Übertritt zum Judentum mit strengem Ritual

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07.05.2008 | 11:34 | Ida Labudovic

Wie eine Österreicherin ihren Übertritt zum Judentum erlebt hat und wie das strenge Ritual abläuft, aufgrund dessen man in diese Glaubensgemeinschaft aufgenommen wird.

WIEN. „Das Eintauchen in die ,Mikveh‘ ist etwas, was Frauen schon 2000 Jahre machen und das ist faszinierend. Es war ein unglaublich schönes Gefühl – nach Hause zu kommen. Dort zu sein, wo man immer hätte sein sollen.“ So beschreibt eine Wienerin ihre Gefühle, die sie hatte, als sie aus dem rituellen Bad stieg, mit dem sie ins Judentum konvertiert ist.

Die Österreicherin möchte namentlich nicht genannt werden – denn der Talmud unterscheidet nicht zwischen Gläubigen von Geburt an und Konvertiten. Jahr für Jahr treten etwa eine Handvoll Menschen zum Judentum über. Hauptsächlich spielt sich das religiöse Leben von Juden in Wien ab.

Nach jüdischem Recht, „Halacha“, ist jede Person jüdisch, die von einer jüdischen Mutter geboren wird. Ebenso aber kann man auch durch einen Übertritt (Gijur) in die jüdische Religionsgemeinschaft aufgenommen werden – auch dann, wenn der Vater gläubiger Jude ist, die Mutter aber nicht.

Die Regeln für einen Übertritt sind streng.Zu Beginn ist erst einmal eine Hürde zu nehmen: Kandidaten werden eingehend nach ihren Gründen befragt, weshalb sie konvertieren wollen. Drei Mal wird der Wunsch zum Übertritt abgelehnt. Damit soll die Entschlusskraft auf die Probe gestellt werden. Und vor diesem Hintergrund ist es im orthodoxen Judentum kein ausreichender Grund, gläubiger Jude zu werden, wenn man einen jüdischen Partner heiratet. Denn: Der oder die Betreffende muss diesen Schritt aus innerer Überzeugung setzen. Zum Judentum zu konvertieren stellt eine persönliche und auch bindende Entscheidung dar.

Die „Halacha“ sieht außerdem vor, dass 613 Gebote einhalten werden sollten. Konvertiten erklären sich bereit, sich in ihrem Leben auf dieser Grundlage aufbauend zu orientieren. Nach diesem grundsätzlichen Bekenntnis beginnt das Studium, um das Übertrittsexamen zu bestehen. Die Prüfung selbst findet dann vor einem „Beth Din“, einem Gerichtshof von zumindest drei Rabbinern, statt.

Nach abgelegter Prüfung bildet ein rituelles Bad den Abschluss der Übertritts-Zeremonie. Dabei taucht der Konvertit drei Mal im Wasser unter und sagt dann einen Segensspruch. Das Eintauchen ins Wasser steht für spirituelle Reinigung – so als werde der Mensch neu geboren. Das Wasser ist Sinnbild für den Beginn der Schöpfung und den Urzustand der Welt. Falls es sich um eine Frau handelt, stehen die Rabbiner als Zeugen hinter einer Wand.

Männer müssen sich zudem beschneiden lassen. Dieser Akt steht symbolisch für den Bund zwischen dem Volk Israel und Gott. Die Beschneidung des Neugeborenen am achten Lebenstag ist die erste Pflicht des Vaters – und das zweite der 613 Gebote.

(IDA LABUDOVIC , „Die Presse“, Print-Ausgabe, 07.05.2008)


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