Migrantenmedien für Österreicher

05.08.2009 | 17:50 | Clara Akinyosoye

Eine weitere türkischsprachige Zeitung bringt nun einen eigenen deutschsprachigen Teil heraus. Ziel ist, der Mehrheitsgesellschaft Einblick in Probleme und Denkweise von Migranten zu geben.

Unabhängig und liberal – hinter uns steht keine religiöse Sekte oder Verein“ – mit diesen Worten beschreibt Herausgeber Birol Kilic sein Monatsblatt „Yeni Vatan Gazetesi“ („Neue Heimat Zeitung“). So viel zur Blattlinie – die ist zehn Jahre alt. Neu ist allerdings, dass es die türkische Migrantenzeitung nun auch auf Deutsch gibt. Seit Juni erscheint zusätzlich eine deutschsprachige Beilage mit dem Titel „Einspruch“.

Die Zeitung geht mit dem Trend – und der besagt, dass Migrantenmedien zunehmend in deutscher Sprache erscheinen. Immer mehr türkische Migrantenzeitungen bringen deutsche Beilagen oder vereinzelt Sonderausgaben heraus, wie etwa „Öneri“, die schon seit 2005 teilweise in Deutsch erscheint. Auch „Yeni Hareket“ druckt seit einigen Monaten eine deutschsprachige Beilage (Dolmec). Damit sollen vor allem türkischstämmige Jugendliche der zweiten und dritten Generation als Leser gewonnen werden – sie sprechen zumeist besser Deutsch als Türkisch.

Auch Österreicher lesen mit

Die Zuwendung zur Sprache der Mehrheitsgesellschaft sieht Fritz Hausjell, Professor am Institut für Publizistik der Universität Wien, als „logischen Schritt“. Auf der anderen Seite sei es somit auch für die Österreicher leichter, sich mit „Migrantenthemen“ auseinanderzusetzen – wenn sie die Inhalte der Migrantenzeitungen verstehen können. Doch entscheidender für den Integrationswert eines Migrantenmediums sei eigentlich weniger die verwendete Sprache, sondern der Inhalt.

Und der hat im „Einspruch“ durchaus Potenzial für eine Kontroverse: Mit Berichten wie „Das Kopftuch stammt aus der Bibel“, wie in der ersten Ausgabe getitelt wurde, soll den Österreichern eine andere Sicht der Dinge präsentiert werden – eben eine türkische.

Der Titel der Beilage ist übrigens nicht willkürlich gewählt: „Ohne Einspruch kein Anspruch“, meint Kilic. Migranten müssten ihre Pflichten erfüllen, doch es sei darüber hinaus notwendig, sich bisweilen in kritische Kommunikation mit der Aufnahmegesellschaft zu begeben und – wenn erforderlich – bei Ungerechtigkeiten Einspruch zu erheben. Den Namen „Einspruch“ habe sich der Herausgeber deshalb schon vor vier Jahren patentieren lassen.

Der deutschsprachige Teil hat dabei einen anderen Fokus als der türkischsprachige. „Einspruch“ soll Aufklärungsarbeit leisten. Umstrittene Themen sowie Alltägliches im Leben der türkischen Bevölkerung soll der Mehrheitsgesellschaft nähergebracht werden. Im türkischsprachigen Teil geht es dagegen vor allem darum, der türkischen Community politische und soziale Geschehnisse in Österreich zu vermitteln.

Mentalität kennenlernen

Wichtig für Birol Kilic ist es, die türkische Gemeinde mit der österreichischen Mentalität und Kultur vertraut zu machen, Integration zu fördern und mit seiner Zeitung eine Plattform für die Probleme und Standpunkte der eigenen Community zu schaffen.

In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren gab es einen regelrechten „Boom an Migrantenmedien“, erklärt Hausjell, „da die Standpunkte von Migranten in den Mainstreammedien kaum beachtet werden“. Auf diese Weise könne man sich eine Stimme verschaffen – eine Stimme, die nun auch zunehmend die Mehrheitsgesellschaft versteht.

Die neue Beilage komme bei türkischen und österreichischen Lesern gut an, so Kilic. Viele Österreicher wären schon immer neugierig auf den Inhalt der Zeitung gewesen. Dass nun auch tatsächlich vermehrt österreichische Leser angezogen werden, „würde ich mir persönlich sehr wünschen“, so Hausjell. Jedoch solle man sich diesbezüglich nicht zu große Hoffnung machen.

Multikulti mit Witz

Sowohl im Bereich Print- als auch im TV- und Radiobereich wächst der Anteil an Produktionen, die von Migranten initiiert und gestaltet werden. Die meisten dieser Medien sind kostenlos. Wie etwa das Lifestylemagazin „biber,“ das sich als junges, multikulturelles Team mit multikulturellen Themen der zweiten und dritten Generation präsentiert.

Das Magazin richtet sich dabei, anders als die meisten Migrantenmedien, nicht an eine bestimmte ethnische Gruppe, sondern an alle interessierten Migranten und Österreicher. Auch ihr Zugang zu „Migrantenthemen“ ist ein anderer. Biber provoziert, setzt auf Witz und Selbstironie. Und kommt damit sowohl bei Migranten als auch in der Mehrheitsgesellschaft gut an. Ein Ziel, das für Migrantenmedien in der Zukunft zur Regel werden sollte.

(CLARA AKINYOSOYE „Die Presse“, Print-Ausgabe, 05.08.2009)


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