Weihnachten feiern hinter Gittern

24.12.2008 | 7:20 | Ania Haar

Auch für Häftlinge gab es Weihnachtsfeiern. In der Justizanstalt Wien-Josefstadt wurde ein Hirtenspiel aufgeführt, bei dem Insassen unterschiedlicher Herkunft mitmachten.

Hier kann man nicht einfach mal kurz zum Weihnachtsbummel rausgehen. Hier geht es strenger zu. Und doch wird hier, in der Justizanstalt Josefstadt, Weihnachten gefeiert. „Wir haben in unserer Abteilung schon gefeiert. Es gab einen Weihnachtsbaum und Geschenke für die Kinder“, erzählt Simone, eine junge Mutter, die hier ihre Strafe absitzen muss. „Aber das hier ist ein besonderes Ereignis, und auch wenn wir Häftlinge sind, wollen wir Weihnachten feiern.“

Gefeiert wird in einem großen Saal, der weihnachtlich dekoriert ist. Auf einem Bühnenvorhang leuchten Sterne. Freilich ist da einiges, das nicht zur weihnachtlich-friedlichen Stimmung passt: Ein paar Schritte entfernt stehen Beamte der Justizwache, Feuerwehrleute und Polizisten. In einem Nebenraum sitzen weitere Beamte.

Mehr Anmeldungen als Plätze

Zur Feier sind unter anderem Kardinal Christoph Schönborn, Interims-Justizminister Johannes Hahn, Strafvollzugsdirektor Karl Drexler und Werner Pleischl, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, gekommen. 180 Insassen – bei Weitem nicht alle der 1050 Gefangenen – können teilnehmen: „Es ist leider jedes Jahr so, dass wir viel mehr Anmeldungen haben als Plätze, die wir vergeben können“, sagt Peter Hofkirchner, Leiter des Vollzugsbereichs.

Zur Feier ist ein Wortgottesdienst angesetzt, ohne Kommunionspende. Diese Messe soll auch ein Ausdruck der Wertschätzung der Kirche für die Gefangenen sein: „In jedem von uns ist ein Christkind“, erklärt Kardinal Schönborn, „und auch wenn wir schuldig geworden sind, verachten wir uns nicht.“ Er schüttelt auch später allen Häftlingen die Hand und begrüßt sie einzeln, viele von ihnen in ihrer Muttersprache. Sie sind gerührt, denn auf diesen Moment haben sie lange gewartet.

Für diesen besonderen Abend haben die jungen Männer aus der Ausbildungsabteilung der Justizanstalt das Hirtenspiel „In Bethlehem in jener Nacht“ eingeübt. „Dieses Stück habe ich extra für diese Weihnachtsfeier neu geschrieben“, erzählt Abteilungskommandant Gerd Fürtler. Mit den Proben fing man schon im Oktober an.

Nun stehen die Häftlinge auf der Bühne und erzählen die Geschichte von der Geburt Christi. Der Erzähler, der durch die Geschichte führt, und vier Hirten machen sich auf die Suche nach dem Stall in Bethlehem. Wer ausreichend Deutsch kann, hat eine Sprechrolle. Die anderen halten Plakate von Maria und Josef, dem Esel und dem Stern, der die Hirten zur Scheune gebracht hat, in die Höhe. „Mir war wichtig, dass alle eine Rolle bekommen. Die Sprecher mussten viel üben – wegen des Dialekts“, sagt Fürtler.

„Das Spiel war die beste Predigt von heute, ich muss ja gar nichts weiter sagen“, meint Kardinal Schönborn am Ende der Vorführung. Und dann sagt er doch etwas: „Und wie heißt du, du ein wenig herausgewachsenes Christkind?“ Die Zuschauer lachen. Der Jungschauspieler ist erst 16. „Ich heiße Wolfgang“, antwortet er. „Ja, Wolfgang, das Christkind“ – der Kardinal lacht und bedankt sich für das Hirtenspiel.

Auch Muslime feiern mit

Obwohl es eine katholische Feier ist, feiern die Häftlinge verschiedener Religionen gemeinsam und treten auch gemeinsam auf. Ob es da keine Probleme gibt? „Nein, überhaupt nicht, ich komme aus dem Irak, bin Moslem, aber wir haben schon zu Hause, hier in Österreich, Weihnachten gefeiert, mit Tannenbaum und Geschenken“, erzählt ein Häftling. Die evangelische Feier und auch das achttägige jüdische Chanukka-Fest folgen. „Selbstverständlich wird auch koscheres Essen serviert“, sagt Vollzugsleiter Hofkirchner. Mittlerweile ist das Fest zu Ende, die Insassen werden in ihre Zellen zurückgebracht.

Draußen keine Familie

„Es ist schlecht, von der Welt ausgeschlossen zu sein“, meint ein junger Serbe nachdenklich, „aber ich habe jetzt Zeit zum Nachdenken, zum Bereuen. Und ich freue mich, hier eine zweite Chance bekommen zu haben.“ Gerade in einer Situation wie dieser freuen sich die Insassen besonders über die Feiern zum Weihnachtsfest.

Es bedeutet für sie Abwechslung im tristen Alltag. Und es bedeutet auch das Gefühl, nicht ganz allein zu sein: Hier in der Justizanstalt Josefstadt werden die Mithäftlinge zu einer Ersatzfamilie: „Ich habe da draußen keine Familie“, meint einer der Insassen, „hier kann ich mit Freunden feiern.“ (ANIA HAAR, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 24.12.2008)


Kommentieren Sie den Artikel





Weitere Artikel von Ania Haar