Polnisches Chor singt auf hohem Niveau

18.05.2011 | 11:20 | Ania Haar

Seit rund 30 Jahren schafft es „Gaudete“, ein Chor von polnischen Migranten, Musik auf hohem Niveau zu machen. Der Chor tritt häufig bei Veranstaltungen auf und bringt demnächst auch eine Jubiläums-CD heraus.

Wien. „Ich muss aber sehr schnell laufen“, sagt Michal Kucharko. „Denn wir singen heute bei der Eröffnung der Wiener Festwochen, und ich bin schon spät dran.“ Der künstlerische Leiter von Chor und Orchester der Schlosskapelle Schönbrunn hat wenig Zeit. Was unter anderem an seinen vielen Tätigkeiten liegt. So ist er etwa Assistent von Erwin Ortner, dem Gründer und künstlerischen Leiter des Arnold-Schönberg-Chors. Und so ganz nebenbei betreut er auch noch den den polnischen Chor „Gaudete“.

Kucharko liebt seine Arbeit. Und die Arbeit liebt ihn. Und so kam auch „Gaudete“ vor fünf Jahren zu seinem ohnehin schon reichhaltigen Portfolio dazu. „Sie suchten dringend einen Dirigenten“, erzählt Kucharko, der selbst gebürtiger Pole ist, „und haben mich sofort genommen. Ohne Vordirigieren.“

Aber bei den Polen geht es ohnehin nicht nur um das Singen. Es geht auch um etwas ganz anderes. „Es ist wichtig, den Menschen zu vermitteln, im Hier und Jetzt zu leben.“ Denn viele Menschen würden nur ans Geldverdienen denken. Und viele auch an die Rückkehr nach Polen. Der Chor helfe, sich von derartigen Gedanken zu lösen. „Und“, meint Kucharko, „es geht auch um soziales und persönliches Engagement.“

Polnische Wurzeln entdecken

Für all jene Polen, die wissen, dass sie in Österreich bleiben, ist das Singen im Chor ein Pflegen, aber auch ein Wiederentdecken ihrer polnischen Wurzeln. Das geht zum Teil so weit, dass Menschen ihre gesamten Terminpläne umstoßen, nur um an den Proben teilnehmen zu können. Dort geht es, abgesehen von all den anderen Dingen, aber doch vor allem um eines: um das Singen. Allerdings hält nicht jeder die Intensität der Proben und Auftritte aus. Zweimal die Woche von 20 bis 22 Uhr wird geprobt, dazu kommen regelmäßige Auftritte.

Den Chor „Gaudete“ hat der Dirigent Mateusz Synowiec vor rund 30 Jahren bei der polnischen Pfarre „Kirche der Erhöhung des Kreuzes“ am Wiener Rennweg gegründet. Und es wäre eigentlich gar nichts Außergewöhnliches dabei gewesen, wäre es nur ein ganz normaler Kirchenchor. Der ist er aber längst nicht mehr. Denn mittlerweile hat sich der Kirchenchor, der sich aus Laiensängern zusammensetzt, über die kirchliche Musik hinaus emanzipiert – und wird damit in der Öffentlichkeit immer bekannter.

Laufend erhält der Chor Anfragen, zu verschiedenen Jubiläen und bei diversen Veranstaltungen aufzutreten. Die musikalische Qualität dürfte also stimmen. Woran man überhaupt merkt, dass ein Chor gut ist? „Dass er a cappella singt“, sagt Kucharko, „und an den Aufträgen.“

In Österreich gibt es Schätzungen zufolge rund 3000 Chöre, in denen 80.000 Menschen singen. Wie viele davon rein migrantische Chöre sind, darüber weiß man wenig. Für den polnischen Chor spielt diese Überlegung aber ohnehin keine große Rolle – schließlich wollen die Polen nicht nur unter sich bleiben. Man will auch aus der Community hinausgehen – und dort die polnische Kultur repräsentieren. So geben die Mitglieder des Chors auch Konzerte speziell für österreichisches Publikum. „Wir haben aber auch schon eine Österreicherin im Chor gehabt, die Polnisch lernen wollte“, sagt Kucharko, „die Proben waren ihr dann aber zu intensiv.“ Und sie ist wieder gegangen.

Welche Stücke gesungen werden, hängt nicht nur vom Dirigenten ab, sondern auch von den Teilnehmern. „Immer mehr junge Leute kommen zu uns und fragen, ob sie mitsingen können“, erzählt Kucharko, „und das freut mich sehr. Und so passe ich das Repertoire an die Teilnehmer an.“ Dabei gebe es nichts, was man nicht singen könnte. Von Gregorianik bis Górecki.

Website und CD in Arbeit

Da der Chor immer stärker gefragt ist, präsentiert er sich demnächst auch mit einer eigenen Website – pünktlich zum 30-jährigen Jubiläum. Auch eine CD ist bereits in Arbeit.

(Ania Haar, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 18.05.2011)

 


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