Info:
Um 25kg Gold abzubauen…
- …müssen 25.000 Tonnen Gestein abgetragen werden.
- …fallen 50.000 Tonnen Abfallstoffe an (das ist ca. 18x so viel, wie in Wien pro Tag an Müll anfällt: rund 2750 Tonnen, siehe http://www.wien-konkret.at/wirtschaft/abfall-mist/).
- …muss 240 Tonnen Kohlendioxyd aufgewendet werden – genug für eine Autofahrt von 1,3 Mio. Kilometern.
- …werden 35,5 Mio. Liter Wasser gebraucht (so viel wie 14 olympische Schwimmbecken fassen).
- …werden 4 Tonnen Cyanid eingesetzt (giftig).
Quellen: Reporte AF. Periodismo de Investigación (Politisches Monatsmagazin Colima). Recherche vor Ort.