Ein Pate für transsexuelle MigrantInnen

- Teil 3 der 16-teiligen Porträtserie „Meine Hände gegen Gewalt".
- In Kooperation mit White Ribbon Österreich, dem Verein von Männern zur Prävention von männlicher Gewalt, hat M-MEDIA am 25.11.2012 (Beginn der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen) eine Porträtserie gestartet, in der wöchentlich Porträts von Männern mit Migrationshintergrund, die moderne Männlichkeiten leben und Porträts von migrantischen Vereinen, die Beiträge und Zugängen zu Gleichberechtigung und Gewaltprävention leisten,veröffentlicht werden.
- Die Kooperation wird vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gefördert.
12.12.2012 | 16:18 | Ilona Antal
Gorji Marzban hat mit dem Verein ORQOA eine Anlaufstelle für von Gewalt bedrohte, transsexuelle Menschen aufgebaut. Teil 3 der 16-teiligen Porträtserie “Meine Hände gegen Gewalt”.
„Ich bin ein intersexueller Mensch und muss es nicht beweisen. Der Mensch ist in erster Linie Geist und nicht Geschlecht. Diesen Geist kann man individuell in jedes Gefäß geben. Er bleibt sowieso erhalten“, sagt Gorji Marzban. Der Professor für Biotechnologie an der Bodenkultur wuchs in einer Künstlerfamilie in Teheran auf. „Es war immer normal in der Familie anders zu sein“, erzählt Marzban und lächelt. Der 50-Jährige sieht sich als „zugereister Wiener“, der eigentlich nach New York wollte. Doch Wien hat er sofort in sein Herz geschlossen. Er kam als 25-Jähriger nach Wien um zu studieren, jetzt hat er in der Stadt und in Österreich seinen Lebensmittelpunkt gefunden. Damals, also kurz vor dem Ende des Krieges, waren die Grenzen zwischen dem Iran und Irak offen und es gab eine Möglichkeit das Land zu verlassen. „Ich war somit weder ein Flüchtling, noch war ich auf der Flucht. Mein Ziel war es, meine Träume zu verwirklichen“, erklärt er.
Und dass er ein Träumer ist, sagt Marzban auch selbst. Er flüchtet gern in eine Traumwelt, um sich dann „der Realität besser annähern zu können.“ Als einer seiner verwirklichten Träume kann man die Organisation ORQOA (Oriental Queer Organisation) bezeichnen, die er gemeinsam mit einem Team gegründet hat. Sinn und Zweck der Organisation ist es sich für die Anerkennung von MigrantInnen aus der LGBT (Lesbian Gay Bisexual Transgender) Community und gegen Gewalt an Frauen einzusetzen.
Transsexuelle von Gewalt bedroht
Es komme häufig vor, dass transsexuelle Menschen oft Opfer von Gewalt werden. In einer überwiegend patriarchalischen Gesellschaft – etwa im Iran – sei es für die meisten Menschen sehr schwer verständlich, dass eine Frau ihrer Sexualität wegen ihren Mann verlässt. Es gäbe viele Fälle von Ehrenmorden und auch hätten Frauen die höchste Selbstmordrate, weil sie sich nicht mit einem Mann in eine Ehe begeben möchten, sagt Marzban. Diese Frauen würden wegen ihrer Bekennung zur Trans-, Bi- oder Homosexualität misshandelt, vergewaltigt oder vertrieben. Das ist ein Thema das Marzban sichtlich sehr nahe geht. So sehr, dass er mit den Tränen kämpfen muss.
ORQOA soll den Menschen, die wegen ihrer Sexualität aus ihrer Heimat vertrieben werden, durch eine Patenschaft Hilfe leisten. „Damit kann zumindest für ein Existenzminimum dieser Menschen gesorgt werden.“ Derzeit unterstützt ORQOA die Patenschaft von sechs Menschen, die wegen ihrer Sexualität auf der Flucht sind. Man müsse die Betroffen unterstützen, betont Marzban. Schließlich seien sie sehr gefährdet. Auch für die persische Literatur setzt sich Marzban ein. Schließlich wollte er selbst einmal Dichter werden.
Gegen Zensur
Vor rund fünf Jahren gründete er die einzige Sammlung persischer Literatur namens „Dem Wort die Freiheit“, eine Sammlung von Belletristik, Prosa, Lyrik und Literaturwissenschaften aus dem 20. und 21. Jahrhundert. In Bezug auf Integration sei dies auch ein gelungenes Projekt, sagt Marzban. Die Sammlung hat mit 584 Büchern die neuntgrößte Ausleiherate und soll nicht nur die rund 8700 IranerInnen Wiens, sondern alle InteressentInnen in die Wiener Hauptbibliothek locken.
Wichtig ist dieses Projekt für die persische Community vor allem wegen der Zensur im Iran, die absolut untersagt, in der iranischen Literatur die Sexualität anzusprechen, erklärt Marzbar. Intimität und Sexualität würden aus der Literatur ausgeschlossen, einfach nicht erwähnt. „Die Literatur im Iran ist sexualitätsfrei«, weswegen ihm nun diese Sammlung so wichtig sei. Dort gäbe es eben die uneingeschränkte Freiheit zu lesen und keine Zensur, sagt der Austro-Iraner.
»Dem Wort die Freiheit« ist auch ein Film, dem sein Sohn Ario Marzban dieser Sammlung widmete. Darin wird gezeigt, dass Zensur in der Literatur Schaden anrichtet. Marzban: »Durch die Zensur ist die Literatur beschränkt. Und auch die Schaffenden werden verfolgt.«