Roma: Mit neuem Selbstbewusstsein gegen Klischees

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07.04.2010 | 19:20 | Ilona Antal

Wie junge Roma damit umgehen, oft mit Stereotypen und abfälligen Bemerkungen konfrontiert zu werden.

Spielst du Geige? Hast du ein Zelt? Kannst du mir die Zukunft voraussagen? „Auf solche Fragen gehe ich gar nicht mehr ein“, sagt die Studentin Katharina Janoska. Die 22-Jährige kommt aus dem Burgenland, ist eine Romni und repräsentiert eine neue Generation von Roma, die ihre Herkunft selbstbewusst nach außen tragen – und sich gegen Klischees wehren.

Dazu gehört in erster Linie das bewusste Ablehnen der Fremdbezeichnung „Zigeuner“, die auch von den Nazis geprägt wurde. Doch damit ist die Sache nicht erledigt. Mit Klischees werden Roma wie Janoska trotzdem ständig konfrontiert: „Du sprechen Deutsch“, wurde sie als Verkäuferin einer Libro-Filiale an der Kassa gefragt. „Es war schlimm“, erzählt sie. „Ich sprach Hochdeutsch mit ihm, er hörte aber nicht auf, so mit mir zu sprechen.“ Nach Dienstschluss brach sie dann in Tränen aus.

„Wir tanzen nicht um ein Lagerfeuer herum“, sagt auch der 29-jährige Bruder von Katharina, um sich gegen die Klischees zu wehren. Feri Janoska studiert Geschichte, Psychologie und Philosophie als Lehramt, unterrichtet an der Volkshochschule Poly-College und betreut Schüler eines Gymnasiums in Wien-Favoriten. „Es lastet ein doppelseitiger Druck auf uns“, sagt er. „Wenn ich etwas falsch mache, fällt das gleich auf alle Roma.“ Das Problem dabei: Die Roma werden von der Mehrheitsgesellschaft fast nur mit negativen Stereotypen in Verbindung gebracht: das arme, bettelnde Nomadenvolk.

„Man fühlt sich durch die Bettler in seinem Wohlstand gestört“, kommentiert Fevzije Bahar, Sprecherin der internationalen Romani Union, die Ablehnung der Roma.

„Ihr schaut zu schlimm aus“

Mit Ablehnung ist auch Zeljko Jovanovic konfrontiert worden. Der Betreiber des Szenelokals „Werkzeug H“ im fünften Wiener Gemeindebezirk wollte unlängst an einer Informationsveranstaltung über Verheiratung und Verpartnerung in Wiener Lokalen teilnehmen, wie er erzählt. „Der sozialdemokratische Wirtschaftsverband hat zu einer Tagung im Hotel Intercity eingeladen“, sagt der Rom. Weil er diese neue Möglichkeit auch nutzen wollte, meldete sich Jovanovic an. In der Hotellobby wurde er allerdings mit Naserümpfen empfangen, schließlich habe man ihm den Zutritt zur Veranstaltung verwehrt, mit den Worten: „Ihr schaut zu schlimm aus.“ So ganz glauben kann Jovanovic immer noch nicht, was ihm da widerfahren ist – er will die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Als er am nächsten Tag im Hotel anrief und eine Stellungnahme zu dieser Sache forderte, habe man ihm gesagt, es liege an seiner Kleidung.

„Auf der Einladung stand nicht, dass es einen Dresscode gibt“, sagt Jovanovic, während er seinen Laptop einschaltet. Er zeigt Fotos von dem Abend: Sein Sohn und er halten die Einladung in der Hand, beide tragen Hemd und Hose. Auf Jovanovics Beschwerden bei verschiedenen Stellen bekam er immer dieselbe Antwort: „Das ist nun einmal so.“ Informationen über Hochzeiten in seinem Lokal hat er zwar immer noch keine; eine Erklärung, warum er nicht eingelassen wurde, schon: „Die wollen keine Roma dort haben.“

Man müsse Roma im Alltag sichtbar machen, sowohl „oben“ auf der gesellschaftlichen Leiter als auch „unten“, sagt Bahar. „Es gibt nun mal kein Handbuch, wie Roma funktionieren.“ Bahar bemängelt trotz vieler positiver Beispiele das Zusammenleben zwischen der Mehrheitsgesellschaft und jener der Roma. Jovanovic mag ein Beispiel hierfür sein. Der Rom aus Serbien hat sich – entgegen allen Klischees – in Österreich niedergelassen und betreibt seit vier Jahren erfolgreich sein Lokal, kocht selbst vegetarische und vegane Gerichte und lädt seine Gäste oftmals zu einem Gratisessen ein. Das schützt ihn allerdings nicht vor Diskriminierungen.

Bahar wendet sich in ihrer Analyse aber auch an die Roma: „Die Festigung der eigenen Identität, der eigenen Wurzeln ist zunächst sehr wichtig.“

Vertrauen der Roma gewinnen

„Wir sind die Unsichtbaren“, sagt Gilda-Nancy Horvath, Mitarbeiterin von Thara, der Beratungsstelle für Roma. Sie ist oft die erste Anlaufstelle, wenn es um Fragen bezüglich Roma geht – Horvath ist Sprecherin des Netzwerks der Roma-Vereine in Österreich.

„Meine Lehrerin war froh mich los zu sein“, meint die 27-Jährige. Nach einem schweren Schicksalsschlag in der Familie musste sie die Schule mit 17 Jahren abbrechen, um die Vormundschaft für ihre drei jüngeren Geschwister zu übernehmen. Später hat sie die Matura nachgeholt und arbeitet heute als freie Journalistin für den „Standard“ und „Augustin“ sowie für diverse Radiosender.

„Ich wusste, ich muss meine Leute erreichen“, sagt sie. Sie wolle nicht nur die Medien als Sprachrohr für die Roma nutzen, sondern dabei auch ihr Vertrauen gewinnen. Das Problem für jugendliche Roma sei aber noch heute die Intoleranz ihnen gegenüber. „Eine Chance auf eine Lehr- oder Arbeitsstelle hatten unsere Kursteilnehmer erst, als sie aufhörten zu erwähnen, dass sie Roma sind.“

(ILONA ANTAL, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 07.04.2010)


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