„Skandalurteil“: Polizisten-Pension wegen Homosexualität um ein Viertel gekürzt

INFOBOX:
  • Ewa Dziedzic:
  • Politikerin (Die Grünen)
  • Politologin
  • Sprecherin: Grüne Frauen Wien
  • LGBTI-Sprecherin der Grünen
  • Bundesrätin

21.07.2016 | 9:25 | Konstantin Auer

Die Entlassung eines ehemaligen Wiener Polizisten auf Grund seiner Homosexualität im Jahre 1976 ist weiter aktuell. Da kürzlich eine Richterin am Bundesverwaltungsgericht das Urteil von damals verteidigte. Der ehemalige Revierinspektor wollte seine Pension einklagen, welche ihm bis heute strafweise um ein Viertel gekürzt wird. 

Wien, 19. Juli 2016 – Vor 40 Jahren wurde der ehemalige Polizist U. H. (er möchte anonym bleiben) wegen der Sonderstrafbestimmung nach dem Paragraph 209 des Strafgesetzbuches entlassen und zu drei Monaten Kerker, verschärft durch einen Fasttag im Monat, verurteilt. Zu dieser Zeit war er 32 Jahre alt und seit 13 Jahren mehrfach ausgezeichneter Polizeibeamter. Wäre er heterosexuell, wäre er das vielleicht immer noch, denn so durfte er kein Verhältnis mit einem unter 18-Jährigen Mann haben. Für lesbische und heterosexuelle Kontakte war die Grenze 14 Jahre.

Die Disziplinarkommission bei der Bundespolizeidirektion sprach damals wörtlich von einer „abwegigen Neigung“ und davon, dass der Mann „eine der denkbar schwersten Pflichtverletzungen“ begangen habe. Dabei fanden die sexuellen Kontakte ausschließlich im Privaten statt. Die Disziplinarstrafe ist immer noch aufrecht, weshalb der heute 74-Jährige nie wieder als Polizist arbeiten konnte und seine, nach der kurzen Arbeitszeit, geringe Pension um 25 Prozent gekürzt wurde.

2016: Immer noch „eine der denkbar schwersten Pflichtverletzungen“

2002 musste Österreich auf Druck des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Paragraph 209 streichen. Nach mehreren langwierigen Gerichtsverfahren, wurde 2015 die Pension nachgezahlt, allerdings wurden 20 Jahre (1976-2002) nicht mitgerechnet. Dagegen wurde jetzt Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht. Die Richterin Schidlhof entschied aber, dass keine Diskriminierung vorgelegen habe. Für sie stellten die Handlungen, welche heute für alle legal wären, immer noch „eine der denkbar schwersten Pflichtverletzungen“ dar.

Ewa Dziedzic: „Das ist eine Bringschuld für die Republik“

Der Fall wurde vor allem von den Grünen an die Öffentlichkeit getragen. Für deren Sprecherin für LGBTI-Angelegenheiten, Ewa Dziedzic, , ist dies ein „Skandalurteil“. „Diese sexuellen Kontakte fanden im Privaten statt, also nicht in Verbindung mit seinem Job. Wäre er heterosexuell gewesen, wäre das alles kein Problem gewesen“, betont sie. Es geht der Bundesrätin aber nicht nur um das Urteil von heuer und darum, dass das Urteil von 1976 gerechtfertigt wurde. Sondern auch darum, dass „diese Leute in Österreich nie amnestiert, nie rehabilitiert, nie entschädigt wurden“. Sie spricht von tausenden Betroffenen, die bis 2002 vor allem aus dem staatlichen oder staatsnahen Dienst entlassen wurden. Der Grüne Justizsprecher, Albert Steinhauser, hat deswegen einen Antrag für ein Rehabilitierungs- und Entschädigungsgesetz geschrieben, den die Grünen aus aktuellem Anlass abermals in den Justizausschuss einbringen wollen. Denn laut Dziedzic handelt es sich „um eine Bringschuld der Republik und nicht um eine Holschuld der Betroffenen“.

Im Zusammenhang mit dem ehemaligen Polizisten, der sich jetzt abermals an Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof wenden wird, spricht Dziedzic auch die Schwierigkeit des Outings im Berufsleben allgemein und bei der Polizei speziell an. Weil „nämlich die Polizei sehr hierarchisch aufgebaut ist und dort ein bestimmtes Männerbild sichtbar wird“. Außerdem kritisiert sie, dass „von der Polizei homophobe und transphobe Übergriffe nicht als solche erfasst werden“. Die Grünen überlegen jetzt, den Betroffenen aus dem BürgerInnen-Initiativfonds (BIV), in welchen Grüne Abgeordnete monatlich einzahlen, finanziell zu unterstützen.

Auch für den Verein der „Gay Cops Austria“ ist die Rechtsprechung der Richterin „befremdend und mit nichts zu erklären oder zu rechtfertigen“. Der Obmann der Vereines, Josef Hosp, meint: „Ich sehe in der Kündigung sehr wohl eine Diskriminierung und spätestens nach Aufhebung dieser Sonderstrafbestimmung im Strafgesetzbuch, hätte nach meiner Einschätzung eine Rehabilitierung im vollen Ausmaß erfolgen müssen“. M-MEDIA hat auch die anderen politischen Parteien im Parlament um eine Stellungnahme gebeten, von diesen wollte sich aber keine zu dem Fall äußern.


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