Gesundheit: Kollaps ohne Migranten

AUF EINEN BLICK
  • Importierte“ Pfleger: Seit den 1960er-Jahren kommt ausländisches Pflegepersonal nach Österreich. Wichtigste Herkunftsländer: Polen, Deutschland, Indien und die Philippinen.
  • 24-Stunden-Pflege: Der Bedarf an Pflegepersonal wird vor allem im Bereich der Heimpflege auch mit illegalen ausländischen Arbeitskräften gedeckt – laut Schätzungen rund 40.000 –, die in der Regel für Niedriglöhne und ohne soziale Absicherung für eine Vielzahl Pflegebedürftiger arbeiten. Im Rahmen des Gesetzes zur 24-Stunden-Betreuung wurden seit Jänner rund 7500 solcher Pfleger offiziell angemeldet.

10.12.2008 | 11:46 | Clara Akinyosoye

Das österreichische Gesundheitssystem baut stark auf internationale Arbeitskräfte. Die Zuwanderer haben mit schlechten Arbeitsbedingungen und Vorurteilen der Patienten zu kämpfen.

Mindestens zwei Dinge haben Krankenhäuser, Pflege- und Seniorenheime gemeinsam: zum einen hilfsbedürftige Patienten, zum anderen aufopferndes Pflegepersonal, das sich ihrer annimmt. Oftmals handelt es sich bei Zweiterem um Menschen mit Migrationshintergrund.

Sie stammen aus den verschiedensten Ländern. Von Polen bis zum Kongo. Laut dem Institut für Sozialpolitik der WU Wien haben rund 20 Prozent des österreichischen Pflegepersonals ihre Ausbildung außerhalb Österreichs gemacht. Über zwei Drittel der mobilen Pflegehilfen der Caritas weisen Migrationshintergrund auf. Von der Heimhilfe bis zum diplomierten Krankenpersonal – das österreichische Gesundheitssystem steht und fällt mit Migranten.

Migranten wie Chebby Fakhreddine. Der 46-jährige Krankenpfleger an der Urologischen Abteilung im Wiener SMZ-Ost kam vor 16Jahren aus Tunesien nach Österreich. Um den Mangel an Pflegekräften im Land auszugleichen, wird seit Jahrzehnten ausländisches Personal angeworben.

In Österreich angekommen, musste Fakhreddine erst einmal sein Diplom nostrifizieren lassen. Einiges musste er nachlernen, etwa aus dem Bereich der Heimpflege. So etwas, erzählt der Pfleger, gebe es in Tunesien gar nicht, denn die Ältesten der Familie würden dort nicht in Heime gebracht, sondern zu Hause versorgt.

Überhaupt gab es mehrere Dinge, an die sich der gebürtige Tunesier im Umgang mit Patienten gewöhnen musste. Etwa den Wiener Dialekt, oder die Aufgabe, Patienten zu waschen – das hätten in Tunesien die Angehörigen erledigt.

Viele Pflegekräfte, die nach Österreich geholt werden, haben damit zu kämpfen, dass ihre Zuständigkeitsbereiche hierzulande kleiner sind als in ihrer Heimat. Auch müssen sie sich an den Umstand gewöhnen, dass Pflegekräfte in Österreich nicht so hohes Ansehen genießen wie etwa auf den Philippinen, wo viele herkommen.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass diplomierte Krankenschwestern und Pfleger im angloamerikanischen Raum im Gegensatz zu den deutschsprachigen Ländern Akademiker sind, meint auch Eulamie Esclamada, Migrationsbeauftragte des Roten Kreuzes.

Für besonders wichtig hält Esclamada, dass die Arbeitsmigration für Herkunfts- und Zielländer Vorteile bringt. Momentan, erklärt sie, sähe es so aus, dass Zielländer wie Österreich viel Pflegepersonal „importieren“, weil die Nachfrage ohne Migranten nicht gedeckt werden kann. Drastische Folge für die Herkunftsländer: Der eigenen Bevölkerung fehlt hoch qualifiziertes, Personal.

Und in Österreich würden sich die angeworbenen Pflegekräfte „jahrelang in einem Arbeitsverhältnis wie Saisonarbeiter“ befinden, kritisiert Esclamada. Sie fordert international geltende ethische Richtlinien, die die Rechte der Pflegekräfte ohne österreichischen Pass schützen.

Patienten lehnen Pfleger ab

Eine weitere Herausforderung, der sich Pflegepersonal mit Migrationshintergrund in Österreich oftmals stellen muss, ist die Konfrontation mit Vorurteilen. Es kommt vor, dass Patienten Berührungsängste verspüren oder dem migrantischen Pflegepersonal schlichtweg die Kompetenz absprechen, sie gebührend versorgen zu können. Davon kann auch Fakhreddine ein Lied singen. Schätzungsweise ein Drittel der Patienten halte Abstand, berichtet er. Der Krankenpfleger meint, es läge daran, dass oft der Glaube herrsche, das „ausländische“ Pflegepersonal sei nicht fähig genug.

Manche Patienten lehnen es konsequent ab, von Migranten versorgt zu werden – vor allem, wenn sie offensichtlich als Zuwanderer zu erkennen sind. Es gäbe Leute, die Pflegehilfen mit anderer Hautfarbe nicht akzeptieren würden, „weil sie falsche Informationen über Afrika bekommen haben“, meint Gina Mabau, Caritas- Heimhilfe aus dem Kongo.

Sie selbst, seit sieben Jahren in Wien, habe schon offene Ablehnung erlebt und darauf „wirklich enttäuscht“ reagiert. Doch mittlerweile weiß sie auch von positiven Erfahrungen zu berichten. Es gäbe Patienten, erzählt sie, die nur von ihr versorgt werden wollen. Das läge daran, dass sie den Bedürftigen mit Wärme und Achtung begegnet – nicht zuletzt älteren Menschen. Denn so hat sie es im Kongo gelernt: den Ältesten gebührt Respekt. Schließlich kann man von ihnen noch viel lernen.

(CLARA AKINYOSOYE, Die Presse“, Print-Ausgabe, 10.12.2008)


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