Häusliche Gewalt: Zuwanderinnen doppelt belastet

AUF EINEN BLICK
  • 54 Prozent der Frauen, die Schutz vor häuslicher Gewalt in einem Frauenhaus suchen, sind Migrantinnen. Sie leiden oft auch darunter, dass sie keinen Zugang zu ihren im Ausland lebenden Eltern und zum heimischen Arbeitsmarkt haben.
  • Verein Autonome österreichische Frauenhäuser

26.03.2008 | 18:20 | Magda Mariam El-Sehity

Mehr als die Hälfte der Schutz suchenden Frauen in Frauenhäusern sind nicht österreichische Staatsbürger.

WIEN. „Österreicherinnen sind genauso von Gewalt betroffen wie Migrantinnen“, sagt Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Frauenhäuser (AÖF). Allerdings sei es für Migrantinnen viel schwieriger als für Österreicherinnen, auf die entsprechenden Ressourcen zurückzugreifen.

Aus dem AÖF-Bericht für das Jahr 2007 geht hervor, dass vor allem Migrantinnen unter häuslicher Gewalt leiden. Insgesamt haben im Vorjahr 1641 Frauen und 1549 Kinder in einem der 26 Frauenhäuser österreichweit Schutz gesucht. 54 Prozent davon hatten nicht die österreichische Staatsbürgerschaft.

Kein Ansprechpartner im Land

Warum leiden Migrantinnen stärker unter dieser Situation? Viele von ihnen haben keine Familie im Land. Eine Österreicherin die in einer Gewaltbeziehung lebt, kann sich eventuell an ihre Eltern wenden, wenn sie vom Ehemann bedroht wird. Dieser Ausweg ist vielen Migrantinnen, die von ihrem Mann belästigt werden, nicht möglich, da die Eltern meist im Ausland leben.

Eine zusätzliche Erschwernis ist der beschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt für Migrantinnen. Deswegen sind diese Frauen oft finanziell von einem Mann abhängig. Zur wirtschaftlichen Abhängigkeit als ausschlaggebender Faktor in Gewaltbeziehungen kommt für Migrantinnen häufig auch noch ein gefährdeter Aufenthaltsstatus im Fall der Scheidung hinzu. Und schließlich verlieren Frauen in langjährigen Gewaltbeziehungen ihr Selbstvertrauen und können so der traditionellen Rolle des Mannes als „Herr im Haus“ noch schwieriger entkommen. So ist der Weg in ein Frauenhaus für viele Migrantinnen der letzte Rettungsanker. Viele Frauen werden durch die Frauenhelpline gegen Männergewalt (☎0800/222 555), die in acht verschiedenen Sprachen rund um die Uhr kostenlos betreut wird, auf das Frauenhaus aufmerksam.

Frauenhäuser bieten Frauen, die Gewalt durch ihren Partner erleben, und ihren Kindern zunächst einmal eine sichere Wohnmöglichkeit. Nach der Erstversorgung gibt es aber auch weitergehende Unterstützung, etwa bei der Suche nach Arbeit. 27 Prozent der Frauen, die ins Frauenhaus einziehen, haben kein Einkommen, beim Auszug hingegen haben acht Prozent durch das Frauenhaus eine Arbeit gefunden.

Um die Situation von Migrantinnen zu verbessern, fordert der AÖF einen eigenständigen Aufenthaltsstatus der Frauen bei Familienzusammenführung, uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt bei legalem Aufenthalt, den Ausbau der Beratungsangebote in den gängigen Muttersprachen der Frauenhausbewohnerinnen, eine Verbesserung des Zugangs zu Sozialleistungen, wie Familienbeihilfe, Sozialhilfe und Kinderbetreuungsgeld sowie den Zugang zu geförderten Gemeindewohnungen in allen Bundesländern.

Zurück zum Misshandler

Ob die wiedergewonnene Unabhängigkeit der Frauen sie allerdings davon abhält, wieder heim zum Mann, der sie misshandelt hat, zurückzukehren, ist sich Rösslhumer nicht sicher. Doch das autonome Frauenhaus „respektiert natürlich die eigene Entscheidung“ der Frauen. Dazu gehört auch die Wahl, es noch einmal versuchen zu wollen. Frauen, die nach einem solchen Versuch wieder ins autonome Frauenhaus zurückkehren wollen, seien aber „natürlich willkommen“.

www.aoef.at

(MAGDA MARIAM EL-SEHITY, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 26.03.2008)


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