ORF Public Value-Bericht: Mehr Qualität durch Vernetzung und Markenbildung?

28.04.2014 | 11:50 | Daniela Karina Krenn

Zum sechsten Mal in Folge ist der Public Value Bericht des ORF erschienen. Er durchleuchtet mit Zahlen, Daten und Fakten den gesellschaftlichen Wert des ORF-Programms in Fernsehen, Radio und Online. Am 23. April präsentierte der ORF im Rahmen einer internationalen Diskussion den Leistungsbericht. Ein Resumé von Daniela Karina Krenn.

“Was verstehen wir eigentlich unter Qualität?”, fragt Konrad Mitschka, Human Ressource Manager des ORF, ins Publikum, bevor er das Dialog Forum  Mittwoch Vormittag eröffnet. “Wenn neue Fernsehformate ausgestrahlt werden, dann sind es meistens Kopien aus den USA. Oder sonst woher. Gibt es überhaupt den europäischen Anspruch an öffentliches Fernsehen?”

Klaus Unterberger ist Public Value-Beauftragter des ORF, er leitet die Diskussion. Auf Englisch und Deutsch wird sie geführt. Die Teilnehmer sind international, mit dabei sind unter anderem Lissy Jackson von der BBC. Auch ein Wissenschaftler nimmt an der Diskussionsrunde teil, Hardy Gundlach. Er ist Professor für Medienökonomie an der Hochschule Hamburg. Gerald Heidegger, Chefredakteur von orf.at, sitzt unter den Diskutierenden. Weniger um den gesellschaftlichem Wert geht es in der Diskussion, dafür um neue Ideen im Internet und Zukunftsmodelle für Medien.

Big Player im Mediengeschäft

Die Podiumsdiskussion startet gleich mit dem Thema, das alle Medien derzeit beschäftigt: die Finanzierung. Der altbekannte Weg, Medien durch Rundfunkgebühr oder Ausgabenverkauf und Werbeeinnahmen zu finanzieren, funktioniert im Internet nicht. Und vor allem die junge Generation geht ins Internet, um Filme zu sehen, Nachrichten zu lesen oder sonstiges. Einen Fernsehapparat haben viele nicht einmal mehr. Zudem dominieren große Medienhäuser wie Google, Amazon, Murdoch-Medien den Medienmarkt. Öffentlich-rechtliche Medien haben nur einen kleinen Marktanteil. Österreich’s ORF ist mit einem Anteil von 35 Prozent noch besser dabei als andere Länder.

Ein öffentlich-rechtliches Medium sollte sich aber nicht zu kommerziell darstellen. Die BBC hat in den 80ern begonnen, mehr Werbung einzubauen. Ein öffentlich-rechtlicher Sender hat aber einen gesellschaftlichen Auftrag und sollte für die Gesellschaft da sein, nicht den Eigentümer. Muss daher ein öffentlich-rechtlicher Sender wirklich wirtschaftlich erfolgreich sein?

Auf die Jugend kommt es an

Lissy Jackson betont, dass Medien nur dann überleben können, wenn sie dahin gehen, wo junge Menschen sich aufhalten – ins Internet. Auch Gerald Heidegger betont, dass ein interaktiver Austausch mit Usern immer wichtiger wird. Die Gefahr dabei sieht er, sich aber zu sehr auf eine Community zu beschränken. “Es sollte immer die gesamte Öffentlichkeit im Blick behalten werden, nicht einzelne Interessengruppen”, sagt er. Und natürlich der öffentliche Auftrag. Denn ein großer Unterschied besteht zwischen was wollen Leute wissen und was müssen sie wissen?

Qualität versus Angebot

Das Internet bietet unendliche Möglichkeiten. Dadurch gibt es aber auch unendlich viele Konkurrenten. Nachrichten, lokale Themen, Kindersendungen und mehr sind im Internet zu finden, von allen möglichen Anbietern. Harald Gundlach betont, dass es eine Anforderung an öffentlich-rechtliche Medien sei, glaubwürdige Informationen zu liefern. “Im Internet fehlen Strukturen im Hinblick auf Wissensbildung”, sagt er. Wie er sich das vorstellt? “Bei der Fernsehsendung “Borgia” könnten im Internet Hintergrundinformationen angeboten werden, in Form von Dokumentationen über das Zeitalter in dem die Sendung spielt.”, so Gundlach.

Das Problem dabei: Was, wenn solche Hintergrundinformationen nicht unbedingt dem Nutzerverhalten entsprechen? Gerald Heidegger hat noch eine andere Lösung, um die Qualität im Internet zu verbessern. “Quellentransparenz ist das Wichtigste. Warum also nicht auf gute Berichte von der Konkurrenz verlinken?”, so Heidegger. Er ist auch der Meinung, dass öffentlich-rechtliche Medien wieder mehr Zeit für ihre Berichterstattung lassen sollten. “Man sollte sich als Medium wieder auf seine Grundfeste zurück besinnen. Kontrolle der Informationen und Recherchezeit mehr Raum geben. Und eben nicht hundert Sachen auf einmal posten, sondern eine einzige Sache wirklich gut machen.”, sagt Heidegger.

Qualität als Markenzeichen

Im Internet ist der publizistische Wettbewerb groß. Wenn der ORF qualitativ berichten will, dann kann er all die Themen aber nicht alleine umspannen. “Der ORF muss seinen Namen nutzen, um Empfehlungen auszusprechen, welche Anbieter oder Personen im Internet noch glaubwürdig sind. Es muss mehr Vernetzung stattfinden.”, so Heidegger.

Nicht nur Vernetzung, sondern “Creative Clouds” schlägt Lissy Jackson vor. “Radio, Print, Internet und Fernsehen sollten nicht mehr getrennt werden. Man sollte an Themen zusammen arbeiten, in Gruppen und multimedial anbieten können”, so Jackson. Das derzeit noch nicht gelöste Problem: Auffindbar muss das ganze Angebot nur sein bei all den Radios, Fernsehsendern und Internetportalen, die es gibt.

Recht und Sicherheit im Netz

Die Rahmenbedingungen sind für die vorgedachten Ideen aber noch nicht da. Wettbewerbsregeln schränken europäische Sender ein. Auch Copyright-Verletzungen sind ein großes Thema im Internet. Algorithmen durchschauen das Internetverhalten der User und bestimmen dadurch auch ihr Medienverhalten. Auch die Anonymität im Internet hindert einen glaubwürdigen und vertrauenswürdigen Austausch. Wie können User wirklich sicher sein, dass Informationen stimmen? Es könnte noch dauern, bis all diese Rahmenbedingungen geklärt sind.

Public Value-Bericht

Der ORF unterteilt den Public Value-Bericht in fünf Qualitätsdimensionen. Er untersucht neben dem Gesellschaftswert auch den Unternehmenswert, den Österreichwert, den individuellen Wert und den internationalen Wert. Der individuelle Wert untersucht unter anderem wie viele Sendungen mit Untertiteln sowie in Gebärdensprache übersetzt wurden. 164 Stunden wurden in Gebärdensprache ausgestrahlt. Im Kapitel Gesellschaftswert werden Kultur und Vielfalt beleuchtet. So wurden zum Beispiel 44 Einträge in Radio, Fernsehen oder Internet zum Thema “Gender” ausgestrahlt.

Aber nicht nur Zahlen und Fakten liefert der Public Value-Bericht. Ein eigenes Magazin wurde von den ORF-Mitarbeitern selbst gemacht. Jeder hat einen kleinen Kommentar über sein Verständnis zum Qualitätsbegriff geschrieben. So schreibt zum Beispiel Jenny Blochberger von FM4 über die Verantwortung eines öffentlichen Senders. “FM4 richtet sein Augenmerk auf die Randbereiche der Gesellschaft, auf Menschen, die zusätzlich zu einer Notlage auch noch mit Vorturteilen und Unverständnis zu kämpfen haben.”

Und der Public Value-Bericht geht über die österreichischen Grenzen hinaus. In einem weiteren Magazin hat der ORF Wissenschaftler aus jedem europäischen Land um eine Medienanalyse gebeten.

Der gesamte Bericht ist unter http://zukunft.ORF.at online und kann auch unter zukunft@orf.at bestellt werden.


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