Diplomaten, die anderen Ausländer

17.06.2009 | 16:04 | Ana Tajder

Die Gruppe der „unsichtbaren Zuwanderer“ in Wien ist größer als in so manch anderer europäischen Stadt. Aber: Wer sind sie eigentlich, diese „anderen Ausländer“?

WIEN. Ausländer in Wien? Türken, Serben, Kroaten, Bosnier… Angehörige dieser Länder werden wohl in breiten Gruppen als Erste genannt, die mit dem Begriff „Ausländer“ assoziiert werden. Aber es gibt noch eine Gruppe, die kaum zu sehen ist, die von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wird, über die „man“ nie redet: die Diplomaten und Angehörigen internationaler Organisationen.

Niemand fragt sich, wer sie sind, ob sie integriert sind, und was sie für diese Stadt bedeuten. Klein ist diese Community nicht, denn ihr gehören nach moderater Schätzung mindestens 20.000 Leute an. Und sie haben einen sehr starken wirtschaftlichen und kulturellen Einfluss auf diese Stadt. Wer also sind sie, Wiens „andere Ausländer“?

Bereits kurz nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit ist Österreich zum internationalen Treffpunkt geworden – offiziell hat sich dies erstmals 1957 niedergeschlagen, als sich in Wien die Atomenergie-Organisation IAEO etabliert hat. 1965 hat sich dann die OPEC (Organization of Petroleum Exporting Countries) in Wien angesiedelt, 1967 die Unido (United Nations Industrial Development Organization). Wien wurde schließlich offiziell zum dritten UN-Standort und beheimatet heute 25 internationale Organisationen.

11.000 Arbeitsplätze

Allein in der UN-City in Kagran arbeiten 5000 Menschen. Die Stadt Wien schätzt, dass es bei internationalen Organisationen etwa 11.000 Arbeitsplätze gibt. Sie alle leben mit ihren Familien hier.

Ob Angehörige internationaler Organisationen und/oder Diplomaten: Diese Menschen sind gebildet, sprechen mehrere Sprachen, sind Experten in ihrem Bereich und wurden durch ein sehr striktes Verfahren für ihre Positionen ausgesucht. Diplomaten sind nur „auf Besuch“ in Wien, da sie meist alle paar Jahre das Land wechseln. Die anderen, die Mitarbeiter bei den internationalen Organisationen, bleiben meist bis zu ihrer Pensionierung in Wien. Die Jobs sind hervorragend bezahlt, bieten Sicherheit und Extras – unter anderem die Befreiung von Steuern.

Die erste Generation dieser „anderen Ausländer“ ist in den Siebzigern nach Wien gekommen, mittlerweile ist schon die dritte Generation dieser „anderen Ausländer“ auf der Welt – und das ist in vielen Fällen die erste, die fließend Deutsch spricht. Charakteristisch ist auch, dass diese Community in hohem Maße unter sich bleibt.

Offizielle Sprache in den internationalen Organisationen ist nach wie vor Englisch. Gearbeitet wird auf Englisch, im Freundes- und Bekanntenkreis ist meistens Englisch die dominierende Sprache. Kinder besuchen englischsprachige Kindergärten und Schulen – wie die „Vienna International School“, die seit 1959 existiert. 1400 Schüler werden hier unterrichtet, die überwiegend Kinder von UN-Mitarbeitern sind. Gleichzeitig wurde die „American International School“ gegründet – mit Platz für 730 Studenten. Zudem gibt es noch die „Danube International School“, die „Vienna Christian School“, und schließlich das „Lycée Français“.

Kein Deutsch? Kein Problem!

Wer bis zum Studium noch kein Deutsch gelernt hat, auch kein Problem: Auf die Uni geht man meist in einem anderen Land, oder man inskribiert an einer englischsprachigen Uni in Wien (vor allem: Webster University, Christian University). Vor allem aber: Die Einstellung, in einem neuen Lebensabschnitt in ein anderes Land zu ziehen, haben diese Jugendlichen von Beginn an mitbekommen.

Zum Beispiel Ravin. Seine Mutter ist Kroatin, sein Vater Inder, beide arbeiten bei der UNO. Geboren ist Ravin im damaligem Jugoslawien, aufgewachsen in Wien, studiert hat er in den USA, und jetzt arbeitet er in England. Zu Hause, in Wien, wird Kroatisch, Englisch und Hindu gesprochen. Deutsch dagegen kaum bis wenig.

Mehr ist auch nicht nötig. Denn: Wenige Wiener wissen, dass es praktisch ein umfassendes Angebot in Englisch gibt – Kinos, English Theatre und International Theatre, Buchhandlungen, Videothek, Gastronomie. Und: Große Banken in Wien bieten spezielle Betreuungen für Diplomaten und Mitarbeiter internationaler Organisationen an. Das „Vienna Service Office“ bietet als Außenstelle der Stadt Wien kostenloses Service für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der UN-Organisationen und deren Familienmitglieder. (ANA TAJDER)

„Die Presse“, Print-Ausgabe, 17.06.2009


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