Der Grazer Stadtschreiber aus dem Kongo

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19.08.2009 | 19:06 | Mona Parun

Fiston Mujila Mwanza, erster Afrikaner in dieser Position, will den kulturellen Austausch fördern.

Nein, rassistische Erfahrungen habe ich nicht gemacht“, sagt Fiston Mujila Mwanza, der seit fast einem Jahr als Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung in Deutschland lebt. „Rassismus ist wie eine Krankheit“, fügt er hinzu, „den gibt es genauso in Afrika, Europa und den USA.“

Dementsprechend geht der aus dem Kongo stammende Schriftsteller ohne Vorbehalte nach Graz, wo er ab September 2009 für ein Jahr Stadtschreiber sein wird. Die Funktion des Stadtschreibers ist nichts anderes als ein Literaturstipendium, das einem Autor die Möglichkeit gibt, ohne finanziellen Sorgen an seinem Werk zu arbeiten.

Im Kongo sieht das anders aus, hier habe man als Schriftsteller viele Schwierigkeiten. Welche das sind, darüber möchte er nicht sprechen, dennoch sagt er, „um in Sicherheit und frei arbeiten zu können, bekam ich in Deutschland das Heinrich-Böll-Stipendium“. Das war vor mehr als einem Jahr. Jetzt folgt das Stipendium in Graz. Die Idee des Stadtschreibers beruht auf der mittelalterlichen Funktion des städtischen Beamten, der in der Stadtkanzlei für den Schriftverkehr zuständig war. Die Aufzeichnungen des Stadtschreibers sind heute eine Quelle der damaligen Sprache und der Entwicklung der Stadt.

Heute ist die Rolle des Stadtschreibers weggefallen, geblieben ist nur die symbolische Funktion des Schreibers, der „durch seine Anwesenheit dem kulturellen Austausch und der Interaktion in der Literaturszene vor Ort dienen sollte“, so weit die Richtlinien. Und was hat der neue Stadtschreiber vor? „Ich werde weiter an meinem ersten Roman schreiben und mich einem weiteren Gedichtband widmen“, sagt Mwanza, „ein paar Lesungen geben und an verschiedenen kulturellen Veranstaltungen teilnehmen.“ Er bereitet sich auf seine Doktorarbeit über die französische Literatur vor, die 2011 oder später folgen wird, wie er meint.

Fünf Sprachen, globale Kultur

Insgesamt 64 Autoren aus 24 Ländern hatten sich beim Grazer Kulturamt um das Stipendium beworben. An Mwanza überzeugte die Jury vor allem „die inhaltliche Brisanz der vorgelegten Textproben, deren konzeptionelle Strenge sowie den an Rap gemahnenden, glasharten Sprachduktus“. Er selber ist der Meinung, dass „es keine richtige oder falsche Person gibt, um Stadtschreiber zu werden“.

Zwar ist die Kenntnis der deutschen Sprache keine Voraussetzung für den Stadtschreiber, dennoch sind Grundkenntnisse erwünscht. Mwanza lernt bereits Deutsch. Es wird seine fünfte Sprache sein, die er neben Französisch, Englisch, Swahili und Lingala spricht.

Viele Sprachen, viele Kulturen – passend dazu glaubt Mwanza, dass wir „mit der Globalisierung eine Kultur“ haben. Denn „wir sind alle Menschen, haben ein Leben und den gleichen Durst, ebenso wie den gleichen Hunger und Glücksgefühle“.

(MONA PARUN, „Die Presse“, Print-Ausgabe, 19.08.2009)


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