Buchrezension: Die Sexanzeige klang ehrlich

ÜBER DAS BUCH
  • In Freiheit leben, das war lange nur ein Traum 
  • Lea Ackermann, Mary Kreutzer, Alicia Allgäuer
  • Kösel-Verlag, München 2010, 240 Seiten, € 18,50

05.08.2011 | 16:31 | Ania Haar

Geschichten von jungen Frauen, die in der Prostitution landen, der Sexarbeit aber wieder entkommen und ein neues Leben beginnen. Davon erzählt das Buch „In Freiheit leben, das war lange nur ein Traum“ von Lea Ackermann, Mary Kreutzer und Alicia Allgäuer. Schätzungen zufolge landen jährlich mehr als 2 Mio. Frauen in der Sexindustrie.  

Maria ist 18 als sie Litauen verlässt um sich freiwillig zu prostituieren. Ihr Traumberuf ist es nicht, sondern für sie eine Notwendigkeit. Nur für kurze Zeit, so denkt sie, werde sie diesen Job machen. Drei Monate, so lange das Visum gültig ist, werde sie viel Geld verdienen. Und mit dem großen Geld zurück nach Litauen fahren und alles vergessen. Sie will nichts anderes als ein besseres Leben.

Ihr Vater, einst Schiffskapitän, wird durch einen Unfall arbeitsunfähig. Nach dem  Zerfall der Sowjetunion verliert auch ihre Mutter den Job. Maria fühlt sich dafür verantwortlich Geld zu verdienen. Eifrig liest sie Zeitungsannoncen und wird auf eine Anzeige aufmerksam. Ein Au-Pair Mädchen wird gesucht. Sie erkundigt sich, was dieser Begriff überhaupt bedeutet. Freunde – die diesen Begriff ebenfalls nicht wirklich kennen – behaupten, dass Mädchen die auf Kinder aufpassen, ausgenutzt und betrogen werden. Doch das will sie nicht. Da ist es besser gleich zu wissen, worauf man sich einlässt. Als Prostituierte zu arbeiten erscheint ihr besser und berechenbarer. In der Anzeige steht klar und deutlich, was von einer Prostituierten erwartet wird. Der Verdienst von 5000 Euro in 3 Monaten wäre mehr als sie in Litauen je verdienen könnte. Also bewirbt sie sich und wird genommen. Dass dann alles ganz anders kommt als versprochen und gedacht, ist nicht verwunderlich.

Gewalt an der Tagesordnung

Wie lange sie als Prostituierte gearbeitet hat und wie viele körperliche Überfälle und Vergewaltigungen sie überlebt hat, weiß sie heute nicht mehr so richtig. Sie ist eine von vielen Frauen, die tagtäglich Ähnliches erleben, auch wenn ihre Geschichte nicht ganz typisch ist. Ihre Geschichte zeigt dennoch wie die Ausbeutung von Frauen in der Sexindustrie funktioniert. Es gibt da zum Beispiel Heiratsagenturen die ahnungslosen Frauen zum kostenlosen Testen frei Haus liefern und gebührenfrei für den „Nutzer“ wieder zurücknehmen. Bezahlen müssen es die Frauen. Kaum denkbar, aber wahr. Dieses Buch behandelt die wahren Geschichten von zehn mutigen Frauen, die über ihre Flucht aus Gewalt und moderner Sklaverei erzählen.

2 Mio. Frauen und Mädchen betroffen 

Es ist aber auch eine Geschichte des Vereins Solwodi, geründet von Schwester Lea Ackermann, die während einer Reise nach Kenia mit Sextourismus konfrontiert wird und in Deutschland die andere Seite der Medaille erlebt: Sexindustrie. Zwangsheirat, Ehrenmorde und Kinderprostitution, Entwicklungshilfe und strukturelle Gewalt sind wichtige Themen in diesem Buch. Keine leichte Lektüre. Aber ein wichtiges gesellschaftliches Thema, dass noch viel Aufklärung und Aufmerksamkeit erfordert. Die Datenlage ist erschreckend: während laut Zahlen der UNO 2008 rund zwei Millionen Frauen und Mädchen jährlich in der Sexindustrie landen, geht eine andere Quelle von 500.000 osteuropäischen Frauen und Mädchen aus, die in den Westen zur Sexarbeit gebracht werden. Ein ist klar: Menschenhandel und Zwangsprostitution geschehen mitten im westliche Europa.

Dank der Hilfe des Vereins, Solwodi schafft Maria es sich in Deutschland ein neues Leben aufzubauen und sagt als Zeugin in einem Zuhälterprozess aus. Heute weiß sie, dass eine Frau keinen Mann heiraten muss um selbständig und selbstbestimmend leben zu können. Das Buch vermittelt auf eindrucksvolle Weise die Lebensgeschichten von 10 Frauen, die ihr Leben dank Solwodi verändern konnten. Persönliche Geschichten, gepaart mit interessanten politischen, gesellschaftlichen und geschichtlichen Hintergrundinformationen.

 


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