Fremdenfeindliche Jugend? Experten orten Schuld bei Medien

04.01.2012 | 17:00 | Clara Akinyosoye

Eine Jugendstudie ergab, dass Wiener Jugendliche besonders türkische Migranten ablehnen. Sozialarbeiter, Soziologen und Vertreter türkischer Organisationen machen Medien und Politik für die schlechte Stimmung verantwortlich.

Wien. 247.500 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund leben in Österreich. Zu viele – wenn es nach einem beachtlichen Teil der Wiener Jugend geht. Zumindest lässt die „Jugend und Zeitgeist“-Studie des Instituts für Jugendkulturforschung diesen Schluss zu. 43,6 Prozent der 400 Befragten zwischen 16 und 19 Jahren stimmten bei einer Online-Umfrage der Aussage „In diesem Land leben schon zu viele Türken“ zu.

Während einige Politiker und Journalisten die Ergebnisse der Studie als Reaktion auf gewaltbereite türkische Jugendliche interpretieren, melden einige Experten Zweifel an der Methodik und Aussagekraft der Untersuchung an. Auch Paul Scheibelhofer, Soziologe an der Universität Wien, meint, es sei zwar grundsätzlich zu begrüßen, wenn es vermehrt Forschung zu Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus gäbe, aber Rassismus sei ein „komplexes, gesellschaftliches Phänomen und bedarf differenzierter Analysen“. Daher sei es fraglich, „wie aussagekräftig Erkenntnisse sind, die mittels einer Frage im Rahmen einer Online-Studie erhoben wurde“.

„Es wäre jedenfalls problematisch, solche Studien dazu zu nutzen, um Rassismus in einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe zu lokalisieren und dabei zu übersehen, dass es gesellschaftlich verbreitete Diskurse, Institutionen und Strukturen sind, die Rassismus verbreiten und reproduzieren.“ Der Ruf nach pädagogischen Lösungen, die „die Jugend weniger rassistisch machen sollen“ führe nicht weit genug, meint Scheibelhofer. Vielmehr müsse man sich fragen, wie diese Jugendlichen aufgewachsen sind und wer ihnen negative Bilder über „die Ausländer“ oder „die Türken“ vermittelt.

„Türkenfeindliche Stimmung“

Tatsächlich zeigen Studien immer wieder, dass viele Österreicher eine negative Einstellung zu Migranten haben. Gerade was türkische Migranten angeht, zeichnen Studien und Meinungsumfragen seit Jahren ein düsteres Bild. Für Ercan Karaduman, Sprecher der UETD (Union Europäisch Türkischer Demokraten) sind die Ergebnisse der „Jugendstudie“ eine Konsequenz der türkenfeindlichen Stimmung in Österreich. Es gelte nun, „eine Jugend in Schutz zu nehmen, die von Kindesbeinen an den ,bösen Türken‘ als Feindbild einer ansonsten angeblich zivilisierten und friedvollen ,österreichischen‘ Welt hingestellt bekommen hat“, schreibt er in einer Aussendung. Es läge in der Verantwortung der Politik und Medien, sich Gedanken zu machen, wie sie selbst mit Türken umgehen.
Ercan Yalcinkaya, Jugendarbeiter bei „Back on Stage“, weist auch den Medien eine zentrale Rolle zu. Die Informationen einiger österreichischer Zeitungen würden „diskriminierende Tendenzen verstärken“. Jugendliche hätten, wie alle anderen auch, Vorurteile gegenüber anderen Subkulturen, aber nicht zuletzt durch Begegnungen und etwa durch Gespräche mit Jugendarbeitern würden diese abgebaut. Die in der Studie gewählte Fragestellung, ob es in Österreich zu viele Türken gebe, sei bedenklich. Und den Befund, dass Wiens Jugend besonders fremdenfeindlich sei, würde Yalcinkaya keinesfalls unterschreiben.

Dass einige Medien nach der Präsentation der Studie mit genau dieser Türkenfeindlichkeit titelten, wundert Yalcinkaya aber nicht. Die Jugend sei für Medien dann besonders interessant, wenn es Skandalöses zu berichten gebe. Wenn Jugendliche gemeinsam mit Jugendarbeitern etwa Konzerte organisieren und selbst auf der Bühne stehen, habe das noch nie einen Journalisten angelockt.


Kommentieren Sie den Artikel





Weitere Artikel von Clara Akinyosoye