Die letzte Integrationsseite: Es war uns eine Pflicht

28.12.2012 | 16:50 | Clara Akinyosoye

Nach fünf Jahren geht die Zusammenarbeit zwischen M-Media und der „Presse“ zu Ende. Die Redaktion verabschiedet sich. Nicht ohne Wehmut, aber mit dem Wissen, die Leser unterhalten, provoziert und berührt zu haben.

Aller Anfang ist schwer. Das gilt besonders für den Einstieg in einen Artikel, der ein Abschied werden soll. Es ist der letzte Text in einem Projekt, das vielen Menschen ans Herz gewachsen ist. Also machen wir es kurz: Das ist die finale Integrationsseite. Das Redaktionsteam von M-Media hat in der „Presse“ seit 2008 jeden Mittwoch eine Seite rund um Integration gestaltet. Die Entscheidung, die Seite abzuschaffen, ist Teil eines Sparprogramms, das „Die Presse“ durchgeführt hat.

Im Jahr 2007 trat M-Media-Geschäftsführer Simon Inou mit der Idee einer Integrationsbeilage an mehrere Medien heran. Ein bunt gemischtes Team aus Journalisten mit Migrationshintergrund sollte die Themen Integration und Migration in Österreich aus verschiedenen Perspektiven beleuchten und darüber berichten. Ein Novum in der österreichischen Medienlandschaft. „Die Presse“ – allen voran der damalige Chefredakteur Michael Fleischhacker – zeigte sich interessiert. Ein Testlauf war die Folge: Zwei M-Media-Journalistinnen fuhren nach Kärnten und fragten bei Jörg Haider nach, warum er sich vor Muslimen fürchte – der Startschuss für eine erfolgreiche Kooperation, aus der in fünf Jahren rund 250 Seiten und hunderte Artikel hervorgegangen sind.

Heftige Diskussionen

Viele von ihnen haben für heftige Diskussionen gesorgt, in der Öffentlichkeit, in Onlineforen, bei M-Media, in der Redaktion der „Presse“. Das war auch Sinn der Sache. Ziel von M-Media war es, die Berichterstattung über Migranten radikal zu verändern, ein differenzierteres Bild zu vermitteln und Journalisten mit internationalen Wurzeln einen Einstieg in ein Mainstream-Medium zu verschaffen. Das ist gelungen.

Einige unserer Teammitglieder haben uns bereits vor Jahren verlassen. Besonders glücklich waren wir über den Abgang von Duygu Özkan, die von M-Media als erste ins Chronikressort der „Presse“ übersiedelt ist. Auch Iris Bonavida, die jetzt in der Innenpolitik tätig ist, hat bei M-Media begonnen. Nasila Berangy leitet nun ein mehrsprachiges Magazin. Auch jene, die noch bei uns sind, konnten nebenbei Erfolge verbuchen. So ist etwa Ida Labudovic seit Kurzem Chefin vom Dienst beim jüdischen Magazin „Nu“.

Unsere Arbeit blieb nicht unbemerkt. Das Projekt erhielt 2008 den Förderpreis für interkulturellen Dialog vom BMUKK und 2011 den Prälat-Leopold-Ungar-Anerkennungspreis. Hinter der Integrationsseite steht ein 14-köpfiges Team, das Wurzeln in 15 Ländern rund um den Globus hat. Es sind Christen, Juden, Muslime, Atheisten, Vollzeitkritiker, Studenten und Jungjournalisten, eine ehemalige Säbelmeisterin, eine Lehrerin – das Team ist in jeder Hinsicht vielfältig.

Mangelnde Deutschkenntnisse wurden nie als Hindernis zur Mitarbeit verstanden. Im Hintergrund wurde übersetzt und redigiert. Ein Luxus, den sich viele Redaktionen nicht leisten können oder wollen.

Der Output hat den Input aber um ein Vielfaches übertroffen. Klar ist, wer Deutsch als Ausschlusskriterium heranzieht, wird die Kompetenzen, die viele Migranten mitbringen, nie zu sehen bekommen. Viele der spannendsten Geschichten sind von Journalisten geschrieben worden, die in Deutsch gar nicht sattelfest sind. Erich Kocina, stvtr. Ressortleiter der Chronik, hat die Seite fünf Jahre lang begleitet, Texte redigiert und diskutiert. Wir haben viel voneinander gelernt.

Österreich sei ein Entwicklungsland, wenn es um mediale Integration von Migranten geht. Mit diesem Sager wurde Simon Inou vielfach zitiert. Er hatte sicherlich recht. Die österreichische Medienlandschaft hatte in Sachen medialer Integration vor fünf Jahren kaum etwas zu bieten.

Mit diesem Projekt haben wir als Entwicklungshelfer gedient und Bewegung in die heimische Medienbranche gebracht. Integrationsseiten oder Schwerpunkte und Medienkooperationen zwischen Mainstream- und interkulturellen Medien sind jetzt keine Seltenheit mehr. Das ist eine positive Bilanz.

Differenzierte Berichterstattung

Liebe Leser, ob Sie uns nun als das „Feigenblatt einer rechtskonservativen Presse“ (Copyright: ein Kritiker), als gelungenes Beispiel medialer Integration, als ein spannendes Stück Geschichte einer Tageszeitung oder schlichtweg als gute Journalisten mit interessanten Zugängen zu Integration in Erinnerung behalten, bleibt Ihnen überlassen. Wir verabschieden uns nicht ohne Wehmut, aber mit dem Wissen, Sie unterhalten, provoziert, berührt und informiert zu haben. Und der „Presse“ zu differenzierterer und umfassenderer Berichterstattung in Sachen Integration verholfen zu haben.

Jenen, die jetzt schon wissen, dass wir ihnen fehlen werden, darf ich unsere Onlineseite (www.m-media.or.at) ans Herz legen. Denjenigen, die der Gedanke an unser künftiges Fehlen fröhlich stimmt, sei diese Freude zum Jahresende gegönnt. Ich darf mich im Namen der Redaktion bei allen Lesern, Befürwortern und Kritikern verabschieden. Es war uns eine Freude, eine Ehre, eine Pflicht.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 27.12.2012)


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