Österreich: Migrantenmedien organisieren sich

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AUF EINEN BLICK Medien.Messe.Migration 2008“
  • M-MEDIA organisiert zum ersten Mal in Österreich eine Messe für Migrantenmedien.
  • Zeit: Do. 11. & Fr. 12. September, 10-17 Uhr.
  • Ort: Foyer des Hörsaalzentrums sowie Hörsaal HS C1, Campus der Universität Wien, Altes AKH – Spitalgasse 2/Hof 2, 1090 Wien
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09.09.2008 | 8:08 | Aysun Bayizitlioglu

In Österreich wird eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen von und für Migranten gemacht, auch in Radio und Fernsehen gibt es zahlreiche Initiativen. Nächstes Ziel ist der Schritt in die Mainstream-Medien.

Geht es um Migranten, stehen Themen wie Armut, Bildungsdefizite oder Kriminalität im Vordergrund“, ärgert sich Eser Akbaba, Redakteurin bei der Migrantenzeitschrift „Biber“: „Wird eine Bank ausgeraubt, wird groß über ,Mehmet‘ oder ,Dragan‘ berichtet.“ Positive Meldungen gebe es kaum. Und ein erfolgreicher Unternehmer wie Attila Dogudan werde kaum als Migrant wahrgenommen.

Je nachdem, ob und wie Medien Fragen der Integration oder stereotype Darstellungen aufgreifen, können sie Integrationsprozesse fördern oder behindern. Indem sie auch die positiven Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und die soziale und kulturelle Bereicherung hervorheben, wird Migration mehr als Chance denn als Bedrohung wahrgenommen.

In den letzten Jahren ist die Zahl muttersprachlicher Medien etwa in Türkisch, Kroatisch oder Serbisch zwar gestiegen, doch noch immer konsumieren viele – insbesondere Angehörige der ersten Generation – vorwiegend Satellitenprogramme aus ihren Herkunftsländern. Für eine erfolgreiche Integration sind jedoch lokale Nachrichten notwendig, da sie erst die Teilnahme an der neuen Umgebung ermöglichen. Das Angebot ist unterschiedlich. Für serbische Migranten stehen etwa nur wenige Zeitschriften wie „Glas Srba“ und „Vesti“ zur Auswahl.

Im Gegensatz dazu können türkische Migranten aus mehr als zehn kostenlos erscheinenden türkischsprachigen Lokalzeitungen auswählen. Ziel dieser Medien ist laut Hüseyin Simsek, Herausgeber der Monatszeitung „Öneri“ (Vorschlag), „unsere Leser verstärkt mit Lokalnachrichten zu versorgen“. Seit 2005 veröffentlicht „Oneri“ auch Sonderausgaben auf Deutsch und Türkisch, um auch die Jugendlichen, die teilweise nicht mehr so gut Türkisch sprechen, zu erreichen.

Lifestyle-Magazin für Zuwanderer

Mit dem Leitspruch „Wir tun nicht Multi-Kulti. Wir sind scharf“ startete 2006 „Biber“, Lifestyle-Magazin für Zuwandererkinder der 2.und 3. Generation. Mittlerweile arbeiten 25 türkische, serbische, polnische, kroatische, kurdische, brasilianische, Kärntner, oberösterreichische und slowenische Redakteure bei dem sechs Mal jährlich erscheinenden Magazin. Im Mittelpunkt stehen vor allem Lifestyle-Themen aus der multiethnischen Community jenseits des Mainstreams österreichischer Massenmedien.

Aber nicht nur im Zeitungssektor, auch in elektronischen Medien gibt es eine Vielzahl von Projekten: Vor rund zehn Jahren haben die African Communities „Radio Afrika“ auf ORF MW 1476 gegründet. Ziel ist es, gegen Vorurteile, Klischees und Stereotypen über Afrikaner und Afrika zu kämpfen, die oft in österreichischen Medien verbreitet werden. Gesendet wird auch auf dem freien „Radio Orange 94.0“. Zusätzlich nutzt „Radio Afrika“ auch die Kommunikationskanäle Fernsehen (Radio Afrika TV auf Okto), Internet (Radio Afrika Online) und Print (Tribüne Afrika Magazin).

Der ORF Mittelwellensender „Radio 1476“ sendet seit März 1997 Minderheitenprogramme für und von Migranten. „Wir bieten in der Woche 12 Stunden Programm in sechs Volksgruppensprachen“, erzählt der Sendungsverantwortliche Serdar Erdost. Muttersprachliche Sendungen für Türken oder Serben werden vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich derzeit nicht angeboten. Im Privatradio gibt es das sehr wohl: So werden etwa auf „Radio Orange 94.0“ in Wien Minderheitenprogramme in zwölf Sprachen ausgestrahlt wie „Merhaba FM“ oder „Chimichurri“.

Mit Einführung des Kabel- und Satellitenfernsehens in den 1980er Jahren wurde Migranten der Zugang zu Programmen ihrer Herkunftsländer eröffnet. Weil diese importieren Programme die den Bedürfnissen der Migranten in Österreich nicht genügten, begannen Privatsender wie „Euro-Türk“ und „Yol TV“, auch Nachrichten und spezielle Lokalprogramme aus Österreich speziell für türkische Zuwanderer zu senden. Ein besonders interessantes Projekt ist „Okto TV“, das zweitgrößte Lokalprivatfernsehen in Österreich, das seit 2005 für alle Migrantengruppen muttersprachliche und deutsche Sendungen anbietet.

Rein in den Mainstream

Neben all den Medien, die sich vor allem an migrantisches Publikum richten, bleibt es natürlich ein erklärtes Ziel für Migranten, auch selbst in Mainstream-Medien mitzuarbeiten. Ein Projekt dabei ist die wöchentliche Seite in der „Presse“, auf der Journalisten mit Migrationshintergrund jeden Mittwoch Berichte aus ihrem persönlichen Umfeld verfassen.

Trotzt derartiger Projekte hat Österreich im Bereich der Migranten in Medien noch einiges aufzuholen. In Großbritannien oder Frankreich etwa ist gesellschaftliche Vielfalt auch am Bildschirm zur Prime-Time sichtbar. Bis es den ersten ZIB-Moderator mit Migrationshintergrund gibt, dürfte es in Österreich wohl noch etwas länger dauern. (AYSUN BAYIZITLIOGLU)


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