300 Tibeter im Exil in Österreich

09.04.2008 | 21:58 | Nasila Berangy

Eine kleine Gemeinschaft von Exil-Tibetern hat in Österreich ein neues Leben begonnen. Sie engagieren sich hier politisch für ihre alte Heimat und kümmern sich darum, dass ihre Kultur nicht in Vergessenheit gerät.

Wir sind in Österreich schon privilegiert“, sagt Tseten Zöchbauer. „Wir“, das sind die Tibeter, denen die Österreicher weitgehend mit Zuneigung begegnen. Das freut Zöchbauer, gebürtige Tibeterin und Besitzerin des einzigen tibetischen Restaurants am Währinger Gürtel in Wien. Gleichzeitig fühlt sie sich deswegen aber gegenüber anderen Migranten etwas „beschämt“.
Warum diese Zuneigung, die anderen Migrantengruppen häufig versagt bleibt? Nun, der Dalai Lama und Heinrich Harrer haben das positive Bild von Tibet maßgeblich geprägt. Das Buch „Sieben Jahre in Tibet“ oder der Kinofilm mit Brad Pitt haben ebenfalls zum positiven Image des gebirgigen Gebiets in Zentralasien beigetragen. Auch durch ihr Restaurant glaubt Zöchbauer, Menschen für Tibet interessieren zu können. „Viele Menschen haben keinen Zugang zu Tibet, möchten aber unsere Kultur kennen lernen.“
Als Zöchbauer 1988 nach Wien kam, lebten gerade einmal sechs Tibeter in Österreich. Heute sind es, inklusive Asylwerber, rund Dreihundert. Ihr Durchschnittsalter liegt unter 30, viele von ihnen sind mit Österreichern verheiratet. Zöchbauer führt dies unter anderem darauf zurück, dass die Mentalitäten ähnlich seien. Die Kinder sehen sich sowohl als Österreicher als auch als Tibeter.
In ihrer Funktion als Obfrau des Vereins Tibetische Gemeinschaft in Österreich erfasst Zöchbauer alle Tibeter, die nach Österreich kommen. Diese Daten schickt sie ins Büro des Dalai Lama in der Schweiz und stellt den Exil-Tibetern ein „Green Book“ aus. Damit sind sie wahlberechtigt und können Einfluss auf die Exilregierung in Indien nehmen. Je nach Einkommen und Wohlstand können Exil-Tibeter die Regierung auch finanziell unterstützen.
Touristen als Helfer bei Flucht
Zuletzt machten die Tibeter – nicht nur in Österreich – vor allem durch ihren Protest gegen die Tibet-Politik Chinas Schlagzeilen (s. Seite 5). Die tibetischen Einwohner der chinesischen Provinz fühlen sich benachteiligt. Unter anderem bleibe ihnen das Arbeiten in Führungspositionen verwehrt, erklärt Zöchbauer. Als Beispiel führt sie Bankfilialen an: In der Führungsriege arbeiten ausschließlich Chinesen, nur am Schalter sitzen Tibeter – ein Zugeständnis für Touristen, die Tibeter sehen möchten.
Die Touristen sind für die Tibeter auch eine große Unterstützung. So helfen sie etwa oft, wenn Einheimische Probleme haben. Oft bezahlen sie Schlepper, um Flüchtlinge außer Landes zu bringen oder unterstützen sie beim Studium im Ausland.
Tatsächlich sind Reisende oft das einzige Bindeglied zwischen Tibet und der westlichen Welt, denn nur wenige Tibeter haben die Gelegenheit, in ihre Heimat zurückzukehren, wenn sie sie einmal verlassen haben.
In Österreich sorgen sich Tibeter vor allem um die Erhaltung ihrer Kultur und Sprache. Zöchbauer: „In Fernsehsendungen sprechen Tibeter zwar tibetisch aber mit einem chinesischen Akzent.“ Um in Österreich den Kindern der zweiten Generation die Möglichkeit zu geben, die Sprache zu erlernen, organisiert die Tibetische Gemeinschaft Österreich Sprachkurse. Diese stehen aber auch Österreichern offen. Für Kinder gibt es zusätzlich einmal im Jahr ein tibetisches Lager in Bad Ischl. Dabei wird zehn Tage lang gänzlich auf die „moderne Welt“ verzichtet. Es gibt keinen Fernseher, kein Internet und kein Telefon. Die Kinder lernen dort auch, tibetisch zu kochen. Große Hoffnung setzen die Exil-Tibeter auf das Tibet Zentrum in Hüttenberg (s. unten). Zöchbauer sieht in Projekten wie diesen die einzige Chance, die tibetische Kultur zu behalten.
Wissbegierige Jugendliche
Bei jungen tibetischen Flüchtlingen sieht Zöchbauer vor allem das Problem, dass sie häufig Analphabeten sind. Und wenn sie doch lesen und schreiben können, fehlt ihnen oft eine Berufsausbildung. Auch dafür macht Zöchbauer China verantwortlich: Das chinesische Schulsystem in Tibet grenze sie aus. Dabei seien die Jugendlichen sehr wissbegierig. Besonders stolz ist die Tibetische Gemeinschaft etwa auf zwei Schüler, die in Österreich innerhalb von zwei Jahren nicht nur Deutsch gelernt, sondern auch ihren Hauptschulabschluss nachgeholt haben. Zöchbauer: „Das macht anderen Jugendlichen Mut.“
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 09.04.2008)

Wir sind in Österreich schon privilegiert“, sagt Tseten Zöchbauer. „Wir“, das sind die Tibeter, denen die Österreicher weitgehend mit Zuneigung begegnen. Das freut Zöchbauer, gebürtige Tibeterin und Besitzerin des einzigen tibetischen Restaurants am Währinger Gürtel in Wien. Gleichzeitig fühlt sie sich deswegen aber gegenüber anderen Migranten etwas „beschämt“.

Warum diese Zuneigung, die anderen Migrantengruppen häufig versagt bleibt? Nun, der Dalai Lama und Heinrich Harrer haben das positive Bild von Tibet maßgeblich geprägt. Das Buch „Sieben Jahre in Tibet“ oder der Kinofilm mit Brad Pitt haben ebenfalls zum positiven Image des gebirgigen Gebiets in Zentralasien beigetragen. Auch durch ihr Restaurant glaubt Zöchbauer, Menschen für Tibet interessieren zu können. „Viele Menschen haben keinen Zugang zu Tibet, möchten aber unsere Kultur kennen lernen.“
Als Zöchbauer 1988 nach Wien kam, lebten gerade einmal sechs Tibeter in Österreich. Heute sind es, inklusive Asylwerber, rund Dreihundert. Ihr Durchschnittsalter liegt unter 30, viele von ihnen sind mit Österreichern verheiratet. Zöchbauer führt dies unter anderem darauf zurück, dass die Mentalitäten ähnlich seien. Die Kinder sehen sich sowohl als Österreicher als auch als Tibeter.
In ihrer Funktion als Obfrau des Vereins Tibetische Gemeinschaft in Österreich erfasst Zöchbauer alle Tibeter, die nach Österreich kommen. Diese Daten schickt sie ins Büro des Dalai Lama in der Schweiz und stellt den Exil-Tibetern ein „Green Book“ aus. Damit sind sie wahlberechtigt und können Einfluss auf die Exilregierung in Indien nehmen. Je nach Einkommen und Wohlstand können Exil-Tibeter die Regierung auch finanziell unterstützen.

Touristen als Helfer bei Flucht
Zuletzt machten die Tibeter – nicht nur in Österreich – vor allem durch ihren Protest gegen die Tibet-Politik Chinas Schlagzeilen (s. Seite 5). Die tibetischen Einwohner der chinesischen Provinz fühlen sich benachteiligt. Unter anderem bleibe ihnen das Arbeiten in Führungspositionen verwehrt, erklärt Zöchbauer. Als Beispiel führt sie Bankfilialen an: In der Führungsriege arbeiten ausschließlich Chinesen, nur am Schalter sitzen Tibeter – ein Zugeständnis für Touristen, die Tibeter sehen möchten.
Die Touristen sind für die Tibeter auch eine große Unterstützung. So helfen sie etwa oft, wenn Einheimische Probleme haben. Oft bezahlen sie Schlepper, um Flüchtlinge außer Landes zu bringen oder unterstützen sie beim Studium im Ausland.
Tatsächlich sind Reisende oft das einzige Bindeglied zwischen Tibet und der westlichen Welt, denn nur wenige Tibeter haben die Gelegenheit, in ihre Heimat zurückzukehren, wenn sie sie einmal verlassen haben.
In Österreich sorgen sich Tibeter vor allem um die Erhaltung ihrer Kultur und Sprache. Zöchbauer: „In Fernsehsendungen sprechen Tibeter zwar tibetisch aber mit einem chinesischen Akzent.“ Um in Österreich den Kindern der zweiten Generation die Möglichkeit zu geben, die Sprache zu erlernen, organisiert die Tibetische Gemeinschaft Österreich Sprachkurse. Diese stehen aber auch Österreichern offen. Für Kinder gibt es zusätzlich einmal im Jahr ein tibetisches Lager in Bad Ischl. Dabei wird zehn Tage lang gänzlich auf die „moderne Welt“ verzichtet. Es gibt keinen Fernseher, kein Internet und kein Telefon. Die Kinder lernen dort auch, tibetisch zu kochen. Große Hoffnung setzen die Exil-Tibeter auf das Tibet Zentrum in Hüttenberg (s. unten). Zöchbauer sieht in Projekten wie diesen die einzige Chance, die tibetische Kultur zu behalten.

Wissbegierige Jugendliche
Bei jungen tibetischen Flüchtlingen sieht Zöchbauer vor allem das Problem, dass sie häufig Analphabeten sind. Und wenn sie doch lesen und schreiben können, fehlt ihnen oft eine Berufsausbildung. Auch dafür macht Zöchbauer China verantwortlich: Das chinesische Schulsystem in Tibet grenze sie aus. Dabei seien die Jugendlichen sehr wissbegierig. Besonders stolz ist die Tibetische Gemeinschaft etwa auf zwei Schüler, die in Österreich innerhalb von zwei Jahren nicht nur Deutsch gelernt, sondern auch ihren Hauptschulabschluss nachgeholt haben. Zöchbauer: „Das macht anderen Jugendlichen Mut.“
(NASILA BERANGY, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 09.04.2008)


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