„Rassismus ist kein steirisches Problem“

INFO:
  • Der Verein Helping Hands Graz wurde 2000 gegründet und dokumentiert Diskriminierungen, bietet Rechtsberatung und unterstützt beim Kontakt mit Behörden.
  • helpinghands.htu.tugraz.at
Zur Person:
  • Daniela Grabovac wird 2012 die Leitung der neu geschaffenen Anti-Diskriminierungsstelle Steiermark übernehmen.

05.01.2012 | 10:00 | Caroline Nwafor

Der Verein „Helping Hands Graz“ dokumentiert seit 2000 rassistische Übergriffe, kümmert sich um die Beratung von Betroffenen und unterstützt sie bei beim Kontakt mit Behörden. 2011 wurden zunehmend Fälle von Alltagsrassismus  beobachtet; betroffen waren vor allem Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Allein in der Steiermark stieg die Zahl der gemeldeten Fälle um 5 Prozent. Daniela Grabovac ist Mitbegründerin von „Helping Hands Graz“ und wird die Anti-Diskriminierungsstelle Steiermark leiten, die ab Frühjahr 2012 erstmals tätig wird. Mit M-MEDIA sprach sie über das europaweite Problem des Rassismus, das Fehlen von bewusstseinsbildenden Kampagnen und warum antirassistisch sein als cool gelten sollte. 

M-MEDIA: Welche Gründe gibt es für den Anstieg des Alltagsrassismus?

Es ist leider so, dass Rassismus normalerweise immer in Wahlkampfzeiten steigt. Warum es heuer so einen Anstieg gab können wir nicht eruieren. Ich kann mir vorstellen, dass die Wirtschaftslage, also die Themen Finanzkrise und Arbeitsplatzverlust, Ängste und Frustration bei den Menschen schüren. Um ihren Frust abzuladen, suchen sich manche dann einfache Opfer bzw. die Schwächeren in der Gesellschaft aus. Klassische Beispiele sind Vorfälle auf den Straßen oder in Straßenbahnen: Ein norwegischer Tourist mit dunkler Hautfarbe geht mit seiner Frau durch Graz spazieren und wird mit einem Wurfgeschoss aus einem Auto beschossen. Oder ein Pärchen, ein Ghanaer und eine Österreicherin, hält im Sommer mit offenem Fenster bei einer Kreuzung: der Mann wird aus dem danebenstehenden Auto bespuckt. Es kommt auch zu Anpöbelungen und Beschimpfungen wie „Scheiß-N*“, die klar machen, dass man hier wegen seiner Hautfarbe nicht erwünscht ist.

M-MEDIA: Heuer waren vor allem Menschen schwarzer Hautfarbe Zielscheibe von rassistischen Übergriffen, früher waren es eher Kopftuch-tragende Muslima. Wie kam es zu dieser Verlagerung?

Eine Verlagerung in diesem Sinne ist es nicht. Der Alltagsrassismus, dem Muslima ausgesetzt sind, ist ja nicht zurückgegangen. Heuer ist zusätzlich vermehrt dokumentiert worden, dass Personen mit dunkler Hautfarbe Attacken ausgesetzt waren. Das liegt meiner Meinung nach daran, dass sie als Minderheit am erkennbarsten und sichtbarsten sind. Deswegen bekommen sie die ganze Ladung ab. In den Anfangsjahren von „Helping Hands“  war es auch schon so, dass vor allem dunkelhäutige Menschen dem klassischen Rassismusbild entsprachen und betroffen waren. Dann gab es eine Verschiebung hin zur Islamophobie.

Auch die Grundrechte Agentur der Europäischen Union hat festgestellt, dass sichtbare Minderheiten mehrfach Diskriminierungen ausgesetzt sind. Das Problem ist also kein steirisches oder österreichisches Problem, sondern in ganz Europa zu finden. Es stellt sich aber immer die Frage, wie gut und von wem Vorfälle dokumentiert werden.

M-MEDIA: Wie kann man dem steigenden Rassismus entgegenwirken?

Meines Erachtens nach durch Kampagnen und politische Statements, davon gibt es leider relativ wenig in letzter Zeit. Es ist wichtig, den Leuten mitzugeben, dass es cool ist, antirassistisch zu sein. Wir haben einen Video-Spot mit einer Schule gedreht, haben aber leider nicht das Budget um Kampagnen durchzuziehen, da wir von staatlicher Seite kaum unterstützt werden. Graz ist 2006 der Städtekoalition gegen Rassismus beigetreten und versucht auf dieser Ebene Rassismus etwas entgegenzusetzen. Ab März 2012 wird es erfreulicherweise eine Anti-Diskriminierungsstelle in der Steiermark geben, die dann Kampagnen und andere bewusstseinsbildende Maßnahmen umsetzen wird. Meine Hoffnung für 2012 ist, dass man so wie in den 90er Jahren zum Beispiel Spots auf MTV laufen hat und so Jugendliche erreicht, unter denen es dann als cool gilt, antirassistisch zu sein.

Ein weiteres Mittel ist Zivilcourage. Beobachtet man Vorfälle, sollte man Mut zeigen und seine Meinung kundtun und so für das Opfer einstehen. Es ist wichtig, dass die Menschen aktiv werden. Bei uns können sich auch Personen melden, die nicht direkt betroffen sind. Wenn sie einen Vorfall beobachtet haben, können sie sich als Zeugen oder Zeuginnen zur Verfügung stellen. Manche rufen auch bei uns an, weil sie in einer heiklen Situation nicht wussten, wie  sie hätten agieren sollen. Oft erzählen uns Leute, dass sie zumindest nach einem Vorfall mit dem Opfer gesprochen haben und so ihren Unmut über das Vorgefallene zeigen.

M-MEDIA: Was ist ihre Prognose für die Zukunft?

Für die Zukunft glaube ich, dass es, wenn wir unsere Stimmen nicht gegen Rassismus erheben – auch politisch gesehen- einen dramatischen Anstieg der Fremdenfeindlichkeit geben wird. Einerseits wegen der schwierigen Wirtschaftslage und andererseits weil man sich abschotten will aufgrund der globalen Situation, die man als erschreckend wahrnimmt; gegenüber eventuellen Asylländern, Drittstaaten, Afrika etc. Ich habe das Gefühl, das Europa eine Festung werden will und sich abschottet gegenüber allen anderen.

Mein Wunsch ist, dass man diese Tendenzen erkennt und rechtzeitig gegensteuert. Denn eine solche Entwicklung kann nicht im Interesse Europas sein.


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