Eine Ballettlehrerin aus Rumänien erfüllt Kinderträume

08.02.2012 | 21:00 | Ania Haar

Mit 22 Jahren kam Magdalena Calugaru-Klaar nach Wien. Die gebürtige Rumänin erfüllte sich ihren großen Traum und gründete ein eigenes Tanzstudio. Heute unterrichtet sie mehr als 100 Kinder.

Wien. „Gott sei Dank ist nichts gebrochen“, sagt Magdalena Calugaru-Klaar. „Ich bin von einem alten Hocker runtergefallen.“ Immerhin, der Spott blieb ihr erspart – es sind gerade Ferien und somit auch keine Schüler zum Unterrichten in ihrem Tanzstudio Fantasia im 22.Bezirk.

Angefangen hat sie ihre Karriere noch im eigenen Wohnzimmer. „Ich wollte für meine Tochter da sein und gleichzeitig auch meinen Beruf ausüben“, erzählt sie, „aber um richtig zu beginnen, hatte ich kein Startkapital.“ Also wurde erst einmal improvisiert. Die Ballettlehrerin ging von Schule zu Schule und verteilte Infoblätter. Bald meldeten sich die ersten Interessierten an: „Mit vier Kindern und einer Ballettstange aus Bukarest fing ich an zu unterrichten.“ Das war vor elf Jahren. Heute hat sie ein großes Tanzstudio und vier Lehrkräfte.

Sie persönlich kam einst am Schwarzen Meer zum Ballett. „Ich war damals auf einem Ferienlager“, erzählt sie. „Und es hat sich schnell herumgesprochen, dass zwei Mädchen in einer Ballettschule sind.“ Sie ließ sich ein paar Tanzschritte zeigen und probierte Spitzenschuhe an. Begeistert rief sie dann ihre Mutter an und sagte, sie wolle zum Ballett. Ihre Mutter förderte sie und schickte sie gleich zu einer Prüfung. Überraschenderweise wurde das Mädchen mit acht Jahren in die Bukarester Ballettschule aufgenommen.

Sie maturierte und ging anschließend zum Studium an die Theaterhochschule, unter anderem Ballettpädagogik, Choreografie und Regie. Daneben unterrichtete sie in einer Volksschule und arbeitete in einem Theater. Auf der Hochzeit einer Freundin lernte sie schließlich ihren künftigen österreichischen Ehemann kennen. Mit ein paar Sachen und ihrer Ballettstange im Gepäck fuhr sie mit dem Zug nach Wien. Und musste zuerst einmal Deutsch lernen, bevor sie mit der Arbeit richtig beginnen konnte. Das war vor 18 Jahren. „Ich war so hin- und hergerissen“, erzählt die 40-Jährige, „ich hatte Sehnsucht nach Rumänien und fühlte mich gleichzeitig ganz wohl in Österreich.“ Bis sie richtig durchstarten kann, vergehen noch ein paar Jahre. Doch dann geht alles schnell.

Mittlerweile 100 Schüler

Aus den ersten vier Schülern werden plötzlich 30. Und sie passen nicht mehr ins Wohnzimmer. Also sucht sie nach einem Tanzstudio und findet einen geeigneten Ort in einer alten Marmeladenfabrik in Kagran. An der Wand wird auch ihre eigene Ballettstange aus Bukarest montiert. Heuer sind es rund 100Kinder in einem fast 150Quadratmeter großen Tanzstudio.

„Rassismus wegen meiner Herkunft habe ich nur einmal erlebt“, sagt sie: „Über vier Ecken habe ich mitbekommen, dass ein Vater gegen eine rumänische Tanzlehrerin Einwände hatte. Aber er schickte das Kind doch zu mir, und das Mädchen blieb.“ Zu Vorstellungen der Tochter komme er aber nach wie vor nicht.

Besonders stolz ist Calugaru-Klaar auf ihre Erwachsenengruppe. „Ich erfülle den Frauen ihre Kinderträume“, erzählt sie. Es gehe bei ihnen auch um Durchhaltevermögen und darum, sich zu trauen, ab Mitte 30 mit dem Ballettunterricht anzufangen. „Und sie tanzen schon in den Spitzenschuhen“, erzählt die Rumänin, „das ist nicht ganz selbstverständlich.“ Für Kinder sei das Tanzen auch gut, es stärke das Selbstvertrauen. „Aber ein paar Schüler musste ich schon zum Orthopäden schicken“, sagt sie. „Und auch umgekehrt – Orthopäden schicken Kinder zum Ballettunterricht.“ Denn Tanzen sei gut für die Muskulatur und die richtige Körperhaltung.

Nach Rumänien habe sie heute keine Sehnsucht mehr. „Meine Eltern sind hier in Österreich – und noch heute unterstützt mich meine Mama. Wenn Kinder neue Spitzenschuhe bekommen, näht sie ihnen die Bänder ein.“

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 08.02.2012)


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