Glossar: So sollen JournalistInnen über „AusländerInnen“ schreiben

17.12.2014 | 11:38 | Anna Preiser

Glossare mit Formulierungshilfen für die Berichterstattung rund um das Thema Einwanderung sind in Österreich und in Deutschland erhältlich. Mit unterschiedlicher Herangehensweise.

Wien – In Deutschland und Österreich wurden für JournalistInnen Glossare für eine bessere Berichterstattung in Bezug auf das Thema Migration mit anderen Zugängen herausgegeben: Während die Initiative in Österreich von staatlichen Institutionen ausgeht und auch institutionalisierte Begrifflichkeiten im Mittelpunkt stehen (top-down), bringen die Neuen deutschen Medienmacher einen kritischeren Blick auf Begriffe und Zuschreibungen (bottom-up).

Das deutsche und österreichische Glossar 

Die Neuen deutschen Medienmacher (NdM) haben ein Glossar erarbeitet, das als Formulierungshilfen in der Berichterstattung dient. Begriffe aus den Bereichen Migration, Kriminalitätsberichterstattung, Asyl und Islam werden erläutert sowie alternative Formulierungen aufgezeigt werden. Erarbeitet wurde dieses in Zusammenarbeit mit WissenschaftlicherInnen, Fachleuten und PraktikerInnen. „Sie sind unser Beitrag zu einer laufenden Debatte und sicher nicht abschließend“, so die NdM in einer Presseaussendung. Es wurde eine aktuelle Fassung des Glossars veröffentlicht, die online zur Verfügung steht. Auch kann eine Broschüre des Glossars bei den NdM bestellt werden.

Auch in Österreich gibt es ein Glossar, das Begrifflichkeiten, die in Zusammenhang mit dem Themenbereich der Integration verwendet werden, aufgreift und definiert. “Gerade auf diesem Feld herrschen oft Unsicherheit über die Bedeutung von Begriffen und Unkenntnis darüber, welche Implikationen ihre Verwendung bei Betroffenen und Medienkonsument/innen haben kann. Manche Wörter sind missverständlich, umstritten oder vermitteln falsche Vorstellungen, bei anderen sind die Inhalte nicht klar.“, so Hans Winkler (Expertenrat für Integration) im Vorwort des Glossars. Herausgegeben wurde das Integrationsglossar 2012 von der Medien-Servicestelle Neue Österreicher/innen und dem Integrationsministerium. Das Glossar soll Klarheit schaffen und wertfreie Begriffe nahelegen.

Die Zugänge im Vergleich

Anders als im Glossar der NdM werden im österreichischen Glossar Begriffe jedoch ausschließlich definiert und nicht kritisch beleuchtet. Es wird weniger auf möglicherweise kritisch zu betrachtende Fremdbezeichnungen eingegangen, sondern viel mehr auf Definitionen von institutionalisierten Begriffen, die rund um das Thema Migration wichtig sind. Darunter sind beispielsweise Definitionen von Begriffen wie Asyl, Ausländerfeindlichkeit, Braingain, Charta der Grundrechte der EU, Diaspora, Exklusion oder Integration.

Die NdM gehen weiter. Sie behandeln Begrifflichkeiten weiterer Themenfelder, die mit Migration in Zusammenhang stehen und mit Sensibilität zu verwenden sind. Sie gehen verstärkt auf Fremd- und Selbstbezeichnungen von Personen ein, wie zum Beispiels auf Neue Deutsche, Afro-Deutsche, Bio-Deutsche, Schwarze, Sinti, Südländer und Islamist. Sie stellen die Begriffe und Bezeichnungen in einen Zusammenhang, reflektieren diese und machen auf irreführende und oft schlicht falsche Verwendungen von diesen aufmerksam. Auch werden alternative bzw. im jeweiligen Kontext richtige Bezeichnungen vorgestellt und vorgeschlagen.

Verschiedene Definitionen von AusländerInnen

Als Vergleich der Zugänge und Bearbeitung der Begriffe der beiden Glossare kann hier beipsielsweise der Begriff „Ausländer/-in“ herangezogen werden. Im österreichischen Integrationsglossar werden diese definiert als „Personen in Österreich, die über keine österreichische  Staatsbürgerschaft verfügen.“ Die NdM gehen weiter: „Ausländer _ ist als Bezeichnung für Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft korrekt. Als Synonym für ||Einwanderer ist er dagegen falsch, da die meisten Migranten und ihre Nachkommen keine Ausländer mehr sind, sondern ||Deutsche (siehe ||Migrant). Grundsätzlich verortet »Ausländer« Menschen im Ausland und klingt nicht nach jemandem, der/ die den Lebensmittelpunkt in Deutschland hat.“

Die NdM, die zwar der gendergerechten Sprache nicht gerecht werden, definieren den Begriff, machen darauf aufmerksam, wie der Begriff falsch verwendet werden kann und heben hervor, welchen Beigeschmack und welche Implikationen der Begriff  haben kann. Mit dem Glossar leisten die NdM einen wichtigen Beitrag zur reflektierten Wortwahl in der Berichterstattung, wenn es um Migration, Kriminalitätsberichterstattung, Asyl und Islam geht.

Das WIKI-Portal von M-MEDIA

Auch M-MEDIA startete vor zwei Jahren durch das WIKI-Portal eine bottom-up-Initiative. In dieser werden Begrifflichkeiten der Kerndimensionen von Diversität und Inklusion für den deutschsprachigen Journalismus definiert. Das Portal wird von verschiedenen Communities, JournalistInnen, WissenschaftlerInnen und StudentInnen freiwillig betreut und aktualisiert.

 


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