Wo die Sonntagsmesse fünf Stunden dauert

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06.08.2008 | 23:52 | Clara Akinyosoye

Ethnische Gebetshäuser in Wien – ein Einblick in die christlich-nigerianischen Religionsgemeinschaften.

WIEN. „Drop Kids here“, ist an der Eingangstür der Sonntagsschule zu lesen. Hier sollen Kinder und Jugendliche jede Woche etwas über Religion, Gott und vor allem übers Leben erfahren. Die Schule befindet sich in einem Gebetshaus am Alsergrund in Wien, das hauptsächlich von afrikanischen und afro-österreichischen Gläubigen besucht wird.

Zum überwiegenden Teil haben die Besucher nigerianische Wurzeln, aber „es kommen auch Leute aus anderen Ländern“, wie etwa aus Kamerun, erklärt die Pastorin dieser „Christ Love Church“, Patricia I. Odiase. Sie selbst stammt aus Nigeria.

Freilich besuchen auch Österreicher das Gebetshaus, um an den Gottesdiensten teilzunehmen – meist kommen sie als Teil einer binationalen Beziehung zusammen mit ihren Partnern oder Partnerinnen.

Der Gottesdienst wird stets in englischer Sprache abgehalten, allerdings besteht die Möglichkeit, eine deutsche Übersetzung zu hören. Von der religiösen Überzeugung sind die Besucher der „Christ Love Church“ der Pfingstbewegung zuzuordnen. Doch für Patricia I. Odiase ist nicht die religiöse Zugehörigkeit entscheidend für den Zusammenhalt. Sie meint: „Es geht um die Beziehung, die du zu Gott hast.“

Ausgelassene Feste

In dieser Gebetsstätte gibt es außerdem einen Aufenthaltsraum, in dem die Religionsgemeinschaft ausgelassen große Feste feiern kann – ob es sich dabei um eine Hochzeitsfeier oder einen Kindergeburtstag handelt, spielt keine Rolle.

Ein Bildnis von Jesus Christus – das ist das erste, was man in der „Celestial Church of Christ“ in Mariahilf erblicken kann. Wer in dieses Gebetshaus eintritt, trifft auf ganz in Weiß gekleidete Männer und Frauen, die miteinander beten, singen und speisen.

„Wir sind in Weiß gekleidet, um Reinheit der Seele und Gleichheit zu demonstrieren“, klärt Israel Ayanwole Okunlola, Pastor des Gebetshauses, auf. Schuhe müssen draußen ausgezogen werden. Ehe Frauen den Gebetsraum betreten, müssen sie ihre Haare bedecken – getreu der Bibelauslegung dieser Glaubensgemeinschaft.

Die „himmlische Kirche Christi“ ist erst im 20.Jahrhundert in der afrikanischen Republik Benin entstanden und breitete sich vor allem im Westen Afrikas aus. Vor mittlerweile 26 Jahren gründete eine kleine Gruppe von nigerianischen Mitgliedern dieser Religionsgemeinschaft auch ein Gebetshaus in Wien. Mittlerweile ist bereits ein zweites entstanden.

Die Gemeinschaft kann in vier Tagen fünfmal zusammenkommen: dienstags, mittwochs, freitags und sonntags sind die Tore der „Celestial Church of Christ“ geöffnet. Am Sonntag ist es möglich, einen Vormittags- sowie Abendgottesdienst zu besuchen – dieser kann bis zu vier oder fünf Stunden dauern.

Einmal im Monat gibt es dann sogar eine nächtliche Messe, in der regelmäßig ein gemeinschaftliches Halleluja ertönt. „Ich habe viele Kirchen besucht, aber nur hier fühle ich mich wirklich wohl“, sagt Clement Bode Olowoyo, Mitarbeiter der in Wien beheimateten Atomenergiebehörde (IAEA) und begeistertes Mitglied der „Celestial Church of Christ“.

(CLARA AKINYOSOYE, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 06.08.2008)


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