Kapitalismus – Gewalt ohne Fäuste

HIN­TER­GRUND:
  • Teil 13 der 16-tei­li­gen Por­t­rät­se­rie „Unsere Hände gegen Gewalt".
  • In Koope­ra­tion mit White Rib­bon Öster­reich, dem Ver­ein von Män­nern zur Prä­ven­tion von männ­li­cher Gewalt, hat M-MEDIA am 25.11.2012 (Beginn der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen) eine Por­t­rät­se­rie  gestar­tet, in der wöchent­lich Por­träts von Män­nern mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund, die moderne Männ­lich­kei­ten leben und Por­träts von migran­ti­schen Ver­ei­nen, die Bei­träge und Zugän­gen zu Gleich­be­rech­ti­gung und Gewalt­prä­ven­tion leis­ten,ver­öf­fent­licht wer­den.
  • Die Koope­ra­tion wird vom Bun­des­mi­nis­te­rium für Arbeit, Sozia­les und Kon­su­men­ten­schutz geför­dert

05.03.2013 | 15:31 | Siniša Puktalović

Der garnicht so tirolerische Tiroler Michael Fanizadeh arbeitete jahrelang an Anti-Rassismusprojekten und versucht derzeit struktuelle Schieflagen in der Entwicklungspolitik zu beseitigen. Teil 13 der 16-teiligen Porträtserie „Unsere Hände gegen Gewalt”.

„Dass ich aus Kufstein in Tirol komme, glaubt mir niemand“, erzählt Michael Fanizadeh mit einem Lächeln im Gesicht.  Sein deutscher Akzent und sein ruhiges Gemüt seien so gar nicht tirolerisch, deswegen würden viele nicht vermuten, dass er ein gebürtiger Tiroler ist.  Auch sein iranischer Nachname – sein Vater ist Iraner –  trägt nicht unbedingt zu diesem Bild bei. Aber genau dort in der verschlafenen Unterinntaler Stadtgemeinde wurde Michael Fanizadeh im Jahr 1967 geboren. Seine Jugend verbrachte er jedoch in verschiedenen deutschen Bundesländern: so lebte er einige Zeit in Hessen und in Baden-Württemberg, wo er in Ravensburg schlussendlich auch seine schulische Laufbahn beendete. In Wien studierte er dann Politikwissenschaft und erhielt im Jahr 1997 sein Diplom.

Direkt danach fing er beim Wiener Institut für internationalen Dialog und Zusammenarbeit (VIDC) im Rahmen des Antirassismus-Projektes „Fair Play. Viele Farben. Ein Spiel“  zu arbeiten an. Das Projekt wurde 1997 während des EU-Jahres gegen Rassismus gestartet und VIDC führt seitdem mit verschiedenen Verbänden, Vereinen, Fanclubs, MigrantInnen- und Jugendorganisationen Aktivitäten gegen Diskriminierung im österreichischen Fußball und Sport durch. Fanizadeh, der in seiner Jugend selbst Fußball gespielt hat, wechselte nach der EURO 2008 innerhalb des VIDC zum Bereich Dialog und Politik, wo er derzeit an einem Projekt arbeitet, welches sich mit Migration und Entwicklungspolitik auseinandersetzt.

„Keine Schwäche zeigen“

Im Zuge seiner Arbeit konnte der leidenschaftliche Leser zahlreiche Eindrücke über die Konstruktionen von Männlichkeitsbildern in verschiedenen Weltgegenden gewinnen.  „Ich glaube, dass bei der Konstruktion von Männlichkeitsbildern die soziale Herkunft eine große Rolle spielt und da ist es egal ob die Person Hindu, Moslem oder Christ ist“, meint Fanizadeh.  Er meint, dass etwa ein Kind von einem türkischen Professor und einer türkischen Ärztin unter anderen Erziehungsmustern aufwachsen dürfte, als ein Kind von einem österreichischen Paar aus der Arbeiterschicht, wo die körperliche Arbeit vielleicht auch noch einen zentralen Wert hat. Somit dürften bei diesen Kindern auch die Männlichkeitsbilder unterschiedliche sein.  Er hoffe aber, dass die heutige Generation von Jugendlichen emanzipierter ist, weil deren Mütter wahrscheinlich eine „stärkere“ Rolle innehatten – wie es auch im Fall der Mutter vom Fanizadeh war und ist – und sie somit auch die Rolle der Frau anders wahrnehmen.

Stereotype Vorstellungen von Männlichkeit, wie etwa „keine Schwäche zeigen und stark sein“ würden insbesondere durch den Sport vermittelt. Zwar gäbe es „moderne“ Trainerinnen und Trainer, die ihren Job zeitgemäßer ausüben, dennoch seien diese derzeit noch in der Minderheit. Fanizadeh betont aber, dass die sozialen Hintergründe„nichts darüber aussagen, ob die Personen gewalttätiger sind oder nicht“.

 

Strukturelle Gewalt

„Wenn man von Gewalt spricht, soll man nicht denken, dass die Menschen nur mit den Fäusten aufeinander losgehen. Da gibt es subtilere Formen von Gewalt“ stellt der Politikwissenschaftler fest.  Gewalt würden beide Geschlechter anwenden, was durchaus auch strukturell bedingt ist, denn „der Kapitalismus ist in seinen Strukturen sehr gewalttätig und verlangt von Männer und Frauen im psychischen und sozialen Verhalten gewalttätig zu sein“ kritisiert Fanizadeh. Frei nach dem Motto: wer im Leben weiter kommen wolle, der müsse seine Ellenbogen ausfahren. Dass es so nicht sein soll und muss, wird bei den verschiedenen VIDC-Veranstaltungen – etwa zu Männlichkeitskonstruktionen und (männlicher) Gewalt in verschiedenen Regionen dieser Welt – diskutiert. So wurde etwa Ende Jänner eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Sei ein Mann! Männer als Verbündete im Kampf gegen Gewalt in Ex-Jugoslawien“ organisiert.

Migrations- und Entwicklungspolitik

Im Rahmen seiner Arbeit versucht Fanizadeh die Entwicklungs- und die Migrationspolitik in Einklang zu bringen. Dabei geht er der Frage nach, warum so wenige Diaspora Organisationen in die Entwicklungspolitik eingebunden sind. „Im NGO-Bereich arbeiten verhältnismäßig wenige Personen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu anderen Branchen erzählt er. Um dieser Dissonanz entgegenzuwirken, versuchen seine KollegInnen und er die beiden Bereiche Migration und Entwicklung einander näher zu bringen.


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