Abschied und Neubeginn des jüdischen Sanatoriums

default

09.12.2009 | 15:57 | Ida Labudovic

Das Maimonides-Zentrum in Döbling beherbergt fast 150 Senioren. Doch dieser Tage siedeln die Bewohner um in ein neues Quartier.

Wann kommen Sie wieder?“ – Dieser Satz begleitet einen noch lange nach dem Besuch im Sanatorium des Maimonides-Zentrums (MZ). Die Worte kommen von Elisabeth Remenyi, der ältesten Mitbewohnerin des Eltern- und Pflegewohnheims in Wien Döbling. Geboren 1909 in Budapest, aus einer jüdischen Familie stammend, ist sie mit ihrem Mann in den 50er-Jahren nach Österreich geflohen. Seit einem Jahr kümmert sich das Personal des MZ um Frau Remenyi, die hier ihren hundertsten Geburtstag gefeiert hat.

Die Geschichte des Maimonides-Zentrums beginnt erst 1970, in der Bauernfeldgasse 4, an einem Platz, an dem einmal eine jüdische Schule stand. Im ersten Stock dieses Gebäudes war nach dem Krieg die Israelitische Kultusgemeinde untergebracht. Dann wurden der erste und der zweite Stock zur Bettenstation ausgebaut. Heute hat das MZ außer dem Hauptgebäude noch drei weitere Stationen mit insgesamt 145 Patienten.

Was alle diese Menschen gemeinsam haben, ist, dass sie allein nicht mehr zu Hause leben können oder möchten. „Ziel des MZ ist, die Mitglieder der IKG im Sinne eines jüdischen Heims zu pflegen und zu betreuen“, erklärt der Ärztliche Leiter Heinrich Schmidt. Das MZ bietet seinen Einwohnern koscheres Essen, Einhaltung des Schabbats, Erreichbarkeit einer Synagoge zu Fuß, aber auch das Bekanntmachen der Geschichte jedes einzelnen Patienten. „Wir kümmern uns nicht nur um die Notwendigkeit, dass diese Leute gewaschen, gepflegt und gefüttert werden, sondern vor allem um die Seele dieser Menschen“, sagt Schmidt, denn „die verdrängten Erlebnisse stehen gerade im Alter wieder stark im Vordergrund“.

Zurück zur Muttersprache

Jiddisch, Iwrith, Russisch, Polnisch, Ungarisch, Tschechisch und Slowakisch sind die Sprachen, die hier mit Patienten gesprochen werden. Die Muttersprache vergessen die alten Leute nicht, aber Deutsch, das die meisten später nach der Flucht oder Emigration gelernt haben, bleibt im Alter manchmal nicht in Erinnerung. Alle Ärzte, die täglich mit den Pflegebedürftigen in Kontakt sind, haben ein Geriatriediplom und Erfahrung in der Betreuung älterer Menschen. Die komplette Anzahl des Personals im Pflegeheim liegt bei etwa 100 Mitarbeitern. Zwei Drittel der Bewohner des MZ sind jüdischer Herkunft, beim Personal ist es umgekehrt.

Doch das derzeitige MZ in Döbling hat ein Ablaufdatum. In den nächsten Tagen werden die Bewohner in ein neues Quartier umgesiedelt. Am IKG-Campus, nahe der Hakoah Sport- und Freizeitanlage in der Leopoldstadt, ist das neue Haus zu finden. Bei der Planung des neuen Zentrums bemühte man sich vor allem, ihm nicht den Charakter eines Spitals zu geben: „Mit Privatmöbeln, Bildern und Musik möchten wir ermöglichen, dass die Leute sich hier zu Hause fühlen“, spricht Schmidt über das neue Konzept und fügt hinzu: „Diese Menschen suchen einen geschützten Platz, an dem sie sich mit anderen verständigen können.“

Ein letztes Mal wird nun Chanukka, das jüdische Lichterfest, im alten Haus gefeiert. Acht Tage lang wird jeden Tag eine Kerze angezündet in Erinnerung an ein historisches Wunder und die Wiedereinweihung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem.

Vier Generationen zusammen

Gleichzeitig werden aber auch zum ersten Mal Kerzen im neuen Maimonides-Zentrum angezündet. „Durch die Entstehung des IKG-Campus mit dem Sportclub Hakoah und der ZPC-Schule, hat sich etwas erfüllt, was in der EU schon länger erwünscht ist, nämlich Junge und Alte zusammenzuführen“, meint Schmidt, „und hier haben wir vier Generationen nebeneinander an einem Platz“.

www.maimonides.at

(IDA LABUDOVIC , „Die Presse“, Print-Ausgabe, 09.12.2009)


Kommentieren Sie den Artikel





Weitere Artikel von Ida Labudovic