Der schwarze Sänger vom Schöpfwerk

27.05.2009 | 15:53 | Clara Akinyosoye

Yves Chikuru aus dem Kongo tritt beim Grand Prix der Volksmusik an. Doch wer ist der Mann, der die österreichische Volksmusik seine Liebe nennt und sich dagegen wehrt, dass Schlager oft als „Tralalamusik“ abgestempelt wird??

Am 30. Mai, wenn Österreichs Schlagerfans mit Spannung die Vorentscheidung zum Grand Prix der Volksmusik verfolgen, wird es eine Premiere geben. Ein schwarzer Kandidat aus dem Kongo, Yves Mulume Chikuru, tritt im Bewerb an. Schafft er die Qualifikation, wird er Ende August Österreich im Wettbewerbsfinale mit Deutschland, der Schweiz, Italien und Südtirol vertreten.

Doch wer ist der Mann, der die österreichische Volksmusik seine Liebe nennt und sich entschieden dagegen wehrt, dass Schlager oft pauschal als „Tralalamusik“ abgestempelt wird? Yves Mulume Chikuru, Ehemann und zweifacher Vater, lebt seit über 20 Jahren in Österreich, studiert Wirtschaftsingenieurswesen und arbeitet als Schlosser. Ins Land kam er wegen einer seltenen Form von Krebs, die in seiner Heimat nicht behandelt werden konnte. Sein Onkel und seine Tante holten ihn nach Österreich, adoptierten ihn, und nach langer Behandlung konnte der Krebs schließlich besiegt werden.

Das Einleben in Österreich war für Chikuru mit einigen Problemen verbunden. Zum einen machte ihm der Temperaturunterschied zu schaffen, zum anderen die Einsamkeit. Im Kongo waren „immer Leute um mich“, in Wien war „plötzlich alles so still“, erzählt er. Doch die Stille sollte nur so lange anhalten, bis Chikuru Radio Niederösterreich entdeckte – und somit die Liebe zum Schlager. Obwohl der junge Mann die Texte noch gar nicht verstehen konnte, wirkte die „schöne Musik“ auf ihn beruhigend. Auch im Deutschkurs, den er besuchte, wurden Schlagerklassiker zum Deutschlernen herangezogen. „Das war eine lustige Einführung.“

Ein schwarzer Jazzmusiker oder Rapper würde höchstwahrscheinlich weniger für Erstaunen sorgen, als es Yves als schwarzer Volksmusiker tut. Chikuru jedoch sieht das gelassen. Er betrachtet seine Teilnahme am Grand Prix als Möglichkeit, den Österreichern zu zeigen, dass auch Migranten die österreichische Kultur schätzen und respektieren und nicht ablehnen, sondern ergänzen wollen. Der Afro-Österreicher ist sich sicher, dass die Bevölkerung dieses Signal positiv zu schätzen wissen wird.

Zwei Kulturen als Startvorteil

Außerdem erkennt Chikuru darin die Chance, besonders jungen Menschen zu zeigen, dass auch ein Migrant „etwas erreichen kann“ und dass das Aufwachsen in zwei verschiedenen Kulturen von großem Vorteil sein kann.

Doch was macht der lebensfrohe Schlagerfan, wenn er nicht gerade singt, arbeitet, studiert oder Zeit mit seiner Familie verbringt? Er engagiert sich in seiner Wohnsiedlung, dem Gemeindebau am Schöpfwerk, in Nachbarschaftsprojekten, die vom Kulturverein „Bassena“ initiiert wurden. Die weitläufige Wohnhausanlage beherbergt rund 5000 Mieter. In dieser multikulturellen Siedlung werden rund 20 verschiedene Sprachen gesprochen. Wenn die Bewohner auch nicht alle denselben Geburtsort haben, haben sie doch eines gemein: Vertrauen in Yves M. Chikuru. Denn die Bewohner wählten ihn zum Mietervertreter.

Diese Aufgabe und die Mitarbeit bei „Bassena“ hält Chikuru für sehr wichtig. Hier werden Nachbarschaftstreffen organisiert, die dafür sorgen sollen, dass Spannungen zwischen den Parteien abgebaut und Probleme in der Siedlung gelöst werden können. Das gilt sowohl für interkulturelle Konflikte als auch für Kontroversen zwischen Jung und Alt. „Bassena“ sorge hier für „gelebte Integration“, meint Chikuru.

Muslime und Christen zusammen

Bei Streitfragen treffen sich die Beteiligten bei „Bassena“, das inmitten des Gemeindebaus liegt. Chikurus Aufgabe als Mietervertreter ist es, gemeinsam mit den Sozialarbeitern etwaige Probleme aus der Welt zu schaffen. Doch Probleme zwischen einzelnen Gruppen seien gar nicht so zahlreich, Muslime und Christen hielten am Schöpfwerk zusammen.

So werden wohl kommenden Samstag die Bewohner des Schöpfwerks fest die Daumen drücken, wenn sich ihr beliebter Schlagersänger dem Musikwettbewerb stellt. „Mama, keine liebt so wie du“ lautet der Titel des Liedes, mit dem er beim Grand Prix zu punkten hofft. Das Lied hat er als Danksagung für seine zwei Mütter – seine leibliche und seine Adoptivmutter – geschrieben, die ihm durch die schwere Zeit der Krankheit geholfen haben.

Ob er es nun ins Finale schaffen wird oder nicht, sieht Chikuru gelassen. Mitmachen zu dürfen sei für ihn schon eine große Freude. „Wenn ich etwas komponiere und einem anderen gefällt es, ist das für mich schon ein Sieg.“ (CLARA AKINYOSOYE)

„Die Presse“, Print-Ausgabe, 27.05.2009


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