Neues Buch: Auf der Suche nach China in Österreich

Buchpräsentation
  • Wann: 28. Oktober 2014, 18h30
  • Wo: Wien Museum am Karlsplatz
 

28.10.2014 | 13:51 | Marlies Kastenhofer

Ein neues Buch geht erstmals auf eine Spurensuche ins chinesische Wien – und will damit mit Stereotypen über Austrochinesen brechen.

Ob Restaurants und Imbisse, Wholesalegeschäfte oder Kampfsportclubs – die chinesische Kultur prägt das Wiener Stadtbild ebenso wie die türkische oder jene des ehemaligen Jugoslawien. Rund die Hälfte der 30.000 Auslandschinesen Österreichs leben in Wien. Dennoch werde im Gegensatz zu anderen Minderheiten wenig über diese sehr vielfältige, heterogene Gruppe gesprochen, meint Fariba Mosleh. Seit ihrer Diplomarbeit befasst sich die Kulturanthropologin und Sinologin mit der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der chinesischen Community in Wien. Ihr Buch „Vienna Chinatown INvisible. Eine Reise durch das chinesische Wien“, das heute offiziell im Wien Museum präsentiert wird, macht genau diese – zuweilen fehlende – öffentliche Präsenz der chinesischen Minderheit in Österreich zum Thema.

Ausgangspunkt ihrer Arbeit bildet die Beschäftigung mit dem Begriff „Chinatown“. In den letzten Jahren seien im öffentlichen Diskurs immer wieder Bezeichnungen wie „Wiens Mini Chinatown“ oder „Chinatown light“ als Beschreibung für das Viertel rund um Kettenbrückengasse und rechte Wienzeile aufgetaucht. Dabei gebe es in Wien im Gegensatz zu anderen Städten gar kein offizielles chinesisches Viertel. Traditionelle Chinatowns, so wie in New York, San Francisco oder auch London, seien rund um die vergangene Jahrhundertwende aus politischen Gründen entstanden. Damals hätten sich Auslandschinesen zusammengetan, um Segregation und Exklusion durch die Mehrheitsbevölkerung bestmöglich entgegenzuwirken.

Mit zeitgenössischen Chinatowns habe das nichts zu tun. In diesen Fällen handle es sich vor allem um Marketingstrategien zur Förderung von Wirtschaft und Tourismus in der Gegend. Die Stadt Wien habe sich laut Mosleh bewusst gegen die räumliche Zuweisung ethnischer Gruppen entschieden. Und auch die chinesischen Anrainer im Viertel selbst distanzierten sich von dem Begriff Chinatown. „Diese Betitelung in den Medien kommt ja letztendlich gar nicht so sehr von den Chinesen selber, sondern von den Österreichern, die hier stereotype Vorstellungen drüberlegen“, so die 29-Jährige. Mosleh zufolge wächst das chinesische Geschäftstreiben in der Gegend zwar, Chinesen lebten und arbeiteten aber über ganz Wien verstreut. Zudem gebe es in Wien noch andere chinesisch geprägte Viertel, wie etwa in der Sechshauserstraße.

„There is no Chinatown in Town”

Diese Beobachtungen finden sich im Kredo des Buches „There is no Chinatown in Town“ wieder. Schließlich gehen auch dessen Beiträge weit über die Beschäftigung mit dem Grätzel rund um die Kettenbrückengasse hinaus, wie Mosleh erklärt. „Es geht um China in Wien, in Österreich und letztendlich um das Austrochinesische – das Hypride, das Neue, das durch Migration entsteht.“ Zusätzlich sei es ihr wichtig, die in Österreich herrschenden Stereotype über Chinesen aufzuweichen. „Es gibt die zwei Enden: Mafia, gefährlich, undurchsichtig einerseits und wirtschaftlich super integriert und wichtig andererseits. Dieses Buch bewegt sich hier dazwischen und darüber hinaus.“

Vielen Österreichern sei nicht bewusst, wie stark die Selbstorganisation von Auslandschinesen in Österreich ist. Austrochinesen organisierten sich gegenseitige Hilfe, wie Deutschkurse, Rechts- und Unternehmensberatung, um in der Mehrheitsgesellschaft Fuß fassen zu können. Dass das Interesse an ihrer Umgebung vorhanden sei, zeigten auch die Exkursionen des Vereins chinesischer Frauen in Österreich. Unter dem Motto „Lerne dein Wien kennen“ würden hier Inlandsexkursionen organisiert, beispielsweise Führungen in Kaffeeröstereien, der Mülldeponie und Weinverkostungen.

Mit einer Mischung aus Texten, Fotostrecken und künstlerischen Beiträgen sollte das Buch vor allem eine Kooperation von Chinesen und Nicht-Chinesen und auf diese Weise möglichst viele Sichtweisen zusammengebracht werden. Dabei sei es ähnlich wie ein Austellungskatalog konzipiert. „Wie ein Katalog zur täglich gelebten Praxis von Austrochinesen in Wien“, beschreibt Mosleh.


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