Sexarbeiterinnen in Österreich

04.03.2008 | 12:06 | Ewa Dziedzic

Prostituierte fordern gleichen Zugang zu Rechten, machen in Wien auf Ungleichheiten aufmerksam und wehren sich gegen ihre Stigmatisierung.

 

WIEN. „Ich mag den Rathauspark“, sagt Anita. „Seit 1993 lebe ich in Wien. Von Anfang an bin ich hier hergekommen, um meine Gedanken zu sammeln.“ Die Tochter von Anita war vier Jahre alt, als sie Polen verließ. „Damals wollte ich mein Glück in der weiten Welt versuchen, wortwörtlich.“

Anita ist Sexarbeiterin, eine von vielen Migrantinnen, die diesem Beruf in Österreich nachgehen. Heute arbeitet sie in einem Swingerklub: „Zum Glück gibt es jetzt mehr Angebote. Ich bin zum ersten Mal, seit ich in Österreich bin, angestellt.“ Jedenfalls ist Anita glücklich, dass sie abgesichert ist.

Und die Arbeit? „Ich mache Sexshows, um die Stimmung zu heben. Die meisten Leute kommen mit ihrem Partner. Sie ziehen sich fast aus, trinken etwas, sehen sich um, knüpfen Kontakte. Sex, mit wem sie wollen – oder sie belassen es beim Zusehen“, erzählt sie aus ihrem Alltag.

„Das Schlimmste: Abhängigkeit“

Frauen wie Anita wissen von vorneherein, dass sie als Prostituierte arbeiten werden. Was sie nicht wissen ist, unter welchen Umständen. „Das Schlimmste war die Abhängigkeit von meinem Arbeitgeber“, erinnert sie sich.

Transnationalität im Bereich der Sexarbeit ist globale Realität. Der Anteil von Migrantinnen ist relativ hoch, in Österreich wird er auf 60 bis 80 Prozent geschätzt. In Wien gibt es derzeit (Stand: Februar 2007) 1292 registrierte Prostituierte (davon 19 männliche). Die Dunkelziffer dürfte zwischen 3000 bis 8000 liegen. Hinsichtlich der Freierkontakte ist ebenso nur eine sehr vage Aussage möglich. Niedrig geschätzt hat eine Sexarbeiterin im Durchschnitt drei Kunden pro Tag.

Frauenmigration wird seit den 1990er Jahren und mit Blick auf einen globalen Sexmarkt oft mit Frauenhandel und der damit verknüpften Gewalt assoziiert. Nicht selten auch darauf reduziert.

Am vorigen Samstag fanden sich Delegationen aus 25 Ländern zu einem Treffen und schließlich zu einer Kundgebung vor dem Parlament in Wien zusammen. Gemeinsames Zeichen dieser Frauen: ein roter Regenschirm, der gleichsam als Symbol von Schönheit wie von Widerstand gegen Ungleichheit verstanden werden will.

Gerade Migrantinnen befinden sich bei der Sexarbeit in einer prekären Situation. Jegliche Ungleichheit abzuschaffen ist eine der Kernforderungen jener Organisationen, die sich für Sexarbeiterinnen einsetzen. In Österreich ist dies vor allem „Lefö“.

Faika Anna El-Nagashi, Mitarbeiterin bei „Lefö“, konkretisiert: „Sexarbeiterinnen haben das Recht auf gleichen Schutz durch das Gesetz. Das beinhaltet die Möglichkeit, effektive Rechtsmittel in Anspruch zu nehmen, genauso wie vor Diskriminierungen geschützt zu werden.“

Seit 2006 gibt es für Drittstaatsangehörige rechtlich so gut wie keine Möglichkeit mehr, in Österreich als Sexarbeiterin tätig zu werden. Frauen, die vor Inkrafttreten des neuen Fremdenrechts einen Aufenthaltstitel als Sexarbeiterin hatten, wurden durch fehlende Übergangsbestimmungen illegalisiert. Amnestie gibt es nicht. Sie erleben seither verstärkt Ausbeutung und Abhängigkeit, weil sie Kontrollen, Abschiebung und andere Repressionen fürchten.

Mitarbeiterinnen von „Lefö“ haben im Vorjahr in Wien schwerpunktmäßig mehr als 50 Lokale wiederholt besucht. Außerdem wurde der Straßenstrich im zweiten Bezirk betreut, ebenso Straßen in anderen Gegenden regelmäßig. Und schließlich startete „Lefö“ im Mai 2007 eine mobile Beratung – im Zuge der Kampagne „SexarbeiterInnen haben Lust – auf ihre Rechte!“ Insgesamt wurden dabei mehr als 750 Frauen kontaktiert – unter ihnen 221 aus Nigeria, 190 aus Rumänien, 131 aus Ungarn.

Prostitution gilt in Österreich seit 1984 als einkommenssteuerpflichtige Dienstleistung. Nach der Rechtsprechung des OGH sind Verträge über sexuelle Dienstleistungen mit Körperkontakt jedoch sittenwidrig und deshalb nichtig. Konsequenz: Prostituierte können ihr Honorar nicht einklagen. Sexarbeiterinnen können in Österreich nur als Selbstständige arbeiten.

Hanka Mongard, Teilnehmerin an Kongress und Kundgebung in Wien, meint: „Wir fordern nichts Anderes als Menschenrechte. Konkret: Recht auf freie Berufswahl, Recht auf Privatleben, Recht auf Schutz vor Diskriminierung, Recht auf Gesundheitsvorsorge und Versicherung.“ Prostitution sei nach wie vor ein Tabuthema: „Du wirst überall registriert und das hat Konsequenzen“, ergänzt sie.

Am kommenden Samstag wird der internationale Frauentag gefeiert. Was bedeutet ein solcher Tag für eine Sexarbeiterin? Anita: „Als ich noch in Polen lebte, bekam jede Frau an diesem Tag eine rote Nelke. Der Tag wird in Österreich viel zu wenig gewürdigt.“ Und nach einer Pause: „Meine Tochter ist jetzt bei mir,“ berichtet Anita. „Aber auch wenn ich nicht mehr auf der Straße stehe: Die gesellschaftliche Stigmatisierung ist sehr verletzend.“ (EWA AGATA DZIEDZIC)


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