Lehrer mit Migrationshintergrund: Förderung bleibt auf der Strecke

29.09.2012 | 14:00 | Marlies Kastenhofer

Zwar herrscht das Bewusstsein, dass Lehrende mit Migrationshintergrund eine Notwendigkeit für den Schulunterricht sind. Allerdings scheint diese Erkenntnis nur schleppend in der Bildungspolitik umgesetzt zu werden.

Die Zahl österreichischer Schüler mit Migrationshintergrund steigt. Eine Studie der Donau-Universität Krems zeigte, dass im Schuljahr 2009/ 2010 rund zehn Prozent der Schüler keine österreichische Staatsbürgerschaft hatten. Um die 18 Prozent sprachen eine andere Muttersprache als Deutsch. In Wien wachsen sogar 42 Prozent der Schüler mit einer anderen Umgangssprache auf.

Elisabeth Furch, Leiterin der Kompetenzstelle Mehrsprachigkeit und Migration (Ko.M.M.) an der Pädagogischen Hochschule (PH) Wien, erkennt die Notwendigkeit, mehr Lehrer mit Migrationshintergrund einzusetzen. Maßnahmen für deren Förderung gebe es derzeit aber praktisch noch keine. Das Bildungsministerium habe vor kurzem Arbeitsgruppen ins Leben gerufen, die sich mit Strategien zur Kompetenzerweiterung im Bereich Mehrsprachigkeit und Migration beschäftigten. Das Pilotprojekt Ko.M.M laufe mittlerweile ein Jahr.

Laut Furch gleiche die Politik in diesem Bereich momentan einem „Pflastergeben“. Es fehle die verpflichtende Unterstützung und Einbindung von mehrsprachigen Lehrenden. Derzeit seien Kurse für mehrsprachigen Unterricht im Curriculum der PH noch nicht verbindlich. Diese müssten gegen ein großes Angebot an anderen Wahlpflichtfächern ankommen. Ein weiteres Problem sei die mangelnde Kooperation zwischen Ministerien, Hochschulen und Landesschulräten. Oft würden Landesschulräte kein Geld für Ideen aus höherer Ebene bereitstellen. Stattdessen würden Gebiete gefördert, die weniger Priorität hätten. „Das Geld in die Bildung fließt nicht so, wie es sein sollte“, ist Furch der Meinung. Dadurch bleibe die Förderung von Lehrkräften mit Migrationshintergrund und von mehrsprachigem Unterricht in Schulen auf der Strecke.

Laut Josef Galley, Pressesprecher des Unterrichtsministeriums für den Bereich Bildung, ist es wichtig, dass auch Lehrangestellte die Zusammensetzung der Bevölkerung widerspiegeln. Vor allem in Städten mit einem generell hohen Migrationsanteil sei das von Bedeutung. „Wir leben ja nicht in einem Elfenbeinturm“, meint er. Auch Furch erkennt die Problematik der Unterschiede zwischen Stadt und Land. In der Schulpolitik werde sie aber zu wenig berücksichtigt. Oft würden Maßnahmen nur flächendeckend für ganz Österreich verordnet werden. Es sei aber nötig, den Bildungsinstitutionen regional mehr Raum für individuelle Entscheidungen zu geben.

„Schlimm“ findet Furch auch die Ausbildungssituation muttersprachlicher Lehrer. Seit zwanzig Jahren kämpfe sie nun schon dafür, ihnen eine fundierte pädagogische Ausbildung zu ermöglichen. Viele stammten aus anderen Ländern und hätten dort beispielsweise Mathematik unterrichtet. In Österreich angekommen, hätten sie weder die fremdsprachendidaktische Kompetenz, Kinder zu unterrichten, noch ausreichend Möglichkeit, sich diese anzueignen.

Die große Bedeutung des Einsatzes von Lehrern mit Migrationshintergrund scheint aber bekannt zu sein. Galley meint, dass deren Förderung Vorteile für alle Beteiligten bringe: Es schaffe Jobchancen für Studenten und wirke dem Lehrkräftemangel entgegen. Zusätzlich begünstige es Diversität in Schulen. Auch Kinder, die keinen Migrationshintergrund hätten, könnten davon profitieren. Isabella Kirchmayr, Direktorin der „Bunten Schule Währing“, findet jeden Lehrer, der neben Deutsch eine andere Sprache spricht, kostbar. „Lehrer mit Migrationshintergrund sind wertvolle Brückenbauer in Konfliktsituationen und hilfreich, sich mit Kindern zu verständigen“, ist die Direktorin überzeugt. Daher suche sie manchmal bewusst nach Lehrern mit Sprachen, die noch nicht im Lehrkörper vertreten sind.


ein Kommentar

  • Songül Akar

    Ich habe in der Türkei Geschichte Lehrerin studiert.Ich lebe seit 8 Jahren in Wien.Ich will in Wien als Türkischunterrictlehrerin arbeiten Geschrieben um 11. August 2014 um 23:10 Uhr Antworten

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