„Alevi“ über den Putschversuch in der Türkei: „Das ist ein Szenario des Erdogan“

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20.07.2016 | 11:17 | Konstantin Auer

Wien, 20. Juli 2016 – Der gescheiterte Putschversuch in der Türkei am Freitag, den 15. Juli 2016, polarisiert. M-MEDIA hat sich angehört, was kleinere Religionsgruppen von Austro-Türken darüber denken. Aber auch, wie sie die Demonstrationen von Anhängern der türkischen Regierung in Wien bewerten. Befragt wurden der Bischof der syrisch-orthodoxen Gemeinde, welcher viele Austro-Türken angehören, Emanuel Aydin und der Pressesprecher der alevitischen Glaubensgemeinschaft „Alevi“, Riza Sari.

„Für uns ist eine demokratische Türkei wichtig“

Im Gespräch mit dem Chorbischof der syrisch-orthodoxen Kirche im 13. Wiener Gemeindebezirk, Emanuel Aydin, zeigt sich, dass nicht alle Austro-Türken die aktuellen Ereignisse in der Türkei so emotional erleben. Seine Gemeinde hat etwa 7.000 Mitglieder, davon haben ca. 3.000 Wurzeln im Staatsgebiet der Türkei. Als wahre Herkunft seiner Religion bezeichnet der Seelsorger aber Mesopotamien.

In seiner Gemeinde werden die Ereignisse des Putschversuches und die Reaktionen der türkischen Regierung schon verfolgt, es sei aber nicht allzu wichtig, meint der Geistliche. Schließlich gebe es in der Türkei nicht mehr sehr viele Syrisch-Orthodoxe: „Die sind alle nach Europa gekommen“. Für die, die noch vor Ort sind, gebe es aber in der Türkei keine Probleme, meint Aydin. Er glaubt auch, dass dies so bleibt, da die Syrisch-Orthodoxen „nichts mit dem Putsch zu tun haben“. Die politische Situation selbst, will er als Geistlicher nicht wirklich beurteilen, auch weil die Situation „noch nicht klar“ sei. Er meint damit, dass noch nicht geklärt ist, wer für den Putschversuch verantwortlich ist. „Für uns ist eine demokratische Türkei wichtig, eine richtige Demokratie mit Rechten für alle Minderheiten“, betont er aber. Zu den Demonstrationen in Wien äußert er sich vorsichtig: „Das sind halt Anhänger des jetzigen Regimes“. Ob Mitglieder seiner Gemeinde mitgegangen sind, weiß er nicht.

 „Das ist ein Szenario des Erdogan“

Etwas aufgebrachter wirkt hingegen der Pressesprecher der alevitischen Glaubensgemeinschaft „Alevi“, Riza Sari. Er bezeichnet den Putschversuch als „Inszenierung Erdogans“. Denn ein in der NATO (North Atlentic Treaty Organization) organisiertes Militär, das sich mit Putschen auskenne und 1,2 Millionen Soldaten habe, hätte, so Sari, den Versuch nicht nur mit 1000 Soldaten gestartet. Außerdem könne er sich nicht erklären, warum innerhalb von einer Nacht nach dem Putsch eine Liste mit Juristen und Journalisten, die entlassen und verhaftet wurden, zur Verfügung stand. Auch das Ausreiseverbot für Akademiker, welches Erdogan (der türkische Präsident – Anm.) heute verhängt hat, ist für ihn ein Anzeichen. Fethullah Gülen, den Erdogan für den Putschversuch verantwortlich machen zu scheint, ist für ihn nur ein „Buhmann“. Für die Aleviten in der Türkei bedeuten, laut Sari, die Entwicklungen vor allem eines: „Sie haben Angst“. Außerdem verurteilt er die Demonstrationen von Erdogan-Anhängern in Wien: „Es ist unerhört, dass sie die türkische Politik nach Wien tragen“. Dabei kritisiert er auch die „Allahu akbar“-Rufe („Gott ist groß“ – Anm.), welche es auf diesen Demonstrationen gegeben habe. Auch die Angriffe auf vermeintlich kurdische Lokale im Rahmen der Kundgebungen, seien für die Aleviten problematisch, da viele von ihnen Kurden sind.


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