Grace Marta Latigo: Vom wilden Stück zum Moralapostel

AKTUELLES BUCH
  • MEINE WORTE
  • Grace Marta Latigo
  • ISBN 978-3-200-01418-3
  • Verlag AA-Infohaus
  • € 19,90

17.08.2011 | 14:03 | Clara Akinyosoye

Sieben Jahre lang lebte Grace Latigo in der „Illegalität“. Heute ist sie als Autorin etabliert, die die Provokation zum Leitmotiv erhoben hat. In ihrem Buch setzt sie sich mit dem „Migrant-Sein“ auseinander.

Wien. „Am 7.September feiere ich 30Jahre Österreich“, sagt Grace Marta Latigo. Als Malerin, Schriftstellerin, Schauspielerin und Musikerin arbeitet die gebürtige Slowakin mit ugandischen Wurzeln an vielen Fronten. In ihrem jüngsten Buch „Meine Worte“ setzt sie sich mit dem „Migrant-Sein“ auseinander. Derzeit schreibt sie an einem Krimi, in dem es um eine afroeuropäische Detektivin und Schneewittchen geht.

Mit Anfang 20 wurde Grace Latigo 1992 wegen eines Formfehlers über Nacht zu einer „Illegalen“. Plötzlich waren Visum und Arbeit weg – just in dem Moment, als es nach Zukunft ausgesehen hatte. So lebte sie sieben Jahre lang in der Illegalität. „Das Schlimmste war, als mir bewusst wurde, dass ich zu einem Menschen dritter Klasse geworden war.“ Ablenkung fand Latigo in der Kunst und im Alkohol. Letzteres wurde schnell zu einem Problem. „Denn damit fängt der Selbstmord auf Raten an.“ Doch seit sieben Jahren trinkt die Autorin nichts mehr.

Latigo veranstaltete in dieser prekären Phase „Stadtführungen mit einer Illegalen“, denn viele Menschen wollten Wien durch ihre Augen sehen. Weil sie in einem Wiener Arbeiterbezirk aufwuchs und dort Deutsch lernte, sah sie sich im Gymnasium mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Das Deutsch, das man in den Arbeiterbezirken sprach, „reichte für Nietzsche nicht aus“, so Latigo. Doch sie lernte schnell. In den 1990er-Jahren nannte sich Latigo „Original Gangster Grace“. „Ich war ein wildes Stück“, gesteht sie. Während sie damals „illegale“ Rap-Feste veranstaltete, arbeitete sie später mit Jugendlichen, Flüchtlingen und missbrauchten Migrantinnen. Noch heute schießen ihr angesichts der furchtbaren Lebensgeschichten dieser Frauen Tränen in die Augen.

Provozieren und anecken

Viele Jobs musste sie allerdings bald wieder aufgeben – weil sie provozierte und aneckte. So wollte sie etwa Gewalt zwischen Frauen genauso thematisieren wie Gewalt zwischen den Geschlechtern. Doch dies stieß nicht auf viel Gegenliebe. Latigo provoziert auch heute noch. Aber Provokation, meint die Allrounderin, gehöre zur Kunst nun mal dazu. Nichtsdestoweniger sei sie in der „frivolen Kunstbranche“ – schon allein, weil sie nicht trinke – mittlerweile zum Moralapostel avanciert.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 17.08.2011)


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