Hausangestellte in der EU werden gebraucht und ausgebeutet

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  • * Namen von der Redaktion anonymisiert

09.12.2014 | 15:00 | Milagros Martinez-Flener und Pilar Lopez Diez

Wir vertrauen ihnen unser Zuhause und die Menschen an, die wir lieben. Trotzdem werden viele Hausangestellte in Europa schlecht behandelt. 

Wien/Madrid. Barbara Z.* war 19 Jahre alt als sie aus Polen kam, um bei einer Wiener Familie als Kindermädchen zu arbeiten. Sie blieb zwei Jahren bei ihr und obwohl zuvor vereinbart worden war, dass sie ihr Essen zur Verfügung stellen, musste sie selbst für ihre Verpflegung aufkommen. „Ich bekam nur einmal am Tag zu essen und konnte mir nicht nehmen, was ich wollte“, erinnert sich Barbara. Marcos hatte mehr Glück. Er wurde wie ein Familienmitglied behandelt. Als der 42 jähriger Bolivianer nach Madrid kam, arbeitete er auf dem Bau. Er hob Gräben aus bis er Rückenschmerzen bekam. „Meine Frau besorgte mir deswegen einen Job als Pfleger und so kümmerte ich mich um ein altes Ehepaar bis zu ihrem Tod“.

Laut der Internationalen Arbeitsorganisation gab es 2010 mehr als 52,6 Millionen Menschen weltweit, die als Hausangestellte arbeiteten. Dazu kommen noch mehr als sieben Millionen Kinder unter 15 Jahren. Genaue Zahlen für Europa gibt es nicht, weil sie  in einigen Ländern, wie z.B. Österreich, undokumentiert arbeiten.

Umfragen zufolge arbeiten in Spanien ca. 650.000 Menschen als Haushaltsangestellte; 64 Prozent von ihnen waren in Dezember 2013 bei der Sozialversicherung angemeldet. In Österreich sieht die Situation ganz anders aus. Laut Statistik Austria waren im ersten Quartal 2013 nur 8.300 Personen offiziell angemeldet. Die Zahlen dürften aber weit höher liegen. „Niemand weiß genau wie viele Menschen in Österreich illegal arbeiten“, sagt Johannes Peyrl, Referent in der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration der Arbeiterkammer Wien.

Die Haushaltsangestellten sind, sowohl in Spanien als auch in Österreich, meistens eingewanderte Frauen. In Spanien sind es vorwiegend Lateinamerikanerinnen, während in Österreich die meisten Frauen aus Osteuropa kommen. Die größte Gruppe machen hier die Polinnen aus. 2011 wurde in Spanien ein Gesetz verabschiedet, das die Arbeit als Haushaltsangestellte reglementiert; ein Jahr später brachte dieses 120.000 neue Anmeldungen bei der Sozialversicherung ein. Eine Novellierung im Jahr 2013 bedeutete jedoch eine Verschlechterung für Haushaltsangestellte, die stundenweise arbeiten: sie müssen sowohl ihren Sozialversicherungsbeitrag, als auch jenen des Arbeitsgebers zahlen.

In Österreich wurde 1962 das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz verabschiedet. Obwohl dort festgeschrieben wurde, dass die Hausangestellte einen Vertrag haben müssen, verfügen 95 Prozent von ihnen über keinen. „Ich kenne niemanden, der einen Vertrag mit ihrer Putzfrau hat“, sagt Maria W.*, die selbst seit einigen Jahren eine Polin ohne Vertrag beschäftigt. Die Lage von Menschen, die ohne Papiere arbeiten ist sehr prekär und grenzt mitunter an Ausbeutung. „Es ist eine Schande, dass es in Österreich Menschen gibt, die einen Lohn von nur zwei Euro pro Stunden bekommen“, betont Peyrl.

Der Beitrag, der an die Sozialversicherung zu zahlen ist, unterscheidet sich in Österreich (20,65 Prozent) und Spanien (20,95 Prozent) kaum, trotzdem zahlen ihn nur wenige österreichische Arbeitgeber. Einige Arbeitsnehmerinnen bevorzugen es auch unangemeldet zu arbeiten, selbst wenn das für sie den Verlust von Beitragszahlungen für ihre künftige Pension, bzw. der Arbeitslosigkeit bedeutet. „Ich wollte sie anmelden, aber sie lehnte es ab“, erzählt die Wienerin Stephanie M. Ein Grund dafür ist, dass die Arbeitnehmerinnen in Österreich eine der höchsten Sozialversicherungsabgaben und Einkommensteuer Europas zahlen müssen: 17,20 Prozent im Vergleich zu den 3,95 Prozent in Spanien.

Das mangelnde Interesse an einer Sozialversicherung in Österreich liegt auch daran, dass viele Haushaltsangestellten durch diese Arbeit ihr Einkommen im eigenen Land verbessern, ihre Familie unterstützen, oder genug Geld sparen wollen, um ein Haus zu bauen. Das ist nicht ungewöhnlich, „Alles was mein Mann und ich verdient haben, haben wir in das Haus investiert“, erzählt Barbara Z. Und so wie sie, haben es viele ihrer Bekannten gemacht. Auch nicht ungewöhnlich ist, dass sich Familienmitglieder bei der Arbeit abwechseln. Die Putzfrau von Maria M.* z.B. tauscht alle zwei Monate mit einer Nichte. „Sie kommt für zwei Monate, dann fährt sie heim und ihre Nichte kommt „, erzählt Maria. In Spanien ist die Distanz zur Heimat viel größer, daher brauchen die Haushaltsangestellten die spanische Sozialversicherung.

Die Anzahl der Männer, die als Haushaltsangestellte arbeiten ist nach wie vor gering, aber im wachsen. Im Spanien sind es etwa 7 Prozent, für Österreich gibt es keine Zahlen. Wirtschaftliche und Sprachprobleme sind oft ein Grund, warum sich Männer in „Frauenarbeit“ versuchen. Und das obwohl Haushaltsarbeit für viele Männer noch immer verpönt ist, ein Job, der nur für Frauen bestimmt sei. Samuel R. aus El Salvador musste in Madrid kochen und bügeln lernen und seit drei Jahren arbeitet er als Haushaltsangestellte. „Der Job hat mir geholfen diese Stereotypen zu beseitigen. Diese Ideen sind veraltet.“

Maciej aus Polen, der in Wien wohnt und noch nicht fließend Deutsch spricht, arbeitete zuerst auf dem Bau, fand dann aber keinen Job mehr. Nachdem seine Frau schwanger wurde, übernahm er ihren Gewerbeschein für Hausbetreuung. Irgendwer musste die Familie weiter ernähren. „Ich habe kein Problem mit dieser Arbeit. Im Gegenteil. Nachdem ich fertig bin, kann ich die Tür zumachen. Ich nehme keine Probleme mit nach Hause und habe sogar Zeit für meine Familie und Hobbies“, sagt der stolze Vater.

 


ein Kommentar

  • Maria56

    Finde es gut, dass dieses Problem mal angesprochen wird. Ich versuche meine Angestellten, allem voran meine Putzfrau, gut zu behandeln und auch entsprechend zu entlohnen. Kenne viele Putzfrauen die sehr schlecht bezahlt werden. Geschrieben um 20. November 2015 um 14:00 Uhr Antworten

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