Hürden für Migranten in Kunstbetrieb

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AUF EINEN BLICK
  • Migranten, die in der österreichischen Kulturszene Fuß fassen wollen, haben es hier ein bisschen schwerer als anderswo, meinen Experten. Nur wenige schaffen es und sind sowohl in ihrer alten als auch in ihrer neuen Heimat erfolgreich. Der österreichische Kulturbetrieb ist überwiegend traditionell geprägt.

09.07.2008 | 23:17 | REDAKTION

Welche Hürden Migranten im Kunstbetrieb überwinden müssen – und wie eine Autorin aus Serbien Erfolg hatte.

WIEN. Barbara Markovic hat die Wiener Kulturszene erst über Umwege erreicht. „Es war für mich nicht cool genug, in Belgrad immer in derselben Szene zu sein, immer zwischen einigen wenigen Lokalen zu pendeln. Ich studierte Germanistik, arbeitete gleichzeitig in einem Verlag und wollte unbedingt weggehen.“

Ehe sie diesen Entschluss tatsächlich in die Tat umsetzt, kehrt sie ihr Inneres nach außen und schreibt „Izlazenje“ – Ausgehen. So betitelt sie ihren Roman, der sich an Thomas Bernhards „Gehen“ anlehnt. Kaum ist das Manuskript fertig, bricht sie ihre Zelte in Belgrad ab und wandert nach Wien aus.

Ein Buch als Brückenschlag

Ihr Neubeginn wird begleitet von teils hymnischen Rezensionen ihres Erstlingswerkes in serbischen Zeitungen – die durchwegs positiven Kritiken erreichen auch die serbische Community in Wien, serbische Kultur- und Jugendorganisationen laden sie daraufhin zu Lesungen ein. Allerdings besteht sie darauf, gemeinsam mit einem jungen österreichischen Künstler aufzutreten: Sie versucht damit den Brückenschlag von einer Kultur zur anderen. „Ausgehen“ wird ins Deutsche übersetzt, gleichzeitig schreibt sie Geschichten über Wien für serbische Zeitschriften.

Barbara Markovic ist eine von vielen Künstlerinnen mit Migrations-Hintergrund, die es vorzieht, in Wien anstatt in ihrer Heimat zu leben. Und eine von wenigen, die in der neuen Heimat auch in ihrem Genre arbeitet.

„Künstlerische Qualität wird anerkannt werden – egal welchen Ursprung deren Schöpfer haben. Künstlerisches Tun hat auch ganz stark kosmopolitischen Charakter“, meint Michael Wimmer. Er ist Geschäftsführer von „Educult“, einem Institut für Kulturpolitik, Beratung und Forschung in Wien. Soweit das allgemein Gültige. Auch wenn es „für Künstler prinzipiell schwierig ist, im Kunstbetrieb Fuß zu fassen“, gebe es in Wien für Migranten zusätzliche Hürden.

Was in Wien völlig fehlt

Das sei nicht überall so, meint der Experte. „In Amsterdam oder London etwa gibt es eine hohe Anzahl von Migranten, die in allen Lebensbereichen mehr berücksichtigt werden; auch in Kunst und Kultur. In diesen Städten besteht das Bewusstsein, das Angebot der Zielgruppe anzupassen“ – also auch den Migranten.

Noch ein Beispiel: Finnland. Obwohl in dem skandinavischen Land nur zwei Prozent der Bevölkerung Migranten-Background haben, „gibt es für finnische Nationalmuseen eine Person, die sich ausschließlich um neue Zielgruppen bemüht“. Eine der zentralen Aufgaben dabei sei es, auch Migranten Zugang zur gesamten Palette des kulturellen Angebots zu ermöglichen.

Wimmer: „Meines Erachtens fehlt dieser Ansatz in Wien völlig. Möglicherweise sind die großen Häuser interessiert an mittelständischem internationalen Touristenpublikum. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass es besondere Bemühungen oder Einrichtungen gibt, wenn’s um die türkische, serbische, philippinische Bevölkerung geht.“

Das bestätigt auch Sanem Ayyildiz, die sich als Projektmanagerin bei „Educult“ in dieses Thema vertieft hat. „Wir haben eine Untersuchung dazu gemacht und festgestellt: Spezielle Angebote für Migranten gibt es nicht viele.“ Gleichzeitig erkennt sie aber auch „einige wenige positive Entwicklungen“.

Ayyildiz: „Beispielsweise gibt es auf der Webseite der Stadtbibliothek Informationen sowohl auf Türkisch als auch auf Serbisch.“ Bei Jugendlichen aus Migrantenfamilien habe sich zudem die Stadtbibliothek mittlerweile als ein Treffpunkt herauskristallisiert.

„Mentalität ist traditionell“

Ob sich dadurch etwas im Wiener Kulturbetrieb ändert, bleibt abzuwarten. Noch einmal Kulturforscher Wimmer: „Entscheidungen über das Kulturprogramm fällen nicht die Migranten. Dementsprechend gering ist auch die Identifikation dieser Bevölkerungsgruppen mit den Kultureinrichtungen.“

Deshalb seien Wien und Österreich „ein bisschen ein anderer Stern“. Österreich präsentiere sich auf internationaler Bühne gerne als Kulturnation. „Die Mentalität im Kulturbetrieb ist allerdings traditionell.“ Die Aufgeschlossenheit für neue Einflüsse sei endlich.


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