Österreich: Kein „El Dorado“ für Nigerianer

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VEREIN FÜR NIGERIANER IN ÖSTERREICH
  • NANCA: Der Verein „National Association of Nigerian Community Austria“ wurde am 29. September 2000 von zehn Mitgliedern der nigerianischen Community ins Leben gerufen. Die Vereinigung hat Sitze in Wien, Graz, Innsbruck und Salzburg.
  • In Wien hat NANCA zwischen 400 und 500 Mitglieder, Nach dem Tod von Marcus Omofuma organisierten die Gründer schon Demonstrationen, bevor die Organisation offiziell gegründet wurde.
  • Präsident: Dominik Aghaizu ist der Präsident der Organisation. 1950 in Nigeria geboren, lebt er seit 1981 in Österreich. Er ist mittlerweile österreichischer Staatsbürger, mit einer Österreicherin verheiratet und hat zwei Kinder.
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16.09.2008 | 8:23 | Clara Akinyosoye

Viele Nigerianer, die ihre Heimat in Richtung Österreich verlassen, sind enttäuscht – ihr Traum von Unabhängigkeit und Wohlstand erfüllt sich oft nicht. Der Verein NANCA versucht, ihnen zu helfen.

„Als ich nach Österreich gekommen bin, brauchte ich kein Visum, nur ein Leumundszeugnis“, stellt Dominik Aghaizu, gebürtiger Nigerianer fest, „aber die Situation hat sich geändert.“ 1981 kam er nach Wien, um Pharmazie zu studieren. Jetzt ist er Apotheker und fungiert außerdem als Obmann einer nigerianischen Organisation, die es sich zum Ziel gemacht hat, Nigerianer in Österreich zusammenzubringen.

Die meisten afrikanischen Zuwanderer in Österreich stammen aus Nigeria. Laut Angaben der Statistik Austria leben knapp mehr als 6000 Menschen mit nigerianischem Pass in Österreich. Der Großteil der hier ansässigen Nigerianer lebt in Wien. Der Rest verteilt sich auf die anderen Bundesländer, wobei in der Steiermark und in Oberösterreich die Zahl der nigerianischen Migranten verhältnismäßig größer ist als in den übrigen Bundesländern.

Eine der wichtigsten Organisationen, in denen die Neo-Österreicher aus Nigeria organisiert sind, hört auf den Namen NANCA. Die National Association of Nigerian Community Austria versucht, Menschen nigerianischer Herkunft zu vernetzen und gemeinsam nach außen auftreten zu lassen. Vor acht Jahren wurde die Organisation von einer Gruppe engagierter Mitglieder der nigerianischen Community gegründet, unter ihnen auch Aganga Williams, Kreditmanager in einer großen österreichischen Bank – er wurde erster NANCA-Präsident.

Anlassfall Omofuma

Mittlerweile hat Dominik Aghaizu dieses Amt übernommen: „Ich investiere meine Energie, Zeit und Geld, weil es wichtig ist“, erklärt er. Und er erinnert sich an die ersten Tage und an den Grund, warum der Verein im Jahr 2000 aus der Taufe gehoben wurde: Es war der tragische Tod von Marcus Omofuma, der während seiner Abschiebung nach Nigeria in einem Flugzeug verstorben ist. Drei Fremdenpolizisten hatten den 25-jährigen Asylwerber an Händen und Füßen gefesselt, über den Brustkorb an den Sitz geschnallt und ihm Kinn, Mund und Nase mit Klebeband verklebt. Omofuma erstickte.

NANCA führt nun jährlich unter anderem Bewusstseinstage für die Gesundheit, Frauentage und Veranstaltungen durch, in denen Gesetze, wie etwa das Asylrecht und Persönlichkeitsrechte mit fachkundigen Experten wie Anwälten und Magistratsmitarbeitern besprochen werden. Außerdem, so Aghaizu, ist es NANCA ein Anliegen, „eine andere Seite von Nigeria“, jenseits des stereotypen Negativimage aufzuzeigen. „Wir wehren uns dagegen, dass jeder Nigerianer ein Drogendealer sein soll und jede junge nigerianische Frau eine Prostituierte.“ Ein Bild, das in den Köpfen vieler Menschen immer noch vorherrsche.

Die Motive für die Auswanderung schwarzer Menschen aus Afrika in europäische Länder, wie Österreich, sind unterschiedlich. Ausschlaggebend sind oft soziale, politische und wirtschaftliche Faktoren in den Herkunftsländern. Kriege, Verfolgung, Armut, fehlende Aussichten auf Arbeit oder der Wunsch nach einer Ausbildung im Ausland – all dies sind vor allem für junge Menschen gute Gründe, alles Geld zusammenzusparen und die Reise ins Ungewisse zu wagen. Oft legt dafür die ganze Familie zusammen.

Doch all die guten Gründe ändern nichts daran, dass am Ende oft Enttäuschung bei den Auswanderern einkehrt. Es herrsche in Afrika ein Irrglaube vor, über dem Meer befände sich eine Art „El Dorado“, meint Aghaizu. Ein Irrtum, den viele erst dann erkennen würden, wenn sie schon angekommen sind. Als Asylwerber, ohne die Möglichkeit zu arbeiten – zum Teil jahrelang –, erfüllt sich der Traum vom Leben in Unabhängigkeit und Wohlstand oft nicht.

Viele schwarze Menschen, die sich in Österreich niedergelassen haben, leiden zudem unter den zahlreichen Pauschalisierungen als Krimineller oder „Scheinasylant“. Frauen werden häufig mit Sexarbeit, Männer mit Drogengeschäften in Verbindung gebracht. „Es tut weh“, erklärt Moshood Abas, ebenfalls gebürtiger Nigerianer, aber die Schuld läge zunächst bei den Dealern, findet er.

Aber nicht nur bei ihnen – so gibt es auch Stimmen, die auf österreichischer Seite eine differenzierte Betrachtungsweise und Berichterstattung über Afrikaner fordern. So kritisierte etwa Esperance Bulayumi in seinem Buch „Dealer wider Willen?“ besonders die Berichte der „Kronen Zeitung“ – sie würden zu dem negativen Image schwarzer Menschen beitragen.

Kinder mit Österreicherin

Abas verließ im Jahr 1983 Nigeria mit dem Bestreben, in Österreich zu studieren und dann in seine Heimat zurückzukehren. Doch „der Gedanke, wieder nach Hause zu gehen, ist langsam vergangen“, erklärt er. Auch, weil die wirtschaftliche Lage in Afrika mit den Jahren immer schlechter wurde und er sich zudem in Österreich ein neues Leben mit Frau und Kindern aufgebaut hatte.

Er besuchte einen zweijährigen Marketing- und einen Exportmanagementlehrgang am Wifi und machte danach seinen Universitätsabschluss in Betriebswirtschaft. Trotzdem fand Abas nach seinen ersten Berufserfahrungen zwei Jahre lang keine Anstellung. Ob das an Rassismus vonseiten potenzieller Arbeitgeber gelegen haben könnte, kann Abas nicht ausschließen. Annehmen würde er es aber auch nie.

Sein jetziger Job – er ist Angestellter in einer Druckereifirma – hat zwar nichts mit dem zu tun, was er studiert hat, aber zufrieden ist er damit auf jeden Fall. Der Afro-Österreicher, der seit mittlerweile 25 Jahren in Österreich lebt und in seiner neuen Heimat sehr glücklich zu sein scheint, hat nur eines zu bemängeln – in Richtung Asylgesetz und Vorurteilen von Arbeitgebern: „Wenn man Menschen nicht arbeiten lässt, ist das eine schlimme Verschwendung von Human Ressources“.


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