Werkzeug Sprache: Mehrsprachige Autoren sind selten

14.09.2011 | 10:41 | Siobhan Geets

Autoren mit Migrationshintergrund gehen unterschiedlich an ihre Arbeit heran: Manche schreiben auf Deutsch, andere in ihrer Erstsprache – oder in einer Mischung aus mehreren Sprachen – und übersetzen es dann.

Wien. Das Erlernen einer neuen Sprache ist für Migranten eine Notwendigkeit, ihre Kinder wachsen häufig zweisprachig auf. Mehrsprachigkeit ist daher keine Seltenheit. Doch bei jenen Menschen, deren Werkzeug die Sprache ist, schafft es diese Mehrsprachigkeit nur selten in ihre Arbeit – nur wenige zeitgenössische Autoren in Österreich schreiben in zwei oder mehr Sprachen.
Zwetelina Damjanova-Ortega ist eine von ihnen. Die 1979 in Bulgarien geborene Autorin und Übersetzerin bezeichnet Bulgarisch als ihre Erstsprache, Deutsch als ihre „stärkste Sprache“. Zusätzlich spricht sie auch noch Spanisch. Früher übersetzte sie ihre Texte auf Deutsch – sie bezeichnet das heute als „Selbstzensur“ – jetzt schreibt sie mehrsprachig. Vor fünf Jahren habe sie entschieden, ihre Mehrsprachigkeit, die einen Teil ihrer Identität ausmacht, auch in ihren Texten zu thematisieren. „Ich habe die Mehrsprachigkeit als Stilmittel entdeckt.“ In ihren Texten thematisiere sie auch ihren inneren Konflikt mit den Sprachen.
Für die Autorin, Dramatikerin und Simultandolmetscherin Julya Rabinowich kommt es hingegen nicht infrage, mehrsprachig zu schreiben. „Ich habe einen ausgesprochenen Widerwillen, Sprachen innerhalb eines Textes zu vermengen.“ Rabinowich, geboren 1970 in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg, kam im Volksschulalter nach Österreich. Mit zwölf Jahren begann sie, ausschließlich auf Deutsch zu schreiben. Dabei ist es geblieben. Nach Veröffentlichung der Romane „Spaltkopf“ und „Herznovelle“ arbeitet die Schriftstellerin zurzeit an ihrem dritten Buch. Dieses, verrät sie, sei wie ihre Romane zuvor eine Untersuchung von Fremdheit: „eine selbst gewählte, allerdings eine aus innerer Zerrissenheit selbst gewählte Fremdheit“.

Schreiben zwischen den Kulturen

Dimitré Dinev, geboren 1968, flüchtete 1990 aus Bulgarien nach Österreich. Nach der Veröffentlichung einiger Kurzgeschichten und einem Preis im Literaturwettbewerb „Schreiben zwischen den Kulturen“ erschien sein erster Roman „Die Inschrift“. 2003 gelang ihm mit „Engelszungen“ der Durchbruch. „Eine erstaunliche Karriere“, meint Germanist Hannes Schweiger, der zu Literatur und Migration forscht. „Dinev“, sagt Schweiger „hat zweifellos zur verstärkten Wahrnehmung zugewanderter Autoren, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, beigetragen.“Nach seiner Flucht aus Bulgarien landete er zunächst in einem österreichischen Flüchtlingslager, schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, studierte Philosophie und russische Philologie in Wien und schrieb nebenbei.

Dinev thematisiert seinen Weg in die neue Heimat und in die deutsche Sprache in dem Essay „In der Fremde schreiben“. Die deutsche Sprache bezeichnet er nun als seine neue Heimat: „Sollte man also eines Tages doch in der Fremde weiterschreiben – oder auch erst damit beginnen –, dann hat man das begriffen, was jeder Autor irgendwann erfährt, nämlich, dass das Wort seine Heimat ist.“

Schublade Migrationsliteratur

Auffallend ist, dass sich viele Texte mehrsprachiger Autoren mit dem Leben in mehreren Kulturen beschäftigen. Es sei aber problematisch, die Autoren in die „Schublade Migrationsliteratur“ zu stecken, warnt Germanist Hannes Schweiger, der zu Literatur und Migration forscht. Diese Zuordnung bedeute einen Ausschluss aus der „richtigen“ deutschsprachigen Literatur. Im Literaturwettbewerb werde von zugewanderten Autoren erwartet, sich mit Themen rund um Migration und Integration zu beschäftigen. Schweiger weist darauf hin, dass die Autoren nicht auf diese Themen festgelegt sein wollen. Das Entscheidende, meint der Germanist, sei nicht, woher die Autoren kommen, oder wo sie geboren sind. Entscheidend sei, in welcher Sprache sie schreiben und vor allem, was und wie sie schreiben.

(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 14.09.2011)

 


2 Kommentare

  • Clara Akinyosoye

    Clara Akinyosoye

    Liebe Barbara. Wir stellen unserer Onlinerdaktion grundsätlich frei, ob sie geschlechtergerecht schreben wollen oder nicht. Was unsere Texte betrifft, die in der Presse erscheinen - da gibts halt kein Gender. Diese Texte dann umzuschreiben, erscheint mir nicht notwendig - wenn es den Schreibenden nicht ein persönliches Anliegen ist. Geschrieben um 14. September 2011 um 23:29 Uhr Antworten
  • Barbara Eppensteiner

    schön, dass ihr euch dieses Themas annehmt. Warum allerdings in der Überschrift nur Männer angesprochen werden Autoren, die Fotos dann aber zwei Frauen zeigen, müsst ihr mir noch erklären Geschrieben um 14. September 2011 um 22:39 Uhr Antworten

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