Medizin für Menschen ohne Versicherung

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AUF EINEN BLICK
  • Ohne Versorgung: 160.000 Menschen haben laut Armutskonferenz keine Krankenversicherung. Sie, vor allem Migranten und Asylsuchende, finden unter anderem bei diesen Organisationen Hilfe:
  • Amber-Med, Ober-Laaer Str. 300-306, 1230 Wien, 01/ 589 00/847, amber-med@diakonie.at
  • Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien, Große Mohrengasse 9, 1020 Wien

21.05.2008 | 12:08 | Ewa Dziedzic

Migranten, Flüchtlinge, Asylwerber und auch Österreicher, die durch das soziale Netz gefallen sind, finden bei Amber-Med oder den Barmherzigen Brüdern Hilfe und Beratung – anonym und kostenlos.

Bartek Musiol ist erleichtert. Der Anmeldebogen, den er ausfüllen muss, ist in Polnisch gehalten. Der gebürtige Pole ist einer der Patienten, die im Wartezimmer von Amber auf ihre Untersuchung warten.

Amber, das ist eine im Jahr 2004 von der Diakonie eingerichtete medizinische und soziale Beratungsstelle, die (seit 1. September 2006 unter dem neuen Namen Amber-Med) in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Roten Kreuz in Inzersdorf Hilfe für Menschen anbietet, die keinen Versicherungsschutz haben – und das kostenlos und anonym. Zu den Patienten zählen mehrheitlich Migranten, Flüchtlinge, Asylwerber.

Sie wenden sich an die Organisation, weil sie wegen ihres ungeklärten Aufenthaltsstatus keinen Zugang zu behördlicher oder öffentlicher Gesundheitsversorgung haben. „Ich wusste damals nicht, was ich sonst gemacht hätte“, erzählt Bartek Musiol von seinem ersten Besuch bei Amber-Med – er hatte sich tief in den Finger geschnitten, bis zum Knochen. „Wenn du unglaubliche Schmerzen hast, kannst du nicht schnell zehn Stunden Busfahrt nach Hause in Kauf nehmen“, meint er.

Für Menschen, denen das österreichische Gesundheitssystem fremd ist, leistet Amber-Med auch über anfängliche muttersprachliche Betreuung einen wichtigen Beitrag zur Integration.

Die Beratungsstelle ist zur Gänze auf Spenden und ehrenamtliche Mitarbeit angewiesen. Derzeit werden etwa Fachärzte für Kinderheilkunde, Psychiatrie sowie Allgemeinmediziner für Mitarbeit im Rahmen der Ordination gesucht.

Daneben hat die Organisation im Großraum Wien ein Netzwerk an externen Fachärzten, Röntgeninstituten, Laboratorien und Instituten für physikalische Therapie aufgebaut, an die Amber Patienten weiterreicht, die dort ebenfalls gratis behandelt werden. Zusätzlich versorgt das Medikamenten-Depot des Österreichischen Roten Kreuzes bedürftige Patienten mit gespendeten Arzneien von Ärzten, Apotheken und Pharmafirmen.

Barmherzige Brüder helfen gratis

Auch „die Brüder“ sind Bartek Musiol ein Begriff: „Das erste Mal war ich dort, weil mir ein Zahn gezogen werden musste. Da erzählte mir ein Freund, dass die nicht fragen woher du bist, wieso du keine Versicherung hast.“

Im Vorjahr wurde im Ordenskrankenhaus in Wien-Leopoldstadt in rund 80.000 ambulanten und 400 stationären Fällen rasch, unbürokratisch und vor allem unentgeltlich geholfen. Unentgeltlich deshalb, weil für die rund 720 Mitarbeiter die Behandlung mittelloser Patienten dem Auftrag des heiligen Johannes, des Ordensgründers der Barmherzigen Brüder, entspricht: Armen und Kranken helfen, ohne nach Religion, Alter, Herkunft oder sozialem Status zu fragen.

Auch Österreicher kommen

Landläufig werden Unversicherte mit Ausländern oder Migranten assoziiert. Tatsächlich haben aber auch immer mehr Österreicher keine Krankenversicherung. Sei es, weil sie etwa nach einer Kündigung Meldefristen versäumen, oder gar nicht wissen, dass sie etwa nach einer Scheidung als Mitversicherte aus der Pflichtversicherung herausfallen können.

Aus einer Studie der Armutskonferenz über Nicht-Krankenversicherte geht jedenfalls hervor, dass fehlender Krankenversicherungsschutz bei 160.000 Menschen (rund 2,4 Prozent der Wohnbevölkerung) vorliegt.

Ganz ohne Geld geht es übrigens nicht: Um Benachteiligten weiter helfen zu können, führen die Barmherzigen Brüder derzeit in Wien und Umgebung ihre traditionelle Haussammlung durch.

(EWA AGATA DZIEDZIC, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 21.05.2008)


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