Modedesigner oder Maler? Beides!

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07.10.2009 | 14:15 | Aysun Bayizitlioglu

Der türkisch-österreichische Designer und Maler Emre Tamer sucht nach Antworten. Der gebürtige Steirer hat an der Universität für angewandte Kunst Wien in der Meisterklasse für Malerei und für Modedesign studiert.

WIEN. Was ist Mode? Was ist Kunst? Ist Mode Kunst? Ist Malerei altmodisch? Antworten auf diese und andere Fragen geben die Werke des jungen Modedesigners und Malers Emre Tamer. Er ist in Bruck an der Mur geboren und in der Türkei aufgewachsen, bis er wegen des Studiums nach Wien kam – und gilt als ein Künstler dieser Genres mit großer Zukunft.

Die Grenzen zwischen Mode und Kunst sind heute oft fließend. Viele Designer sehen Mode als Teil zeitgenössischer Kunst oder glauben, dass die Kunst die Mode beeinflusst. Bei einigen Künstlern, wie Erwin Wurm, fließen Elemente der Mode in ihre Kunstwerke ein und manche Designer, wie etwa Helmut Lang, lassen sich von Kunst für ihre Mode inspirieren.

Auch Emre Tamer verbindet Kunst und Mode. Der gebürtige Steirer hat an der Universität für angewandte Kunst Wien in der Meisterklasse für Malerei und für Modedesign studiert. „Malerei habe ich bei der bekannten österreichischen Künstlerin Johanna Kandl studiert und bei der belgischen Avantgardedesignerin Veronique Branquinho Mode.“

Während der 27-Jährige das Malereistudium mit einer Diplomausstellung im Juni abgeschlossen hat, will er Mode im nächsten Jahr beenden. Tamer: „Bernhard Willhelm ist mein großes Vorbild, und ich freue mich schon sehr darauf, nächstes Jahr mein Modestudium bei ihm abzuschließen.“ Der Designer Willhelm übernimmt heuer die Modeklasse der Angewandten, einer seiner Schwerpunkte soll interdisziplinäres Arbeiten zwischen einzelnen Kunstrichtungen sein.

„Kunst ist international“

„Weil ich aus einer anderen Kultur komme, sehe ich es als meine Aufgabe, diesen historischen Hintergrund, meinen Werdegang und mein kulturelles Erbe in meinen Werken zu zeigen“, meint Tamer, „denn Kunst ist international.“ Orientalische Teppichmuster, Keramiken oder Blumen tauchen oft versteckt in seinen Gemälden und Kollektionen auf.

Und die Entwürfe des jungen Künstlers setzen sich nicht nur mit Mode und Kunst auseinander, sondern auch mit Politik. Er findet, dass die Türkei schon längst zur EU gehören sollte und bedauert, dass einige Länder, etwa Österreich, einen Beitritt ablehnen. Er versucht daher, in seinen Arbeiten auch das moderne Gesicht der Türkei zu zeigen.

So stellte er 2008 seine Modenschau an der Angewandten unter das Motto „Europa + Asien = Istanbul“. „Damit wollte ich zeigen, dass Istanbul eine vielfältige Mischung aus Orient und Okzident ist“. Auch in seinem nächsten Projekt will er auf das Thema „EU und Türkei“ eingehen: „Ich würde gern ein Kunstprojekt namens ,Frühstück mit ,Crescent‘ (Halbmond) in der Europäischen Union‘ machen. Als Hauptmotiv schwebt mir die EU-Flagge in Kombination mit dem türkischen Halbmond vor.“

Sieht Tamer seinen Migrationshintergrund auch als Hindernis für seine Karrierepläne? „Als Maler spielt das keine Rolle. Aber als Designer wird es nicht so leicht sein, weil die österreichische Modewelt doch eher konservativ ist.“

Emre Tamer will nicht nur Mode und Malerei vereinen, sondern auch Männlichkeit und Weiblichkeit. „Ich spiele gern zwischen diesen beiden Polen und finde neue Formen in diesen Perspektiven. Ich stelle mir eine sehr dominante Frau vor, wenn ich etwas entwerfe. Deshalb mache ich maskuline Kleidung für Frauen und feminine Kleidung für Männer“, erklärt er. In den Bildern Tamers spielen auch nackte Körper eine sehr große Rolle: „Ich male generell nackte Körper, weil ich der Meinung bin, dass der Körper eine sehr große Ausdrucksfähigkeit hat. In meinen Bildern habe ich jede Figur als Selbstporträt gemalt – als Entdeckung der Konfrontation mit mir selbst“, beschreibt er seine Intentionen in der Malerei.

Nicht immer aber zielt er auf ein bestimmtes Konzept ab. Dann stellt er am liebsten seine Reisen nach Venedig, Paris oder Istanbul in den Mittelpunkt der Malerei, „oder meine Träume und Liebesgeschichten. Es ist eine Art persönliches Tagebuch.“

Ausstellung im MQ

Die Abschlussausstellung gliederte sich in die drei Teile: Video („Tie Tie/Krawatte binden“), Malerei („My Personal Diary/Mein persönliches Tagebuch“) und abschließende Modenschau („Painted Fashion“), in der er Kleider mit digitalen Textildrucken seiner eindrucksvollen Bilder präsentierte. „Auf diese Weise erreiche ich, dass meine Gemälde nicht nur an der Wand hängen, sondern dass sie auch Teil des Alltagslebens werden.“

Viele Besucher der Ausstellung sehen in ihm bereits den Nachfolger von Atil Kutoglu. Tamer freut sich darüber, sieht sich selbst jedoch als Vertreter einer neuen Designergeneration. Die einzige Ähnlichkeit zwischen den beiden sei, so Tamer, dass sie gern orientalische Elemente verwenden. „Ich respektiere Kutoglu und seine Leistung für die Mode sehr.“ Dieser Respekt ist gegenseitig. „Emre Tamer hat hervorragendes Talent bewiesen. Ich bin sehr beeindruckt. Mit seiner künstlerischen Begabung wird er in der Mode sicher Erfolg haben“, sagt Kutoglu über Tamer.

Und wie sieht Tamer seine Zukunft? „Ich möchte meine Entwürfe gerne einmal auf der Modewoche in Paris präsentieren. Aber ich mache einen Schritt nach dem anderen. Zunächst plane ich eine Ausstellung im Museumsquartier. Das Konzept dafür habe ich schon im Kopf.“

(AYSUN BAYIZITLIOGLU, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 07.10.2009)


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