Weihnachten: Wie Migranten feiern und was sie schenken
- Umfragen unter Migranten: Das Online-Marktforschungsinstitut meinungsraum.at, die interkulturelle Wiener Stadtzeitung „Biber“ und die PR-Agentur „The Skills Group“ gründeten 2010 das interkulturelle Marktforschungsinstitut Ethnopinion.
- Aufgabe: Das Team betreut (bei Bedarf auch mehrsprachige) Studien- und Umfrageprojekte unter den in Österreich lebenden ethnischen Communitys.
- www.ethnopinion.net
21.12.2011 | 17:14 | Ilona Antal
Sechs von zehn Menschen mit Migrationshintergrund feiern am 24. Dezember Weihnachten. Auch rund 15 Prozent der türkischen Community feiern mit. Die beliebtesten Geschenke sind Gutscheine, Bücher, CDs und Kleidung.
Wien. „Bei meinem ersten Mal sind alle eingeschlafen“, erzählt Lev Smagin. Der 27-jährige gebürtige Russe jüdischer Abstammung hat sein erstes Weihnachtsfest erst vor fünf Jahren gefeiert. Immerhin: „Durch Filme hatte ich ungefähr eine Vorstellung, wie so ein Weihnachtsfest aussehen kann.“ Eine Bedeutung hatte das Fest für ihn bis dahin nicht gehabt.
Lev Smagin lernte an diesem Weihnachtsabend eine Tradition kennen, die er aus seiner alten Heimat nicht kannte. Denn in Russland wurde mit der Revolution im Jahr 1917 das christliche Weihnachtsfest abgeschafft. Bestimmte Bräuche und Symbole wurden einfach zum Neujahrsfest übernommen.
So wie Smagin geht es auch vielen anderen Migranten in Österreich. Gefeiert wird trotzdem. So ergab eine Online-Umfrage des Marktforschungsinstituts Ethnopinion, bei der rund 500 Personen mit Migrationshintergrund befragt wurden, dass sechs von zehn Migranten am 24.und 25.Dezember Weihnachten feiern. Rund 18Prozent begehen das Fest gemäß der orthodoxen Tradition am 6.Jänner. Vor allem bei Frauen ist das Weihnachtsfest beliebt: Mehr als die Hälfte der „neuen Österreicherinnen“ (65Prozent) feiern Weihnachten und beschenken ihre Freunde und Verwandten.
Und auch was die Herkunft angeht, gibt es teils unterschiedliche Ergebnisse. So feiern besonders gerne die Migranten aus Ex-Jugoslawien Weihnachten. Zu ihnen gehört auch die Familie Nikolic. Die serbische Familie lebt seit sechs Jahren in Wien. Und Weihnachten am 24.Dezember ist ein Fixtermin – vor allem wegen der drei Kinder. „Es war nicht immer lustig für uns, und deswegen soll es für die Kinder etwas Besonderes sein“, sagt Familienvater Zivica Nikolic. Dieses Jahr will er seinen Kindern eine Gitarre schenken. Sein eigentliches Weihnachtsfest wird er erst am 6.Jänner feiern, so wie es in Serbien üblich ist. Um Geschenke geht es dann aber weniger, sondern vor allem um das Abendessen. Ein österreichischer Freund bringt ein Ferkel vorbei, das seine Frau zubereitet.
Die Religion spielt natürlich eine große Rolle dabei, ob Menschen mit Migrationshintergrund Weihnachten feiern. So können die meisten Muslime mit dem Fest der Geburt Christi nicht sehr viel anfangen. Allerdings – auch in der türkischen Community wird nach der Umfrage von Ethnopinion Weihnachten gefeiert, wenn auch nur von rund 15Prozent.
Eine große Rolle spielen auch bei Migranten Geschenke. Laut einer Verbraucherumfrage von Ernst & Young wollen dieses Jahr Österreicher um die 250 bis 300 Euro für Geschenke ausgeben – bei den Migranten ist eine ähnlich hohe Summe vorgesehen. Dabei sind die Vorlieben der Beschenkten und der Beschenkenden zum Glück ziemlich ähnlich.
Gutscheine ja, Bargeld nein
Laut der Studie bekommen die „neuen Österreicher“ am liebsten Gutscheine (36Prozent) geschenkt. Über Bücher und CDs (31 Prozent), aber auch Kleidung (20 Prozent) und Schmuck (17Prozent) freuen sich Migranten ebenfalls. Als absolutes „No-go“ sehen sie hingegen Bargeld. Nur rund zwei Prozent wollen Euroscheine unter den Christbaum legen.
„Das ist alles nur eine Geldmacherei“, sagt Andrei Miu. Der gebürtige Rumäne, der seit 2004 mit seiner Familie in Österreich lebt, gehört zu den insgesamt zwölf Prozent der Migranten, die gar nicht feiern. „Anfangs haben wir noch Weihnachten gefeiert“, erzählt er. Doch der Zauber sei für ihn mit der Zeit und mit dem Alter zerfallen. Denn: „Da ist es nur mehr ums Beschenken gegangen.“
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 21.12.2011)