Feiern mit Obdachlosen

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24.12.2008 | 13:32 | Günes Koc

Singen und Heimweh in der Notschlafstelle.

Wir sind Nachtaufenthaltsstelle“ sagt Sozialarbeiterin Antonia Schubert, Gründerin der Notschlafstelle „Kuckucksnest“. „Wir machen das Heim um 18 Uhr auf, und die Leute können bis 22 Uhr kommen. Allerdings müssen wir sie um 7 Uhr in der Früh wieder hinausschicken.“

„Viele Sozialarbeiter oder Freiwillige helfen. Die Leute wollen während der Feiertage etwas für Hilfsbedürftige tun“, sagt Schubert. „Letztes Jahr haben wir gemeinsam gesungen und gegessen, wir hatten auch einen Weihnachtsbaum geschmückt“, sagt Sozialarbeiter Erhard Pichler. Zu Weihnachten werde es immer sentimental, es kommen Erinnerungen „an das Zuhause, das sie irgendwann hatten“, zurück, erzählt Schubert. Auch heuer will man wieder den Weihnachtsbaum schmücken und gemeinsam singen.

„Es sind insgesamt 33 Leute bei uns, viele davon sind ausländischer Abstammung, Leute aus Polen, Portugal, Griechenland, Serbien, Bosnien, Marokko, dem Irak. Nur einige fahren zu ihren Verwandten, viele bleiben zu Weihnachten hier“, sagt die Sozialarbeiterin. Insbesondere ausländische Heimbewohner verbrächten Weihnachten hier, weil sie in der Regel keine Verwandten in Österreich haben. „Auch die Moslems feiern mit“, meint Pichler, „die Stimmung ist immer sehr gemeinschaftlich.“

„Nichts anderes vor“

Gregor Saand (50), der seit acht Jahren in Österreich lebt und seit mehr als zwei Wochen im Heim wohnt, wird sentimental und fängt zu weinen an, wenn man ihn danach fragt, was er zu Weihnachten machen möchte. „Am Liebsten würde ich nach Polen zu meiner Schwester fahren“, sagt er. Andrew Bujko (60), ebenfalls aus Polen, übernachtet schon seit über einem Jahr im Kuckucksnest. Er wird Weihnachten im Heim mit den anderen verbringen und lacht ein wenig zynisch, wenn er sagt, dass er „nichts anderes“ vorhabe.

(Günes Koc, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 24.12.2008)


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