Österreich: „90 Prozent der Austrochinesen in Gastronomie tätig“

Buchtipp: 
  • „Von Österreichern und anderen Chinesen“ von Gerd Kaminski. ÖGCF, österreichische Gesellschaft für China-Forschung, Wien, 2011.

08.05.2012 | 19:30 | Hülya Tektas

Seit den 1970er-Jahren kommen Zuwanderer aus China in regelrechten Wellen nach Österreich. Der größte Teil der Austrochinesen ist in der Gastronomie tätig.

Wien. Cham Ma-teu, der Begleiter des österreichischen Jesuitenmissionars Johann Grueber, war Berichten zufolge der erste Chinese in Österreich. Zwischen 1661 und 1664 war Cham Ma-teu gemeinsam mit Johann Grueber mehr als 32.000 Kilometer zu Fuß unterwegs. Am Ende dieser Reise verstarb er in Istanbul. Die nächsten Chinesen, zwei Bootsknechte, kamen 1780 nach Österreich.

Es dauerte lange, bis die chinesische Gemeinde in Österreich eine halbwegs ansehnliche Zahl erreichte. Zu einem regelrechten Immigrationsboom kam es erst in den 1970er-Jahren – damals entschärfte die Volksrepublik China die Ausreisebestimmungen. Auch zwischen 1988 und 1991, als chinesische Staatsbürger ohne Visum nach Österreich einreisen durften, wuchs die chinesische Community deutlich. Und zwischen 2002 und 2006, als es für chinesische Studenten in Deutschland erschwerte Einreisebestimmungen gab, kam es zu einer Zuwanderungswelle chinesischer Studenten nach Österreich. Wirtschaft, Musik und Informationstechnologie sind die beliebtesten Studienrichtungen.

Laut Statistik Austria leben heute etwa 15.700chinesische Staatsbürger in Österreich. Inoffiziell wird jedoch die chinesische Community in Österreich auf rund 30.000 Personen geschätzt – wenn Chinesen mit anderen Staatsbürgerschaften, chinesische Asylwerber, illegale Migranten und die in Österreich geborenen Generationen ebenfalls dazugezählt werden.

90 Prozent in der Gastronomie

Die ersten chinesischen Restaurants gab es bei uns bereits um 1940. Heute gibt es in ganz Österreich rund 1200 gastronomische Betriebe, die von Chinesen geführt werden. Xing Hong Bing, Präsident des Überseechinesen-Komitees, schätzt, dass 90 Prozent der Austrochinesen in der Gastronomie tätig sind. In Zeiten der Lebensmittelknappheit, als regelmäßige Mahlzeiten keine Selbstverständlichkeit waren, grüßten sich Chinesen mit der Frage „Hast du schon gegessen?“, sagt Su Binglie, der in Wien als Dolmetscher arbeitet. Die früher ernsthaft gestellte Frage wandelte sich im Laufe der Zeit zu einem einfachen Grußwort.

Die chinesische Community in Österreich ist gut organisiert; es gibt zahlreiche Vereine. Und Wochenzeitschriften wie „Europe Weekly“ und „Ouzhou Xuaxingbao – Europäische Nachrichten für Chinesen“ informieren nicht nur Chinesen in Österreich, sondern auch jene aus der Slowakei, Slowenien und Deutschland über die Geschehnisse in der Heimat. In Wien gibt es drei chinesische Schulen, die sich aus Spenden und Schulgeld finanzieren. Zudem bietet ein chinesisch- und deutschsprachig geführter Kindergarten auch eine musikalisch-künstlerische Bildung an.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 09.05.2012)


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