Die beste Lenkerin Wiens: Weiblich, türkisch, Taxifahrerin

23.02.2012 | 14:07 | Clara Akinyosoye

Feride Saymaz gehört als taxifahrende Frau zu einer Minderheit – dass sie Türkin ist und Kopftuch trägt, sorgt im täglichen Geschäft oft für verdutzte Gesichter.

Wien. Feride Saymaz ist 64 Jahre alt. Sie ist Türkin, gläubige Muslimin, trägt ein Kopftuch und lebt in Wien. So weit, so unspektakulär. Weniger gewöhnlich ist die Tatsache, dass Saymaz seit rund 20 Jahren als Taxifahrerin unterwegs ist. Und sie wurde kürzlich vom Taxiunternehmen 40100 zur fleißigsten und besten Taxifahrerin gekürt, weil sie im Dezember die meisten Aufträge ergatterte. Bereits zum zweiten Mal, wie Saymaz anmerkt.

Die Kunden seien beim Einsteigen meist überrascht. Oft positiv, aber auch negative Reaktionen sind ihr keineswegs fremd. So erzählt sie von einem Ehepaar, das nicht zu ihr einsteigen wollte. Der Mann habe gemeint, seine Frau wolle nicht mit einer kopftuchtragenden Lenkerin mitfahren. Erlebnisse wie dieses regen Saymaz auf: „Sitzt der Kunde auf meinem Kopf oder da hinten?“, sagt sie und zeigt auf die Rückbank ihres Wagens. „Das tut schon weh.“

Saymaz hat kein Verständnis dafür, dass manche Menschen sie wegen ihres Kopftuchs ablehnen. „Ich stinke nicht“, sagt sie – und meint das ernst. Schließlich würden viele beim Kopftuch an Schweiß und Gestank denken.

Aufgewachsen ist Saymaz, die bereits seit 40 Jahren in Österreich lebt, in einem türkischen Dorf. Die Schule verließ sie nach nur sechs Wochen, um ihrer kranken Mutter in der Landwirtschaft und bei der Erziehung der Geschwister zu helfen. Deshalb arbeitet Saymaz schon, seit sie sieben Jahre alt ist. Ans Aufhören denkt sie nicht. „Ich kann nicht anders.“

Das Klischee der abhängigen, türkischen Frau, die kein Wort Deutsch spricht, passt zu Feride Saymaz nicht. Doch wie hartnäckig dieses Bild in den Köpfen der Menschen verankert ist, darüber amüsiert sich die Taxifahrerin manchmal. „Viele glauben, dass ich einen österreichischen Mann habe oder Witwe bin.“ Denn dass ein türkischer Ehemann seiner Frau das Taxifahren verbieten würde, scheint einigen Fahrgästen geradezu selbstverständlich. Dabei dürfte diese Berufswahl für ihren Ehemann gar nicht abenteuerlich gewesen sein, wenn man bedenkt, dass sie ihren Lebensunterhalt davor als Lkw-Fahrerin für Baumaterialien verdient hat.

Private Fragen an die Taxlerin

Während Saymaz ihre Kunden chauffiert, muss sie sich Fragen über Fragen gefallen lassen – mitunter sehr private. Doch daran hat sich die ohnehin sehr gesprächige Langzeittaxlerin schon längst gewöhnt. Meist geht es darum, warum Saymaz ein Kopftuch trägt – und ob sie es freiwillig macht.

Doch einige Gäste interessieren sich nicht im Geringsten für die Kopfbedeckung der Taxilenkerin. Sie steigen ein, sagen, wohin es gehen soll, und zahlen. Wie das bei einer gewöhnlichen Taxifahrt nun einmal ist – ganz unspektakulär.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 22.02.2012)


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