LGBTIQ auf dem afrikanischen Kontinent: Lange Tradition und Diskriminierung

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29.07.2016 | 19:20 | Konstantin Auer

In vielen afrikanischen Staaten sind Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Intersexuelle und Queersexuelle (LGBTIQ) benachteiligt, werden diskriminiert oder sehen sich Gewalt in den schlimmsten Formen ausgesetzt. Dabei kommt die Ungerechtigkeit nicht immer nur von Gesetzgebern, diese werden nämlich auch von Religionsvertretern beeinflusst. 

„Afrikanische Gesellschaften sind konservativ, was Schwule und Lesben angeht, gleich-geschlechtliche Beziehungen sind kulturell tabu und es gibt sehr wenige offene Homosexuellen-Communities. Offiziell ist Homosexualität in vielen Ländern Afrikas illegal und wird in Mauretanien, dem Sudan und in Nigeria sogar mit der Todesstrafe bedroht“. So warnt beispielsweise Lonely Planet, ein Anbieter von Reiseführern, Homosexuelle vor Reisen nach Afrika. Doch gilt das wirklich für ganz Afrika? Auf dem afrikanischen Kontinent leben 1,1 Milliarden Menschen, er besteht aus 55 verschiedenen Staaten und es werden mehr als 2.000 verschiedene Sprachen gesprochen. Eine solche Verallgemeinerung scheint in diesem Kontext unangebracht. Gibt es doch Beispiele für LGBTIQ-AktivistInnen auf dem Kontinent, die täglich gegen die Ungerechtigkeiten kämpfen und Kulturen, in welchen Homo- und Transsexualität eine große Rolle spielen.

In Ägypten sind homosexuelle Handlungen nicht offiziell strafbar, werden aber dennoch strafrechtlich verfolgt, ebenso im Tschad, wo sie als „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ angesehen werden können. Keine Probleme, zumindest mit dem Gesetz, dürfte es, laut der GayStation-Community, Amnesty International und ILGA (International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans- und Intersex Association), hingegen nur in Burkina Faso, Elfenbeinküste, Gabun, Guinea-Bissau, Komoren, Kongo und Kongo D.R., Lesotho, Madagaskar, Mali, Ruanda, Niger, Benin, Lesotho, Äquatorialguinea, Südafrika sowie auf Sao Tome & Pricipe geben. In 18 von 55 afrikanischen Staaten werden LGBT-Menschen also in irgendeiner Form vom Gesetz verfolgt, weltweit sind es 78 von 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen.

Erschwerter Zugang zum Gesundheitssystem in Südafrika

In Südafrika enthält die Verfassung sogar ein Verbot der Diskriminierung, homosexuelle Paare dürfen Kinder adoptieren und heiraten. Allerdings gibt es auch dort Probleme mit Diskriminierung, vor allem gegenüber Transgender-Personen, wie die Nichtregierungsorganisationen Gender Dynamix und Transgender and Intersex Africa auf ihren Homepages berichten. Speziell im Gesundheitssystem werden diese Menschen oft benachteiligt, auch wenn es um Hilfe für HIV-Infizierte oder AIDS-Erkrankte geht. Zudem scheint es, wie in vielen Staaten dieser Welt, eine Frage der Bildung über dieses Thema zu sein. Die International Business Times berichteten auch über gravierende Unterscheide zwischen Stadt- und Landbevölkerung. Im September 2015 gab es eine Konferenz verschiedener Organisationen mit TeilnehmerInnen aus 12 Staaten Afrikas, die in diesem Video von Iranti-Media über ihre Probleme sprechen:

„IDAHOT“-Feiern in Uganda

Wie man sich gegen die gesellschaftliche Diskriminierung helfen kann, zeigt etwa die Organisation „Freedom & Roam Uganda“ (FARUG), eine feministische LGBT Vereinigung aus Kampala. Sie organisierten beispielsweise eine Trauerfeier für die Opfer des Amoklaufes in einem, vor allem bei homosexuellen beliebten, Nachtclub in Orlando (USA), Lehrgänge für Friseure und Metallverarbeitung, Hepatitis B-Untersuchungen und Feiern am Weltfrauentag und am internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie (IDAHOT). Sie wollen damit auch die Gesellschaft aufklären und so Vorurteilen vorbeugen.

Homophobe Kirche in Westafrika

Spätestens seit 2003 als in Großbritannien ein schwuler Priester angelobt wurde, spielte in Westafrika, vor allem in Nigeria, Homosexualität plötzlich eine große Rolle in der öffentlichen Diskussion. Die westafrikanische anglikanische Kirche sträubte sich dagegen und setzte sich für Gesetze gegen Homosexuelle ein. Im Norden des Landes herrschen strenge muslimische Gesetze, ähnlich der Scharia. Hier kam es auch zu Steinigungen gegen LGBT-Personen. Aber auch die Christian Association of Nigeria unterstütz die diskriminierende Gesetzgebung der Regierung. So wurde 2014 bei einer Konferenz der christlichen Kirche in Monrovia (Liberia) eine Resolution unterschrieben, nach welcher Schwule für Ebola verantwortlich zu machen seien. Nach seinem Coming-out in einer Talkshow musste der LGBT-Aktivist, Bisi Alimi, 2004 Nigeria verlassen. Er bekam Asyl in London.

Homosexualität ist aber nicht „unafrikanisch“

Alimi berichtet in seinem Blog erstaunt über den „Yan Daudu“-Kult aus dem muslimischen Norden Nigerias. Laut dem nigerianischen Online-News-Magazin Papertalk, sind die Yan-Daudu „Männer, die wie Frauen leben“. Sie schminken sich und tragen Kleider, können verheiratet sein und Kinder haben, aber gleichzeitig Sexualkontakte zu Männern pflegen. Unter den islamischen Hausa spielen diese homosexuellen Transvestiten eine große Rolle bei Ritualen, wo sie Speisen verkaufen.

Die Anthropologen Thabo Msibi, Marc Epprecht, Evans-Pritchard und Deborah Amory haben, wie StarrFM aus Ghana berichtete, festgestellt, dass Homosexualität in afrikanischen Kulturen schon immer ein Thema war. So wurde der erste Akt von Homosexualität 2.400 Jahre vor unserer Zeit in Ägypten festgehalten: Zwei Männer sind nasenküssend auf Kunstwerken dargestellt. Außerdem gibt es eine 2.000 Jahre alte Malerei aus der San-Kultur, die aus dem Süden des Kontinents kommen, auf welcher Männer beim Anal-Sex dargestellt sind. Es gibt Berichte über Nzinga, eine Kriegerin des Ndongo Königreiches der Mbundu in Angola, die als männlicher König regiert haben soll. Sie war von einem Harem umgeben, der aus jungen Männern bestand, welche sich wie Frauen kleideten und von ihr „Ehefrauen“ genannt wurden. Krieger der Azande aus dem nördlichen Kongo sollen auch jüngere Männer geheiratet haben. Weiters gibt es Berichte über die Ganga-Ya-Chibanda, Priester der Giagues aus dem nördlichen Kongo, die Cross-Dressing ausgeübt haben sollen und als „Großmütter“ bezeichnet wurden. Ähnliche Befunde gibt es von den Chibadi in Südafrika und der Iteso-Gesellschaft in Uganda und Kenia, wo sexuelle Beziehungen zwischen Männern normal waren. Während im präkolonialen Benin Homosexualität als natürliche Phase bei heranwachsenden Männern gesehen wurde. Bei den Nadi und Kisii aus Kenia waren wiederum Hochzeiten zwischen Frauen Normalität. Im Süden des Kontinents gab es viele Wahrsagerinnen, die homosexuell oder asexuell waren. Homosexuelle und transsexuelle Elemente gibt es außerdem in den Kulturen der Igbo aus Nigeria, der Nuer aus dem Sudan und der Bafia in Kamerun.

In präkolonialen Kulturen war LGBTIQ kein Tabu

Wie überall sonst auf der Welt, gibt es also auf dem afrikanischen Kontinent schon immer Homosexualität und Transsexualität, in einigen Kulturen sind sie sogar fixer Bestandteil gewesen, oder sind es immer noch. Die heutige schlechte Situation für LGBT-Rechte scheint also auch etwas mit dem Erstarken von Christentum und Islam und dem Kolonialismus auf dem Kontinent zu tun zu haben. Eine tiefe Verwurzelung von Homophobie und Transphobie kann historisch gesehen nicht standhalten. Dennoch ist die Lage für LGBT-Menschen in vielen afrikanischen Staaten nahezu aussichtslos. Umso mehr braucht es starke LGBT-AktivistInnen wie beispielsweise Bisi Alimi oder „Freedom & Roam Uganda“.


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