Fridolin Schönwiese: „In Mexiko und Österreich fremd und zu Hause“

28.11.2011 | 10:00 | Carola Bonilla Moreno

Der nach Mexiko ausgewanderte österreichische Filmemacher besucht seine Heimat Österreich für die Präsentation seines Dokumentarfilms „Die 5 Himmelsrichtungen“. Der Film ist ab 30. November im Zuge des Contemporary Day, organisiert vom Filmarchiv Austria, im Wiener Metro Kino zu sehen.

Der mehrmals ausgezeichnete Filmemacher Fridolin Schönwiese wurde am 4. August 1967 in Wien geboren und wuchs in Österreich und  Deutschland auf. Von 1986 bis 1993 studierte er Theater und Publizistik auf der Universität Wien, seit 1989 produziert er unter anderem Filme, Radio-Projekte und macht Ausstellungen. Seit 2005 arbeitet und lebt er in Mexico City.

In seinem Film „Die 5 Himmelsrichtungen“ geht es um die Situation mexikanischer Migranten in den USA – im Speziellen im Dorf Tres Valles – die dem „american dream“ folgen und in Kansas ein zweites zu Hause finden, welches sie „Tres Vallitos“ nennen. Alle Mexikaner, die in Tres Vallitos wohnen, träumen davon viel Geld zu sparen und eines Tages in ihr Heimatland zurückzukehren, um dort ein sorgloses Leben zu führen. Der Dokumentarfilm präsentiert die ständige Auseinandersetzung mit und die Bewegung zwischen zwei Kulturen und zwei Ländern. Legal oder illegal: Er zeigt wie Familien zerrissen werden, wie Menschen sich ständig neu anpassen müssen. „Die 5 Himmelsrichtungen“ befasst sich mit der Frage der Migration aus der Perspektive des Mexican American und schafft einen anderen Blick auf die Komplexität der Beziehung zwischen den beiden Nachbarländern.

Speziell an diesem Film ist außerdem, dass es ein österreichischer Filmemacher ist, der selber ausgewandert ist, der sich für die Situation von mexikanischen Migranten in den USA interessiert. Mit M-MEDIA sprach er darüber warum der Film die Perspektive von Mexikanern zeigt und warum er sich in Mexiko und Österreich gleichermaßen zu Hause und fremd fühlt. Carola Bonilla Moreno stellte die Fragen.

M-MEDIA: Wie kommt es, dass ein österreichischer Filmemacher eine Beziehung zur Migrationssituation zwischen Mexiko und den USA hat?

Fridolin Schönwiese: Ich lebe jetzt seit fast acht Jahren in Mexiko. Da bekommt man schon eine sehr intensive Vision vom Leben in Lateinamerika. Das Migrationsthema kann ich hier besonders gut nachvollziehen, weil ich in Mexiko und in den USA in der Position eines neutralen Dritten bin: Ich komme nicht aus den USA, aber ich kenne die Weltanschauung eines Einwanderungslandes von meiner eigenen europäischen Herkunft sehr gut. Ich komme nicht aus Mexiko, aber hier erlebe ich täglich die Realität des Auswandern-Müssens. Das war für einen Dokumentarfilm eine ideale Voraussetzung.

Was war Ihre Motivation diese Situation zum Inhalt Ihrer Arbeit zu machen?

Das Migrationsthema wird meist nur aus der europäischen und US-amerikanischen Sicht wahrgenommen und erzählt. Meist geht es um die Integrationsproblematik und um Befindlichkeiten aus europäischer oder US-amerikanischer Sichtweise gesehen. Das Leben und der Alltag in z.B. Lateinamerika werden in diesem Zusammenhang meist nur als grau, arm und gesichtslos beschrieben. Da ging mir vehement etwas ab. Das Leben hier in Mexiko ist alles Andere als grau und gesichtslos. Die Weltwahrnehmung von „Erster Welt“ und „Dritter Welt“ ist sehr einseitig und naiv.

Wieso sind Sie nach Mexiko ausgewandert?

Es war nie geplant lange in Mexiko zu bleiben. Es begann im Jahr 2000 mit einer Einladung als „artist in residence“ und danach folgten unzählige weitere Kurzaufenthalte, die, ohne es bewusst zu planen, immer länger wurden. Irgendwann war ich dann „da“ und begann Österreich als das Land in der Ferne wahrzunehmen.

Fühlen Sie sich als Migrant?

Kann man so etwas so eindeutig bejahen oder verneinen? Tatsache ist, dass es eines Tages damit begann, dass ich meinen mexikanischen Lebensalltag in Österreich nicht mehr recht kommunizieren konnte. Ab diesem Moment war ich in Mexiko und in Österreich gleichermaßen fremd aber doch zu Hause.

Was bedeutet es für Sie, zu Hause zu sein?

Zu Hause zu sein, bedeutet vielleicht die Aufhebung eines Reisegefühls. Zwischen Mexiko und Österreich zu pendeln ist fast schon wie Straßenbahnfahren. Sich mühelos in einen Alltag eingliedern zu können, ist eine Qualität des „zu Hause Seins“. Das erlebe ich nahtlos an beiden Orten.

 


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