Religion: „Muslime müssen Demokratieprüfung bestehen“

04.02.2009 | 19:00 | Nasila Berangy

Islamischer Religionsunterricht steht im Kreuzfeuer der Kritik – ein Religionspädagoge sucht nach den Ursachen. Adäquate Ausbildung in Österreich gibt es erst seit Kurzem.

WIEN. Die Debatte um islamische Religionslehrer reißt nicht ab: Jahrzehntelang wurden die Lehrkräfte aus islamischen Ländern nach Österreich geholt. Eine adäquate Ausbildung in Österreich gibt es erst seit Kurzem.

Warum? „Die Menschen sind als Gastarbeiter nach Österreich gekommen und haben erst viel später wahrgenommen, dass sie tatsächlich Einwanderer sind“, meint der Religionspädagoge Ednan Aslan. „Andererseits hat Österreich auch sehr lange nicht registriert, dass es in der Realität ein Einwanderungsland ist. Dementsprechend wurde auch spät darauf reagiert, auf beiden Seiten. Dies trifft im Übrigen auch für andere Bereiche des Lebens, wie etwa die Bildung, zu.“

Dass das Image der Muslime in Österreich angekratzt sei, ist für Aslan auch damit zu begründen, dass „das Bild, das Muslime von sich in Österreich und in Europa zeigen, kein glückliches ist. Dementsprechend ist die Wahrnehmung, die die Öffentlichkeit vom Islam hat.“ Dieses sehr kritische Bild ist durch eine Dissertation des Soziologen Mouhanad Khorchide geschärft worden. Basierend auf der Auswertung von Fragebögen kommt er zu dem Schluss, dass ein Fünftel bis ein Viertel der in Österreich tätigen Islamlehrer ein Problem mit dem demokratischen Grundverständnis habe – mit Demokratie und Verfassung. Dieses Ergebnis ist möglicherweise auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass bis vor Kurzem viele Islamlehrer aus islamischen Ländern nach Österreich geholt worden sind.

In diesem Umfeld ist auch die relativ hohe Zahl jener zu sehen, die sich vom islamischen Religionsunterricht abmelden, an dem derzeit etwa 35.000 bis 50.000 Schüler teilnehmen. Genaue Austrittszahlen sind weder bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft noch beim Stadtschulrat zu bekommen. In besagter Dissertation ist davon die Rede, dass bis zur Hälfte der Schüler von diesem Religionsunterricht abgemeldet würde.

Mädchen küsst keine Hände

Armita ist eine von ihnen. Ihre Mutter beobachtete ein Jahr lang den islamischen Religionsunterricht und entschied sich, ihre Tochter abzumelden. Die Skepsis war gleich zu Beginn genährt worden: In den Unterrichtsbüchern waren ausschließlich verschleierte Frauen abgebildet. „Mein Großvater war ein religiöser Mann und hat oft mit uns über den Islam gesprochen“, erinnert sich die Mutter. „Aber dass die islamische Frau verschleiert sein muss – so wurde ich nicht erzogen.“ Einer der entscheidenden Punkte für die Abmeldung war dann, als der Religionslehrer die Kinder fragte, ob sie denn – als Dankeschön für Geschenke zum Opferfest – den Eltern die Hände geküsst hätten. „Meine Tochter hat natürlich verneint. Und sie wurde dafür getadelt. Das war für mich ein Skandal“, so die Alleinerzieherin.

Über die Diskussion rund um die Dissertation über islamische Religionslehrer ist Religionspädagoge Aslan jedoch eher überrascht, denn „seit 25 Jahren gibt es diese Schulbücher und erst jetzt – nach Veröffentlichung der Studie – wird darüber diskutiert“, so Aslan.

Eine Ausbildung von Islamlehrern in Österreich ist gerade einmal zehn Jahre alt. Seit 1998 gibt es an der Islamischen Religionspädagogischen Akademie (IRPA) den privaten Studiengang für das Lehramt für Islamische Religion an Pflichtschulen. Islamische Religionslehrer für höhere Schulen werden erst seit dem Wintersemester 2006/07 im Masterstudiengang „Islamische Religionspädagogik“ an der Universität Wien ausgebildet. Nächste Woche wird die erste Absolventin fertig.

Ednan Aslan meint, dass in der Ausbildung wichtig sei, Theologie in der Gegenwart zu sehen und kritisch zu betrachten, auch infrage zu stellen – „Das bedeutet aber nicht, dass wir die Tradition ablehnen.“ Und weiter: „Wir müssen ständig daran arbeiten, damit der Islam zukunftsorientiert bleibt.“ Sicher ist für ihn jedenfalls: „Die Muslime müssen eine Demokratieprüfung bestehen.“ (SHAGHAYEGH BANDARI)

„Die Presse“, Print-Ausgabe, 04.02.2009


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