Affirmative Action: Migranten mit Quoten fördern?

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Buchtipp:
  • Radostin Kaloianov – Affirmative Action für MigrantInnen?: Am Beispiel Österreich. Braumüller Verlag, 26,90 €

27.08.2008 | 0:11 | Yordanka Hristozova-Weiss

Ein neues Buch der Studienreihe Konfliktforschung widmet sich gezielter Förderung von Neo-Österreichern.

Österreich zieht Menschen an. Kriegsflüchtlinge, Arbeitsmigranten, EU-Bürger sind gekommen um zu bleiben und stellen die Prinzipien der Demokratie auf die Probe. Die Möglichkeit, gezielte Förderungen für Wahlösterreicher anzuwenden, untersucht Sozialwissenschaftler Radostin Kaloianov, Mitarbeiter am Wiener Institut für Konfliktforschung, in seinem Buch „Affirmative Action für MigrantInnen?“

In den USA ist man schon weiter

„Unter Affirmative Action versteht man politische Maßnahmen zur Integration und Berichtigung von Benachteiligung gegenüber sozialen Gruppen, die von Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen sind“, sagt Kaloianov. Damit ist nicht nur ein Anschluss an Arbeitsmarkt, Bildung, Wohnen gemeint, sondern auch das Herstellen von Beziehungen zwischen sozialen Gruppen, um wechselseitige Vorurteile abzubauen. Vorbild in diesem Bereich sind die USA.

Dort sei man schon um einiges weiter als in Österreich. Allein der Vorwahlkampf der Demokraten um die Präsidentschaftskandidatur sei ein gutes Beispiel: Barack Obama gegen Hillary Clinton – ein Schwarzer gegen eine Frau. Ohne die Vorarbeit der 1960er-Jahre wäre dieses Duell ein unrealistisches Szenario gewesen.

Kaloianov geht es darum zu vermitteln, dass Herkunft kein Handicap sei. Man solle seine Andersheit nicht verbergen. Er glaubt, dass Benachteiligung und Diskriminierung die zwei Hauptprobleme beim Integrationsprozess der Wahlösterreicher sind. Als Beispiel für Diskriminierung im öffentlichen Diskurs nennt er die Ausländerhetze, mit der Parteien auf Wählerstimmenfang gehen – und dabei Erfolg haben. „In den USA hätte niemand gegenüber Afroamerikanern mit derartigen Parolen politisch Erfolg“, meint er.

„Verletzung der Gerechtigkeit“

Und weiter: „Die zwei Prinzipien des politischen Aufbaus und sozialen Zusammenhalts sind Egalität und Inklusivität“, erklärt Kaloianov. Ersteres besage, dass alle Mitglieder einer Gesellschaft als gleich zu behandeln sind, das zweite, dass alle, die von politischen Entscheidungen betroffen sind, auch darüber mitbestimmen dürfen sollen. „Soweit diese Grundregeln gegenüber Migranten nicht eingehalten werden, können wir von Verletzungen der Integrationsgerechtigkeit reden.“

Das Buch ist keine Wunschliste zur Herstellung eines Idealzustandes. Es bringt einige Vorschläge zur Verbesserung der Demokratie. „Der Integration gesellschaftspolitisch höchste Priorität einräumen und diese nicht wie derzeit stückweise als Krisenmanagement umsetzen“, fordert Kaloianov. Er empfiehlt, Lösungen wie den gescheiterten Versuch des Kommunalwahlrechts für Migranten in Wien wieder zu aktivieren. Und auch Quotenmaßnahmen für Neo-Österreicher in Sektoren wie Verwaltung, Medien und Sicherheitsapparat, so der Autor, solle man nicht scheuen.

(YORDANKA HRISTOZOVA-WEISS, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 27.08.2008)


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