„Die Farben unter meiner Haut“ von Thomas Usleber

BUCH
  • Thomas Usleber
  • Die Farben unter meiner Haut
  • Autobiographische Aufzeichnungen
  • Brandes und Apsel Verlag
  • Frankfurt/Main
  • ISBN 3-86099-488-3

24.08.2007 | 12:31 | REDAKTION

Trotz prominenter Namen (Barbara Becker, Arabella Kiesbauer, Anthony Baffoe, Günther Kaufmann und viele andere) und jahrhundertlanger Präsenz im Land kollidiert die Existenz von schwarzen Deutschen (Österreichern, Schweizern) nach wie vor mit nationalen Verständnisrahmen. Wie sehr, zeigt die Autobiographie von Thomas Usleber.

Der Autor wird 1960 als Sohn einer Ungarndeutschen in Idar-Oberstein geboren, die ihn allein erzieht. So weit, so normal. Doch sein Vater ist schwarzer Amerikaner, und dieses kleine Detail macht den gebürtigen Deutschen Usleber (ebenso wie Tausende andere gebürtige schwarze Deutsche) zum Fremden im eigenen Land.

Seine autobiographischen Aufzeichnungen „Die Farbe unter meiner Haut“ lesen sich teilweise wie ein Lexikon der Facetten der Diskriminierung. Diese fängt bei Blicken an und setzt sich in Beleidigungen, die als Witze getarnt werden, fort. „Dort kennst du dich ja aus!“ wird ihm beispielsweise gesagt, als in einer Unterhaltung das Wort „Urwald“ fällt. Unnötig anzumerken, dass Usleber, genau wie die meisten Deutschen, noch nie einen Urwald von innen gesehen hat.

Zu seinem Schulalltag gehören perfide Gemeinheiten (Mitschüler verteilen Kopien mit Examenslösungen an jeden in der Klasse nur nicht an ihn) ebenso wie tätliche Angriffe, die so gehäuft aufgetreten zu sein scheinen, dass sie dem Autor nur einen lakonischen Satz Wert sind:„Schüler schlugen mich in den Pausen und die Aufsicht sah darüber hinweg.“

Die Erwartungen an ihn sind gering sowohl am Anfang seiner Schullaufbahn wie auch am Ende. Am Anfang verschwindet ein positiver Schulaufnahmetest, als er nicht das gewünschte negative Resultat aufweist, und am Ende, nach dem Abitur, bewirbt er sich erst gar nicht für die gehobene Beamtenlaufbahn, die allen Abiturienten offen steht (oder zumindest stehen sollte, wenn sie sich dafür qualifizieren), sondern für den mittleren Dienst. Doch selbst hier wird er nach Ende seiner Ausbildungszeit nicht übernommen, obwohl er zu den 10 Besten des Jahrgangs gehört, sondern sein minderqualifizierte Kollege.

Er zieht sich in die Welt der Bücher zurück („Ich glaube, ich lese so viel, weil ich niemanden habe, dem ich zuhören kann und ich glaube, ich schreibe so viel, weil ich niemanden habe, dem ich etwas sagen könnte.“ ) und träumt, wie viele schwarze Deutsche, den Traum von der Rassismusflucht –„ … ich wollte auswandern. Es war mir im Grunde egal, wohin, denn ich glaubte nicht, dass es auch nur ein Land geben könnte, in dem es schlimmer als in Deutschland sein würde,“

Uslebers Memoiren sind exemplarisch für das Leben schwarzer Deutsche, die sich die Zugehörigkeit zur Gesellschaft täglich neu erkämpfen müssen und sei es nur bei verbohrten Pförtnern, die zu meinen glauben, dass schwarze Hautfarbe und Beamtersein unvereinbare Gegensätze sind. Sie erzählen von der Kunst der Schlagfertigkeit, die man als schwarzer Mensch benötigt. Denn selbst wenn man nur im Aufzug einen Stapel Kopien durchblättert, muss man damit rechnen spöttisch von einem Kollegen gefragt zu werden, ob man denn auch lesen könne, was man in den Händen hält. („Natürlich“, antwortet Usleber, um gleich gegenzufragen „Können Sie denn lesen?“ Es entspinnt sich ein längeres Wortgefecht, aus dem Usleber siegreich hervorgeht). Seine Memoiren erzählen von der Distanz, die schwarze Deutsche entwickeln, indem sie von „den Deutschen“ sprechen, als gehörten sie selbst nicht dazu. „Für mich ist das Wort Heimat inhaltsleer,“ schreibt Usleber. Das ist verständlich, denn diese wird ihm jeden Tag genommen. Doch er schreibt darüber ohne jegliche Weinerlichkeit. Seine Analyse ist emotionslos und sachlich, wie man es von einem Beamten nicht anders erwarten würde.

Das Buch erzählt auch von Strategien, um mit der nicht immer einfachen Situation fertig zu werden, ohne zu verzweifeln. Dazu gehört eine übergrosse Toleranz gegenüber der Mitmenschen, die ihn in wichtigen Momenten im Regen stehen lassen („ich bin einem solchen Menschen auch nicht böse“, schreibt er ein wenig zu großmütig als ihm jemand nach einer hitzigen Diskussion gesteht, dass er eigentlich auf seiner Seite stand.sich aber während des Streits nicht outen wollte). Zudem empfindet er seine Hautfarbe als Belastung oder, um es in seinen Worten zu sagen, er versteht, „ dass diese Hautfarbe nicht abwaschbar war, dass ich mit ihr leben musste.“ Und so lebt er mit ihr, ein wenig so wie ein Mensch mit Behinderung sich mit dieser abfindet. Damit macht er sie zu seinem persönlichen Problem, wo sie doch eigentlich das Problem einer Politik ist, die bis heute sich nie dazu bekannt hat, dass es in Deutschland eine schwarze, einheimische Minderheit gibt.

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Zuerst erschienen auf Afrikanet.info 


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