Studie: „Stolz, Österreicher und Muslim zu sein“

AUF EINEN BLICK
  • Pünktlich zur Tagung „Vernetzungstreffen Männerpolitik und Männerarbeit“ am 16.Juni (Anmeldung unter ✆01/711 00 3445 oder per Mail an florian.wimmer@bmask.gv.at), mit dem Schwerpunkt „Männerbilder und Migration“, wird die Studie „Das sind wir! Junge muslimische Männer in Österreich“ auf der Homepage des Sozialministeriums veröffentlicht.
WEITERE INFORMATIONEN POLITIK
  • Die muslimischen Burschen geben überproportional häufig an, die SPÖ zu wählen (52 %), die nicht- muslimischen hingegen die FPÖ zu 25 Prozent und das BZÖ  zu 4 Prozent. Zudem wird sichtbar, dass rund 71 Prozent der Muslime sich wünscht mehr muslimische Politiker als Vertretung ihrer Anliegen  in Österreich, dem stimmen aber nur 14 Prozent aus der Vergleichsgruppe zu.
TAGUNG: Vernetzungstreffen männerpolitik und männerarbeit
  • Ort: Radetzkysaal im BMVIT, Radetzkystraße 2, 1030 Wien
  • Termin: 16.6. 2010, 10:00 – 17:00
  • 10:00 Begrüßung durch Bundesminister Rudolf Hundstorfer
  • 10:15 – 13:00 „Männerpolitik“
  • Dr.in Angela Icken (Leiterin des Referates für Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer imBundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Abt. Gleichstellung, Chancengleichheit, Deutschland)
  • „Jungen und Männer in der Gleichstellungspolitik Deutschlands"
  • Mag. Kenan Güngör (Sozialwissenschaftler, Integrationsberater)
  • „Männerbild und Integration“
  • Univ. Prof. DDr. Paul M. Zulehner (Männerforscher, Soziologe, Theologe)
  • Arbeitstitel: „Männerpolitik im Bewusstsein der Öffentlichkeit“
  • Diskussion mit den ReferentInnen
  • 13:00 – 14:00 Mittagspause – Buffet
  • 14:00 – 17:00 „Männerarbeit“
  • Christoph Walser (Dipl. Coach, Lehrbeauftragter für Genderfragen an der Universität Luzern, freiberuflich tätig im Bereich Männerarbeit in der Schweiz)
  • „Männerarbeit heute – Trends und Perspektiven“
  • Mag. Jonni Brem (Leiter der Wiener Männerberatungsstelle)
  • „Männerberatung in Österreich und die Kosten der Gewalt“
  • Dr. Hüseyin Kalaycı (Pädagoge, Soziologe, Psychologe, stellv. Leiter von MEN)
  • „Transkulturelle Männerarbeit“
  • Diskussion mit den Referenten
  • 16:45 Schlussstatement und offizielle Verabschiedung seitens des BMASK
  • Moderation: Abteilungsleiter Dr. Johannes Berchtold
 

14.06.2011 | 20:16 | Ania Haar

Österreichs junge, männliche Muslime sind schlechter ausgebildet als ihre Altersgenossen, haben eher konservative Vorstellungen von Familienleben und fühlen sich von der Politik nicht adäquat beachtet.

 

Wien. „Ich möchte, dass die FPÖ weg ist. Die beschimpfen immer den Islam, aber wir haben nichts getan. Wenn ich Bundeskanzler werde, werde ich die FPÖ verbieten, dann wird es besser.“ Mit diesen Worten wird der 15-jährige Mohamed zitiert. Der Österreicher mit ägyptischen Wurzeln, Schüler der Al Azhar International School in Wien, gehört zu einer Gruppe junger Muslime, die im Rahmen einer österreichweit angelegten Studie zu ihren Einstellungen befragt wurden.

„Das sind wir! Junge muslimische Männer in Österreich“, lautet der Titel des Forschungsprojekts, das von der Sozialwissenschaftlerin Edit Schlaffer im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz geleitet wurde. Befragt wurden 407 muslimische und 581 nicht muslimische Burschen von 15 bis 25 Jahren im Zeitraum von April 2008 bis Februar 2009. Nun liegen die Ergebnisse dieser Studie, die am Donnerstag veröffentlicht wird, der „Presse“ exklusiv vor.

Leben in der Parallelwelt?

Wie leben junge muslimische Männer in Österreich? In einer Parallelwelt, so ein Ergebnis der Studie. Was der Begriff „Parallelwelt“ bedeutet, wird allerdings nicht erklärt. Es wird lediglich beschrieben, dass dies „nicht nur eine ideologische, sondern auch chancenreduzierende“ sei. Und das beginnt schon bei der Ausbildung.

So trennen sich die Ausbildungswege der muslimischen und nicht muslimischen Jugendlichen schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt. Fast fünfmal so viele der muslimischen Befragten gehen in die Hauptschule, doppelt so viele in ein Polytechnikum. Nur zwei Prozent studieren – im Vergleich dazu studieren elf Prozent in der nicht muslimischen Gruppe.

So sind die Startbedingungen in der österreichischen Gesellschaft für junge Muslime nach wie vor schwierig. Weil es, so die Studienautoren, an Beratungen für Aus- und Weiterbildung mit besonderer Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse junger Muslime mangelt. Hinzu kommt, dass das Bildungsniveau in der Familie – das oft niedrig ist – über den Status entscheidet. Dieser wiederum hat Einfluss auf die Einstiegsbedingungen in den Berufsmarkt.

Doch trotz aller Probleme: Die Aussage „Ich bin stolz, Österreicher und Muslim zu sein“ bejahen drei Viertel der jungen Muslime. Die Identifikation mit Österreich ist ein Teil der Identität, gepaart mit Patriotismus, aber auch dem Stolz auf die eigene ethnische Zugehörigkeit. Wird etwa das eigene Herkunftsland kritisiert, fühlen sich 82 Prozent dadurch verletzt.

Die Vorschriften des Islam sind für die Lebensgestaltung junger Muslime eine Richtlinie. 80Prozent der Befragten geben an, nach den Geboten des Islam zu leben. Die Religion regelt alles: Arbeit, Liebe, Familie und Freizeit. Allerdings mit Ausnahmen. So wird die Verfolgung der Vorschriften in Bezug auf Alkohol, Rauchen und Schweinefleisch nicht ganz so ernst genommen. Denn obwohl er im Islam tabu ist, geben 25 Prozent der Muslime an, Alkohol zu trinken. Zum Vergleich: Bei den nicht muslimischen Befragten liegt der Prozentsatz bei 73 Prozent.

42 Prozent wollen Kopftuch

Im Familienleben zeigt sich ein interessantes Phänomen: 42 Prozent der befragten Muslime wünschen sich, dass ihre Partnerinnen Kopftuch tragen, fast die Hälfte erwartet von ihrer Ehefrau, dass sie ein Leben nach den Vorschriften des Korans führt. Doch wird das nicht als Widerspruch zu Modernität und Offenheit gesehen– so wünschen sich 71 Prozent der Muslime eine weltoffene, moderne Frau.

Dennoch ist die klassische Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen in der Vorstellungswelt der jungen Muslime noch relativ intakt. Nahezu drei Viertel meinen, dass sich Frauen in erster Linie um den Haushalt und die Kinder kümmern sollten. Bei Nichtmuslimen sind es auch noch immerhin 43 Prozent.

Hingegen erwartet „nur“ ein Fünftel der befragten Muslime von der zukünftigen Ehefrau, dass sie nach der Hochzeit zu arbeiten aufhört. Bei den Nichtmuslimen liegt die diesbezügliche Erwartung signifikant niedriger, aber immerhin noch bei sechs Prozent.

Mohammed als Vorbild

Ein weiterer interessanter Punkt betrifft die Rolle von Vorbildern und Idolen der Jugendlichen: Während bei Nichtmuslimen häufig Wissenschaftler oder Musiker als Vorbilder angegeben werden, wird bei den muslimischen Männern häufig der Prophet Mohammed genannt.

Ein „selbstverständliches Miteinander“ gibt es nicht, dafür Blockbildung und Misstrauen auf beiden Seiten. So gibt ein Drittel der Muslime an, die Freizeit „ausschließlich mit Migranten zu verbringen“. Noch höher ist die Blockbildung bei Nichtmuslimen, die zu zwei Drittel ihre Freizeit mit Österreichern ohne Migrationshintergrund verbringen. Ein Drittel der Muslime gibt an, dass sich Österreicher für sie nicht interessieren. Dagegen geben 43 Prozent der Nichtmuslime fehlendes Interesse seitens der Migranten an. Fazit: Obwohl der Wunsch nach Begegnung vorhanden ist, finden tatsächliche Begegnungen selten statt.

Die Einschätzung der Politik fällt dagegen unter allen Befragten recht kritisch aus. Über 50 Prozent sowohl der muslimischen als auch der nicht muslimischen Befragten fühlen sich von der Politik nicht „adäquat beachtet“. „Ausländerkritische Töne“ stört fast die Hälfte der muslimischen Männer, aber auch ein Drittel der nicht muslimischen Jugendlichen.

(ANIA HAAR, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 15.06.2011)

 


Kommentieren Sie den Artikel





Weitere Artikel von Ania Haar