Integration: Hindernislauf zur akademischen Anerkennung

ZUR INFO:
  • Nostrifizierung: Bei ausländischen Zeugnissen und Abschlüssen wird überprüft, ob die abgelegten Prüfungen und der besuchte Unterricht mit dem österreichischen System vergleichbar sind. Wird etwa ein ausländischer Studienabschluss nostrifiziert, gilt er als gleichwertig mit dem österreichischen. Die Nostrifizierung eines Uni-Abschlusses kostet derzeit 150 Euro plus Gebühren und Verwaltungsabgaben.

25.01.2012 | 15:20 | Milena Borovska

Migranten haben Schwierigkeiten bei der Anerkennung ihrer Studienabschlüsse und Ausbildungen in Österreich. Die Verfahren ziehen sich oft jahrelang hin – mit ungewissem Ausgang.

Wien. „Ich habe mittlerweile davon abgelassen“, sagt Meliha Kedić. Die Bosnierin hat auf der Universität Bihac Deutsche Sprache und Literatur studiert, mit der Absicht, Deutschlehrerin oder Dolmetscherin zu werden. 2009 zog sie aus familiären Gründen nach Österreich – wo ihr Diplomzeugnis bis heute nicht anerkannt ist.

Die Anerkennung ausländischer Zeugnisse in Österreich ist ein bürokratischer Hindernislauf – das hat nicht nur Kedić erkennen müssen. Die Ungewissheit ist von Anfang an Teil des Prozesses – und schreckt viele ab, es überhaupt zu versuchen. Zwar ruft die Wirtschaft in regelmäßigen Abständen händeringend nach ausländischen Fachkräften, doch bleiben zahlreiche hoch qualifizierte Migranten, die bereits in Österreich sind, schon beim Verfahren der Nostrifizierung auf der Strecke.

„Menschen haben eine mittlere und höhere Bildung und können diese sehr oft nicht direkt nützen“, sagt Norbert Bichl. Mitarbeiter des Beratungszentrums „Perspektive“, der Anerkennungs- und Weiterbildungsberatungsstelle für Asylberechtigte und Neuzuwanderer. „Und der Arbeitsmarkt erkennt ihre Ausbildungen nicht an.“

Beruf oder Weiterbildung

Nostrifizierung, so wird die Anerkennung von ausländischen Prüfungszeugnissen, Diplomen etc. genannt. Hierbei muss beachtet werden, ob die Anerkennung für eine Berufsausübung, die mit einem Studienabschluss verbunden ist, oder eine Weiterbildung notwendig ist. Innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums sowie in der Schweiz ist der Zugang zu einer Reihe von akademischen Berufen durch eigene Richtlinien geregelt, die den Angehörigen dieser Staaten einen unmittelbaren Berufszugang ermöglichen und das Verfahren ersparen. Bei Drittstaaten gibt es eigene Regeln. Der Antrag kann von jeder in Österreich lebenden Person an der Universität, an der ein vergleichbares österreichisches Studium eingerichtet ist, oder am Fachhochschulkollegium gestellt werden.

Viele Unterlagen können auch in beglaubigter Abschrift abgegeben werden, doch die Urkunde über den Abschluss wird nur im Original angenommen. Für Meliha Kedić wurde das zu einem Problem: „Ich hatte eine Bestätigung von meiner Universität, doch sie wollten sie nicht annehmen. Somit musste ich auf die Urkunde warten, um das Nostrifizierungsverfahren einzuleiten.“

Hohe Kosten für Anerkennung

Für die Beteiligten ist dieser Umstand nicht nur frustrierend, sondern auch mit hohen Kosten verbunden. Allein die Nostrifizierungstaxe, die bei der Einreichung entrichtet werden muss, beträgt 150 Euro – plus diverse Gebühren und Verwaltungsabgaben. Darüber müssen ausländischen Dokumenten auch beglaubigte Übersetzungen beigelegt werden, die ebenfalls kostspielig sind.

Und: Die Antragsgebühren werden auch bei einem negativen Verfahren nicht rückerstattet. Berater Bichl meint, das Verfahren sollte grundsätzlich kostenlos sein oder maximal mit der normalen Antragsgebühr von 14,30 Euro versehen sein. „Gleichzeitig müssten Möglichkeiten geschaffen werden, dass Übersetzungen von Amts wegen und somit kostenlos erfolgen.“

Im zuständigen Wissenschaftsministerium hält man von diesem Vorschlag allerdings nicht viel – denn auch bei einer Abweisung entstehe ein entsprechender Arbeitsaufwand.

Trägt das Verfahren der Nostrifizierung keine Früchte, kann noch um die Zulassung zum österreichischen Studium angesucht werden. In diesem Fall könnte man sich abgelegte Prüfungen einzeln anrechnen lassen. Genau das plant jetzt auch Meliha Kedić. Zunächst muss sie jedoch nach Bosnien fahren, um wieder einen aktuellen Nachweis zu besorgen.

Master statt Diplom

Sie verzichtet nun auf die Anerkennung ihres Diploms – und inskribiert sich stattdessen für das Masterstudium in Wien. Wenn auch mit einer gewissen Verbitterung: „Das Schlimme ist, dass du bereits ein Diplomstudium hinter dir hast.“ Die Verantwortung dafür, dass es mit der Nostrifizierung nicht geklappt hat, sieht Kedić bei der „Lahmheit der Behörden“.

Wie vielen Menschen in Österreich eine Nostrifizierung bereits geglückt ist, das weiß Berater Norbert Bichl nicht. „Denn interessanterweise gibt es auch keine offiziellen Gesamtstatistiken darüber.“ Immerhin, im Integrationsstaatssekretariat hat man sich vorgenommen, die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen zu entbürokratisieren. Auch das Wissenschaftsministerium arbeitet bereits an einer Novellierung der Gesetzesbestimmungen.


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