Rassismus an der Lokaltür: „Heute nur Stammgäste“

LINK:  

12.06.2012 | 20:43 | Robert Erlachner

Im Zuge des ZARA-Lokaltestings am 26. Mai wurden Wiener Clubs auf deren Türpolitik gegenüber „nicht klassisch-österreichisch-aussehenden“ Menschen geprüft. Das Ergebnis ist insofern ernüchternd, als sich bei zwei von sieben Wiener Clubs die Erwartungen durch fadenscheinige Argumente der Türsteher bestätigten. Ein Erfahrungsbericht.

Samstag, 26.5.2012, ca. 22.00h. Treffpunkt: Nördlicher Wiener Gürtel

Als weiße Testperson habe ich mich dazu bereit erklärt beim ZARA-Lokaltesting teilzunehmen. Unsere Gruppe besteht aus insgesamt zehn Personen. Sechs davon fungieren als Testpersonen (zwei Personen mit schwarzer Hautfarbe, zwei mit weißer Hautfarbe und zwei Personen mit arabisch/türkischem Aussehen – alle männlich). Begleitet werden wir von Claudia, Dina und Georg von ZARA sowie unserem Kameramann. Auf unserer Testing-Liste stehen ausschließlich Lokale bzw. Clubs, welche bei der ZARA-Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen von Rassismus bereits mehrmals aufgrund derer diskriminierender Einlasspolitik gemeldet wurden.

Lokal-Testing als wissenschaftliche Methode

Um möglichen Gründen für ein etwaiges Zutrittsverbot zu den Lokalen vorzubeugen, sind wir alle ca. im selben Alter und sprechen perfekt Deutsch. Zusätzlich wurde ein `Dresscode` vereinbart: Gepflegtes Auftreten, dunkle Hose, schwarzes Hemd und Lederschuhe. Somit besteht unser einziges oberflächliches Unterscheidungsmerkmal in unserer Hautfarbe. Diese Vorgehensweise beruht auf einer wissenschaftlich anerkannten Methode, deren Ursprung in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung liegt und dazu dienen sollte, Rassismen und Diskriminierungen zur Bekämpfung der Segregation aufzuzeigen. In Europa wird diese Methode von anti-rassistischen Netzwerken seit 15 Jahren angewandt.

Europäische Lokal-Testing-Nacht

Wien ist nicht die einzige Stadt Europas, in welcher an diesem Abend verschiedene Lokale und Clubs einem Testing unterzogen werden. Im Zuge der zivilgesellschaftlichen Initiative des `European Grassroots Antiracist Movement` (EGAM) gegen rassistische und ethnische Diskriminierung werden an diesem Abend auch Städte in Frankreich (Paris, Rennes, Nice), Italien (Palermo), Norwegen (Oslo), Rumänien (Alexandria, Turnu, Magurele) und Serbien (Belgrad) zu Schauplätzen einer stichprobeartigen Überprüfung. Bereits im Mai und Juni des Vorjahres wurden auf Initiative von EGAM Testings von diversen Menschenrechts- und Anti-diskriminierungs-Organisationen in Europa durchgeführt.

Schauplatz Wien

Nach einer kurzen Besprechung der Vorgehensweise und des Ablaufs beginnt das Testing. Wir bilden zwei Dreierteams. Jedes besteht aus einer schwarzen, einer arabisch/türkischen und einer weißen Testperson, wobei die jeweils schwarze Person beginnt und die weiße als letztes an der Reihe ist. Jede Person versucht einzeln ins Lokal zu hineinzugelangen und wird zuvor von unserem Kameramann Georg verkabelt. Dadurch wird es für Claudia und Dina möglich, mithören zu können, was am Eingang vor sich geht. Die Anweisung ist klar: Wird einer Person der Lokalzutritt verweigert, fragt diese den Türsteher nach dessen Begründung. Um konfliktbeladene Situationen zu vermeiden, hört sich die Testperson die Begründung an, gibt sich mit dieser zufrieden und entfernt sich dann vom Eintritt. Die Konfrontation mit den Türstehern in Begleitung unseres Kameramanns erfolgt situationsbedingt ausschließlich vom ZARA-Team selbst.

Beim ersten Testlokal am Wiener Gürtel wird sowohl der ersten, als auch der zweiten Testperson der Eintritt mit der Begründung „heute nur Stammgäste“ verweigert. Die weiße Testperson kommt daraufhin ohne jegliche Probleme ins Lokal, ohne dass diese zuvor jemals nur einen Fuß in das Lokal gesetzt hätte.

Beim Testing des zweiten Lokals kommt es zu einem ähnlichen Szenario. Während die erste Testperson nach anfänglichem Zögern der Türsteher zwar schließlich durchgewunken wird, wird der zweiten Testperson mit der obigen Begründung der Zutritt verweigert. Da heute nur Stammgäste ins Lokal dürfen, solle dieser doch unter der Woche nochmal vorbeikommen. Ich als weiße Testperson habe, ohne das Lokal je zuvor betreten zu haben, wiederum keine Probleme beim Zutritt. Während mir eine ca. vier- bis fünf-köpfige Gruppe türkisch/arabisch aussehender Personen auffällt, die mit einem Türsteher vor dem Lokal diskutiert, werde ich höflich hineingebeten, ohne gefragt zu werden, ob ich schon öfters hier gewesen sei. Das Lokal selbst ist gut gefüllt. Ich kann beobachten, dass sich das Publikum zu ca. 90% aus klassisch-österreichisch-aussehenden Personen zusammensetzt. Nach ca. drei bis vier Minuten verlasse ich das Lokal wieder.

Bei der darauf folgenden Konfrontation mit dem Türsteher des zweiten Clubs bezüglich dessen Einlassverweigerung reagiert dieser mit Empörung und weist jegliche rassistischen Motive von sich. Schließlich würde dieser sich die Personen beim Eintritt vorher genau anschauen und dann entscheiden, ob diese einen „freundlichen Eindruck machen und zum Lokal passen“. Der Türsteher des als erstes getesteten Lokals ließ sich auf die Fragen des ZARA-Teams nicht ein, sah sich hinsichtlich des Filmens unseres Kameramanns in dessen Privatsphäre verletzt und verständigte daraufhin die Polizei. Als ich wieder zum ZARA-Team stoße, kann ich vernehmen, dass einer der zwei Polizisten unseren Kameramann mit den Worten „Leute wie ihr werdet es wohl nie verstehen“ verabschiedet. Unweigerlich muss ich an das Vertauschen zwischen Täter- und Opferrolle denken.

Im Gegensatz zu den ersten beiden Stichproben, verlief das Testing weiterer fünf Lokale/Clubs im 1. Wiener Bezirk reibungslos: Allen Testpersonen wurde ausnahmslos der Zutritt zu den jeweiligen Räumlichkeiten gewährt.

Rund ein Drittel der Lokale durchgefallen

Wie kann man mit einem solchen Ergebnis nun umgehen? Welche Schlüsse kann man daraus ziehen? Faktum ist, dass wir uns als Testpersonen lediglich durch ein einziges äußerliches Merkmal unterschieden haben, womit hinsichtlich der ersten beiden Lokale der Schluss nahe liegt, dass eben diese eine Oberflächlichkeit den Unterschied ausmachte. Da das Kriterium „Stammgäste“ spätestens mit dem problemlosen Eintritt der zwei weißen Testpersonen haltlos wurde, kann der Hergang zwar nicht als unmittelbare Diskriminierung (z.B. „Du darfst nicht ins Lokal weil du schwarz bist.“), jedoch als mittelbare bzw. indirekte Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe eingestuft werden. Bewertet man die beiden ersten Lokale als „durchgefallen“, so ergibt sich bei einer Stichprobe von sieben Clubs ein Prozentsatz von knapp 29% im Hinblick auf eine rassistische bzw. diskriminierende Türpolitik. Betrachtet man den zweiten Club als nur „halb durchgefallen“ (immerhin wurde die erste Testperson nach kurzem Zögern ja hineingelassen), so ergibt sich immerhin noch ein Prozentsatz von über 21%. Wien liegt mit diesem Ergebnis ca. auf einer Linie mit den anderen getesteten europäischen Städten, welche Teil der EGAM `European Testing Night` waren. Denn: „[M]ore than 25% of the people were denied access because they are blacks, arabs, or Roma“.

Das Recht auf Gleichbehandlung

Diskriminierung und Rassismus in Österreich sind keine Eintagsfliege und schon gar kein Ausnahmephänomen einer derzeit kriselnden (sozio-)ökonomischen Situation. Es sind Phänomene, die kontinuierlich und ausnahmslos in allen Bereichen der Gesellschaft zu Tage treten und zur ernstzunehmenden Gefährdung unserer historisch gewachsenen multi-kulturellen Gesellschaft werden. Allein im Vorjahr wurden 706 rassistische Vorfälle von ZARA dokumentiert, wobei die Dunkelziffer bei weitem höher sein dürfte, da nicht davon auszugehen ist, dass alle Fälle von Rassismus und Diskriminierung auch gemeldet werden. 18% der dokumentierten Fälle liegen im Bereich `Güter und Dienstleistungen`. Auch das „Leider nein“ oder „Heute nur Stammgäste“ im Hinblick auf Lokale und Clubs sind dieser Kategorie zuzuordnen.

Das österreichische Gleichbehandlungsgesetz verbietet Diskriminierung gegenüber Personen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung und bietet dafür Sanktionsmöglichkeiten. Bei Diskriminierung kann gemäß Artikel III Abs 1 Z 3 EGVG und dem 3. Teil des Gleichbehandlungsgesetzes gegen LokalbesitzerInnen/TürsteherInnen/Servicepersonal vorgegangen werden. Das Strafausmaß kann bis zu 1.090 Euro betragen. Die Missachtung des Gesetzes kann sogar zum Entzug der Gewerbeberechtigung führen.

„Integration durch Leistung?“

Der Slogan „Integration durch Leistung“ ist spätestens seit Einrichtung des im Innenministerium angesiedelten Integrationsstaatssekretariats in aller Munde. Das Lokal-Testing hat jedoch gezeigt, dass die Hautfarbe als wohl offensichtlichstes Unterscheidungsmerkmal den Unterschied zwischen `Stammgast` und `Nicht-Stammgast` ausmacht. Dem Faktum, dass drei der vier `nicht-weißen` Testpersonen in Österreich geboren sind, ihren Schulabschluss in Österreich gemacht haben und jetzt hier arbeiten und/oder studieren, ist ihnen allen Diskriminierung als alltägliche Begleiterscheinung aufgrund ihrer Hautfarbe keineswegs fremd. Kaan, eine der Testpersonen mit türkisch/arabischem Aussehen, ist 23 Jahre alt und hier in Österreich geboren. Er besuchte ein Gymnasium für Informatik und studiert nun. Stolz erzählt er, dass er fast nur `Österreicher` als Freunde hat. Nichts desto trotz sei es beim Fortgehen schon öfters passiert, dass nur ihm als Teil einer Gruppe von fünf bis sechs Personen der Zutritt zu gewissen Clubs verweigert wurde. Rahman, eine weitere hier in Österreich geborenen Testperson, ist dies – wie er sagt – schon „hundert Mal“ passiert. Die Floskel „heute nur Stammgäste“ sei dabei nur allzu oft gefallen. Oftmals werde die Entscheidung der Türsteher gar nicht begründet. `Integration durch Leistung` klingt in diesem Kontext nach gruseligem Zynismus.


Kommentieren Sie den Artikel





Weitere Artikel von Robert Erlachner