Vielfalt in deutschen Medien: Bundeskonferenz sieht viel Nachholbedarf

19.11.2014 | 12:46 | Anna Preiser

Zum funfjährigen Jubiläum organisierten die Neuen deutschen Medienmacher die erste Bundeskonferenz in Berlin, an der M-MEDIA aktiv teilgenommen hat. 

Berlin – Am 15. November versammelten sich Mitglieder der Neuen deutschen Medienmacher, JournalistInnen und VertreterInnen Zivilgesellschaftlicher Organisationen zur ersten Bundeskonferenz der Neuen deutschen Medienmacher  (NdM) im Podewil in Berlin. Die grauen Zeiten sind vorbei! lautete das Motto. Es wurde die Frage behandelt, inwieweit die Vielfalt der Gesellschaft auch in den Medien widergespiegelt wird. Um diese Frage aus verschiedenen Perspektive zu diskutieren, luden die NdM zu Workshops mit unterschiedlichen Schwerpunkten ein. Auch M-MEDIA war mit dabei und brachte die Perspektive auf Österreichs Medienlandschaft ein.

Medienmacher ohne Grenzen

M-MEDIA nahm am Workshop  „Medienmacher ohne Grenzen“ teil. simon INOU schilderte in diesem die Lage der österreichischen Medienlandschaft. Auch wenn die Landschaft von Ethnomedien wächst, so sind Menschen mit Migrationshintergrund, die 17% der Bevölkerung darstellen, nur zu 1% in Mainstream-Medien vertreten. Es werden weiterhin rassistische Einstellungen übermittelt als auch durch die Nennung der Herkunft in der Kriminalberichterstattung nicht nur die Person, sondern auch die Herkunft kriminalisiert wird.

Einen Blick auf die schweizerische Medienlandschaft gab Ursula Dubois, Vorstandspräsidentin von Ethno-Media. Sie ist der Auffassung, dass in den Medien weiterhin die Mehrheitsbevölkerung – schweizerisch, mittelständisch, Weiß – repräsentiert und angesprochen wird. 39% der in der Schweiz lebenden Bevölkerung – die Bevölkerung mit Migrationshintergrund – bleibe außen vor. Zu Wort können sie in den Medien zwar kommen, jedoch nur, wenn auch sie die Mainstream-Logik und -Werte reproduzieren.

In Deutschland findet sich die Vielfalt der Gesellschaft auch noch nicht in den Medien wider. Zudem werden JournalistInnen mit Migrationsgeschichte thematisch oft in Ecke gedrängt und sollen Themen wie Migration, Integration sowie ihr Herkunftsland bzw. das ihrer Eltern behandeln, auch wenn das eigentliche Interesse in anderen Gebieten liegt – a la „Herkunftscheck“

Auch wurden Projekte aus Deutschland vorgestellt. Mit dem Vielfaltfinder von den NdM gibt es einen Pool an ExpertInnen mit Migrationsgeschichte, auf die JournalistInnen zugreifen können. Weiters stellte Tabea Grzeszyk das Projekt „Hostwriter“ vor, durch das JournalistInnen grenzüberschreitend miteinander vernetzt werden und in Zusammenarbeit treten können.

Die mangelnde Vielfalt in der Medienlandschaft und die bestehenden Projekte sind Grund genug, um sich zu vernetzen und eine Zusammenarbeit im deutschsprachigen Raum anzuvisieren. Im Zuge des Workshops wurde die Diskussion darüber bereits angestoßen und mögliche Herangehensweisen eines gemeinsames Projekts in Erwägung gezogen.

Die Frau mit Migrationsgeschichte in den Medien

Die Diskussionen in parallel gelaufenen Workshops wurden im Anschluss zusammenfassend präsentiert. In „Die neue deutsche Medienmacherin“ wurde der Aspekt von Gender behandelt und vor allem die Rolle der Frau mit Mitgrationshintergrund diskutiert. Es geht nicht bloß um Diskriminierung aufgrund der Herkunft. Sowohl Rassismus als auch Sexismus sind Probleme, denen JournalistInnen gleichermaßen sensibel begegnen sollten, so Pari Niemann, NdM- Mitglied und Medien-Diversity-Fachfrau.

Das neue Glossar mit Formulierungshilfen ist da

Die NdM erarbeiteten ein Glossar, in dem Formulierungshilfen für die Berichterstattung im Einwanderungsland gegeben wird. Dieses soll eine Hilfestellung für JournalistInnen sein, wertfreie, korrekte und präzise Begriffe in der Berichterstattung über Themenbereiche betreffend Wer sind „wir“, Islam, Kriminalberichterstattung, Migration und Asyl zu verwenden. In einem Workshop haben sich TeilnehmerInnen  mit dem neuen Glossar auseinandergesetzt. Neben Lob über die Arbeit wurde die Empfehlung ausgesprochen, mehr auf gendergerechte Sprache einzugehen. Hier geht´s zum online-Glossar.

Der neue deutsche Nachwuchs

In einem weiteren Workshop wurde diskutiert, wie der Nachwuchs von JournalistInnen mit Migrationsgeschichte gefördert werden kann. Ein Projekt der NdM diesbezüglich ist das Mentoring-Programm, das NachwuchsjournalistInnen an erfahrene MentorInnen vermittelt.

Baha Güngör und die Vielfalt in der deutschen Medienlandschaft

Baha Güngör war Ende der 70er erster türkischer Volontär bei der Kölnischen Rundschau. Bei der Konferenz erzählt er über seine Erfahrungen als Journalist mit Migrationsgeschichte, über die „Türkeiexpertise“, die ihm zugeschrieben und  migrationsbezogene Themen, die ihm zugewiesen wurden. Schon lange vor der Gründung der Neuen deutschen Medienmacher setzte er sich für mehr Vielfalt ein.

Das Thema der Vielfalt der heutigen deutschsprachigen Medienlandschaft wurde auch in einem abschließenden Panel von der Publizistin Mely Kiyak, Sheila Mysorekar, der ersten Vorsitzenden der NdM, simon INOU, der Spiegel-Autor Jan Fleischhauer und Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Politikressorts von Die ZEIT diskutiert. Mehr dazu und zu Interviews mit TeilnehmerInnen der Bundeskonferenz gibt es nächste Woche.


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